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Europa Hautnah

Bettina Bräuninger16. März 2007

Die Brüsseler Bürokratie möchte sich den Bürgern annähern. Schon vor über einem Jahr hat es EU-Industriekommissar Günter Verheugen verkündet: Er werde seine 350 Beamten zum Praktikum in Unternehmen schicken.

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Bild: AP

Mehr Verständnis für die Bedürfnisse des Mittelstands sollen die Beamten der Generaldirektion Industrie gewinnen. Bis zum Jahr 2009 sollen sie für jeweils eine Woche den Industriealltag miterleben. Seit Anfang dieses Jahres ist es soweit. Bettina Bräuniger hat den 46jährigen Michel Bosco ab seinem Praktikumsplatz besucht.

Praktikum in der Kleinstadt

Buxtehude, eine kleine Stadt mit knapp 40 000 Einwohnern, etwa 30 Kilometer südwestlich von Hamburg im Norden Deutschlands gelegen, ist das Reiseziel für Michel Bosco. Bosco kommt aus Brüssel. Als EU-Beamter steht er seit 16 Jahren im Dienst der Europäischen Kommission, Generaldirektion Industrie. Der 46jährige Franzose ist einer der ersten von 350 Beamten, die Brüssel zum Praktikum ins Land entsendet. Seine ersten Eindrücke: "Diese Mischung von Industrielandschaft und alten Wohnvierteln mit einer Tradition von zum Teil 700 oder 800 Jahren, die ist gewissermaßen charmant. Hier lässt es sich ganz angenehm leben. Eine charmante und dynamische Stadt."

Dynamisch präsentiert sich dem hochrangigen Praktikanten auch das gastgebende Unternehmen: Das Ingenieurbüro Lühmann, ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen, hat in den vergangen drei Jahren seine Mitarbeiterzahl von hundert auf zweihundert verdoppelt, macht einen Jahresumsatz von 12 Millionen Euro und arbeitet mittlerweile an vier Standorten, einer davon in Frankreich. Die Ingenieure konstruieren Flugzeugkabinen. Geschäftsführer Peter Lühmann blickt - trotz aktueller Airbuskrise - optimistisch in die Zukunft: "Flugzeugbau, auch wenn er sich zur Zeit vielleicht in der Krise befindet oder darüber negativ berichtet wird, ist ein Wachstumsmarkt. Mobilität wird immer weiter zunehmen, so rechnen wir, und deswegen planen wir für Wachstum."

Auf Schritt und Tritt

Auf dem Firmengelände ist der Platz für ein neues Bürogebäude schon freigehalten. Wenige Schritte entfernt befindet sich das Buxtehuder Airbus-Werk. Wie dort die Ideen des Ingenieurbüros in die Tat umgesetzt werden, zeigt Airbus-Mitarbeiter Christian Riedel dem Gast aus Brüssel: "Das was Sie hier sehen, das ist die Originalkabine vom Airbus 380. Unsere Teile sind hier drin, das sind die Originalkabinenteile, Originalbeleuchtungsteile. Was Sie hier aufleuchtet ist wie im A 380."

Michel Bosco darf den Geschäftsführer des Ingenieurbüros, Peter Lühmann, auf Schritt und Tritt begleiten. Visiten im Hamburger Airbuswerk stehen ebenso auf dem Programm, wie ein Blick auf die dreidimensionalen Computerzeichnungen im Konstruktionsbüro. Vor allem aber verschafft sich der EU-Beamte einen Eindruck über die Bedürfnisse eines mittelständischen Unternehmens im Bereich der
Luftfahrtindustrie. Er meint: "Man kann nicht technisch führend sein, wenn man sich nicht aktiv an der Forschung beteiligt. Deshalb hat dieses Unternehmen, genau wie andere in dieser Gegend, Interesse daran, an Forschungsprojekten teilzunehmen, zum Beispiel mit Unternehmen in Frankreich, mit Zentren in Großbritannien oder Ungarn - um nur ein paar Beispiele zu nennen." Der EU-Beamte verwaltet in der Generaldirektion Industrie die

Praxis statt Theorie

Forschungsprogramme zur Förderung unternehmerischer Initiative und Innovation. Das, was er in der Theorie von seinem Schreibtisch aus
Brüssel kennt, sieht er hier in der Praxis bestätigt. Bedenken, dass
durch das Praktikum bestimmte Unternehmen finanziell bevorzugt
werden könnten, weißt er entschieden zurück: "Ziel unserer Besuche ist es, die ganze Atmosphäre in uns aufzusaugen, uns von den Bedürfnisse der Unternehmen durchdringen zu lassen - aber nicht, eine Vorauswahl oder Selektion vorzunehmen!"

Nach einer Woche wird Michel Bosco wieder an seinen Schreibtisch zurückkehren und gemeinsam mit seinen Praktikantenkollegen in Brüssel Bilanz ziehen. Doch vorher stellt sich der EU-Beamte noch den Fotografen zur lokalen Pressekonferenz, umrahmt von
Firmengeschäftsführer Peter Lühmann und Buxtehudes Bürgermeister Jürgen Badur.

Taten folgen lassen

Näher zusammenrücken also und noch besser kommunizieren - auf diese Bekenntnisse sollen sowohl in Buxtehude als auch in Brüssel Taten folgen, wenn nach dem einwöchigen Unternehmenspraktikum an beiden Orten wieder der Alltag einkehrt.