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Europa sucht nach einer gemeinsamen Stimme

Das Interview führte Aarni Kuoppamäki20. Oktober 2006

Im finnischen Lahti verhandeln die Spitzen der EU informell mit Russlands Präsident Putin. DW-WORLD sprach mit dem Organisator des Gipfels, Finnlands leitendem Staatssekretär für EU-Angelegenheiten, Jari Luoto.

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Jari Luoto hat das informelle Gipfeltreffen in Lahti organisiert.

DW-WORLD: Seitdem Russland Anfang des Jahres der Ukraine den Gashahn abdrehte, fürchtet Europa, Präsident Wladimir Putin könnte Erdgas als Druckmittel gegen andere Länder einsetzen. Jetzt ist Putin Gast auf einem informellen EU-Gipfel. Was erhofft sich Europa von dem Dialog?

Jari Luoto: Gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt für Gespräche zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und Putin. Denn die offenen Fragen zwischen der Union und Russland reichen sehr weit. Einerseits geht es darum, das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, das die Verhältnisse zwischen der Union und Russland regelt, zu erneuern. Andererseits haben wir Redebedarf im Bereich der Energiezusammenarbeit.

Derzeit deckt die Europäische Union mehr als die Hälfte ihres Energiebedarfs mit Importen. Wie kann sie ihre Abhängigkeit von auswärtigem Gas und Erdöl konkret reduzieren?

Das wichtigste ist, sich zu klar zu machen, dass wir in Energiefragen eine gegenseitige Abhängigkeit von Europa und Russland haben. Einerseits wollen die EU-Mitgliedsstaaten Strom von Russland kaufen. Andererseits braucht Russland das Fachwissen und die Investitionen europäischer Unternehmen, um seine Infrastruktur zu entwickeln. In Lahti werden wir uns auf die Frage konzentrieren, was für eine Außenpolitik die Union betreiben muss, damit sich automatisch auch die energiepolitischen Ziele erfüllen. Die EU-Mitglieder haben gemeinsame Interessen. Darum müssen wir Konzepte entwickeln, um in Energiefragen mit einer Stimme sprechen zu können.

Unter 25 Nationen eine gemeinsame Stimme zu finden erscheint gerade hier als schwierig. Zum Beispiel baut Finnland als erstes europäisches Land ein neues Kernkraftwerk, Deutschland hat offiziell den Atomausstieg beschlossen. Ist bei solch gegensätzlichen Ideologien innerhalb der Union überhaupt eine gemeinsame Energiepolitik möglich?

Beim Entwurf der europäischen Energiepolitik betrachten wir nur die Fragen, die auf der EU-Ebene behandelt werden müssen. Niemand denkt zum Beispiel, dass man den Mitgliedsländern die freie Wahl der Energiequellen streitig machen sollte. Aber überall, wo es gemeinsame Interessen gibt – beim Energie-Binnenmarkt, den Verteilungsnetzen, Pipelines und ganz allgemein der Art, in der die Union mit Erzeuger-, Transit- und anderen Verbrauchern diskutiert – dort lohnt sich eine gemeinsame Politik.

Finnland ist eines der kleinen EU-Länder. Ist es der richtige Vorsitzende für Verhandlungen mit dem großen Russland, oder hätte der nächste EU-Ratspräsident Deutschland bessere Chancen, die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen?

Finnland befasst sich als Ratspräsident mit den Fragen, die gerade aktuell sind. Darum dieses Treffen in Lahti, und darum der EU-Russland-Gipfel im Herbst. Ich glaube eher, dass es ein Vorteil ist, dass Finnland den Umgang mit Russland gewohnt ist, weil wir Nachbarn sind und eine lange Geschichte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit haben.

Außer der Energiepolitik sollen in Lahti auch Fragen der Innovationspolitik und Migration behandelt werden. Ist das nicht zu viel für einen einzigen Tag?

Wir konzentrieren uns in Lahti auf Innovations- und Energieplitik, also zwei große Themenbereiche. Dann befassen wir uns noch kurz mit der Migration, die im Dezember im Europarat ausführlich behandelt wird. Unser Ziel ist, die Fragen zu finden, die die Europäische Union eilig anpacken und entscheiden muss. Auf die wollen wir uns in Lahti konzentrieren.