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EU-Abgeordnete fordern klare Signale

14. September 2016

EU-Kommissionspräsident Juncker hält heute seine zweite Rede zur Lage der Union. Es sah schon besser aus: Wegen des Brexit-Votums, der Flüchtlingskrise und des Streits um die Wirtschaftspolitik herrscht Krisenstimmung.

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Jean-Claude Juncker (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Vor der Rede zur Lage der Europäischen Union wächst der Druck auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Gemeinschaft einen Weg aus der Krise zu weisen. Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber verlangte starke Signale für Wachstum und Sicherheit. Linken-Fraktionschefin Gabi Zimmer forderte von Juncker eine Klarstellung der sozialen Standards der EU. "Die Europäische Union benötigt einen entschiedenen Politikwechsel", meinte auch der SPD-Europachef Udo Bullmann.

Juncker (Artikelbild) wendet sich am Vormittag im Europaparlament in Straßburg mit seiner jährlichen Grundsatzrede an die Abgeordneten. Dabei dürfte der Luxemburger Christdemokrat auf die Folgen des erwarteten Austritts Großbritanniens aus der EU eingehen. Die Briten hatten im Juni für den Brexit gestimmt, doch hat die Londoner Regierung bisher kein offizielles Austrittsgesuch gestellt.

Erwartet wird außerdem, dass Juncker den Abgeordneten die Entscheidung der Kommission für eine Ausweitung des vor einem Jahr beschlossenen milliardenschweren Investitionsplans erläutert. Auch auf die anhaltende Flüchtlingskrise dürfte er eingehen. Mehrere EU-Staaten weigern sich nach wie vor, den Plan zur Umverteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU umzusetzen. Angesichts dieser Probleme herrscht seit Monaten Krisenstimmung in der Gemeinschaft.

Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei und damit ein Politiker derselben Parteienfamilie wie Juncker, erklärte der Deutschen Presse-Agentur: "Europa muss sich auf das Wesentliche konzentrieren und in diesen Bereichen aber auch konsequent und mit Wucht handeln." Konkret plädierte er für eine Verlängerung des 2014 gestarteten EU-Investitionsprogramms, das nach jetzigem Stand 315 Milliarden Euro öffentlicher und privater Gelder mobilisieren soll. Auch für die Handelsverträge Ceta mit Kanada und TTIP mit den USA machte sich Weber stark. In der Sicherheitspolitik unterstützte er den Vorschlag, alle Ein- und Ausreisen in Europa zu erfassen, ähnlich wie die USA mit dem Esta-System.

Manfred Weber (Foto: Kai-Uwe Heinrich)
Manfred WeberBild: picture-alliance/tagesspiegel/Heinrich

Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms begrüßte den informellen Gipfel am Freitag in Bratislava und lobte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zur Vorbereitung unter anderem nach Osteuropa gereist war. Fertige Antworten seien von dem Treffen noch nicht zu erwarten, sagte Harms in Straßburg. Mit Blick auf das Brexit-Votum sowie die Wahlen in Österreich und Mecklenburg-Vorpommern sagte sie: "Es gibt Brüche innerhalb der Europäischen Union, und die müssen bearbeitet werden."

"Nationalistische Sprücheklopfer haben zu viel Spielraum"

SPD-Politiker Bullmann drängte die EU-Kommission, einen klaren Kurs vorzugeben. "Nationalistische Sprücheklopfer haben gegenwärtig zu viel Spielraum", weil Antworten auf drängende Fragen fehlten. Auch Bullmann warb entschieden für mehr Investitionen und wandte sich gegen "Kürzungspolitik um jeden Preis".

Gabi Zimmer (Foto: dpa)
Gabi ZimmerBild: picture-alliance/dpa/S. Minkoff

Die Linken-Politikerin Zimmer kritisierte, dass über Junckers Rede vorab mehr aus den Medien zu erfahren gewesen sei als aus offiziellen Runden - "weil genau das Ausdruck ist des mangelnden Demokratieverständnisses, was ja nicht nur Abgeordnete so empfinden, sondern oftmals auch viele Bürger."

Unterdessen warnte Ratspräsident Donald Tusk die Staats- und Regierungschefs, die Lehren aus dem Austrittsvotum der Briten zu ignorieren. Viele EU-Bürger stellten sich ähnliche Fragen und wollten von Europa Schutz und Stabilität, schrieb Tusk im Einladungsschreiben zum Gipfel über die Zukunft der EU.

Donald Tusk (Foto: AFP)
Donald TuskBild: Getty Images/AFP/M. Ericsson

Er kritisierte dabei, dass Europa in der Flüchtlingskrise zu lange gezögert habe, seine Grenzen zu schützen. Die Briten hatten Ende Juni in einer Volksabstimmung für den Austritt aus der EU gestimmt. Die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 Länder beraten in der slowakischen Hauptstadt Bratislava über Weichenstellungen für die Zukunft der EU ohne Großbritannien.

Es wäre "ein fataler Fehler anzunehmen, dass das negative Ergebnis des Referendums im Vereinigten Königreich ein spezifisch britisches Problem darstellt", schrieb Tusk in einem ungewöhnlich langen, fünfseitigen Einlandungsbrief zu dem Gipfel. Das Brexit-Votum sei "auch ein verzweifelter Versuch, die Fragen zu beantworten, die sich Millionen Europäer täglich selbst stellen."

Bei den Zweifeln gegenüber Europa sei die Migrationskrise "der Wendepunkt" gewesen, stellte Tusk fest. "Das Chaos im vergangenen Jahr an unseren Grenzen" und hunderttausende Flüchtlinge auf dem Weg durch Europa hätten "ein Gefühl der Bedrohung bei vielen Europäern" erzeugt. Sie hätten zu lange warten müssen, bis versucht worden sei, die Lage etwa über die Schließung der Westbalkanroute und das EU-Türkei-Abkommen unter Kontrolle zu bekommen.

stu/fab (afp, dpa)