1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Europas Kampf um Rohstoffe

6. März 2012

Der Verteilungskampf um Rohstoffe wird härter. Seitdem der Ressourcen-Hunger neuer Technologien die Märkte leer fegt, suchen die europäischen Industrienationen Wege aus der Krise.

https://p.dw.com/p/14FaN
Ein Bergmann entfernt im Kaliwerk Werra des Grubenbetriebs Hattorf-Wintershall der K+S AG bei Philippsthal (Kreis Hersfeld-Rotenburg) mit einer Beraubemaschine loses Salzgestein im Untertagebau (Foto: dpa)
Rohstoffabbau in EuropaBild: picture-alliance/dpa

Es sind die Stoffe, die High-Tech-Träume wahr werden lassen: Seltene Rohstoffe wie Rhodium, Tantal, Kobalt oder Coltan stecken in fast allen innovativen Produkten. Ohne diese Metalle und Mineralien gäbe es keine Mobiltelefone, iPads, Flachbildschirme, Katalysatoren oder Elektroautos. Ohne sie wäre die moderne Welt einfach nicht mehr modern. Mit den enormen Möglichkeiten durch ihre Verwertung sind aber auch enorme Abhängigkeiten entstanden - vor allem für die europäische Industrie, die viele dieser Rohstoffe nahezu vollständig importieren muss. Für Brisanz sorgt die rasante Nachfrage, mit der das Angebot kaum Schritt hält. Versorgungsängste werden auch von China geschürt, das seine Exporte gedrosselt hat, um den wachsenden Eigenbedarf zu stillen. Eine bedrohliche Entwicklung für Europa, weil es im besonderen Maße am Tropf Chinas hängt. Bereits jetzt geben die Klagen von Unternehmen über sich abzeichnende Versorgungsengpässe und gestiegene Preise Anlass zur Sorge.

Innovationspartnerschaft für Rohstoffe

Seit Jahren überlegt die EU, wie Europa im globalen Poker um wertvolle Bodenschätze mithalten kann. Im Februar 2011 stellte die EU-Kommission ihre lang erwartete Rohstoffstrategie vor. Vielen Kritikern ging sie aber in wichtigen Details nicht weit genug. Rund ein Jahr später hat die Kommission nun nachgelegt und in ihrem Vorschlag einer "Innovationspartnerschaft für Rohstoffe" einige Punkte ihrer Strategie konkretisiert. Von einem ganzheitlichen Ansatz ausgehend sollen EU-Mitgliedstaaten, Unternehmen sowie private und öffentliche Forscher gemeinsam die Erkundung, Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen voranbringen."Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um Europas enormes Potenzial an Rohstoffen auszuschöpfen. Darin liegt der Schlüssel für die Fähigkeit Europas, heute die Technologien von morgen zu entwickeln", schreibt Antonio Tajani, Vizepräsident der Europäischen Kommission, in seiner Presserklärung. In welcher Form dies alles genau geschehen soll, ist noch unklar.

Antonio Tajani, Vizepräsident der Europäischen Kommission, rückt sich die Brille gerade (Foto: dpa)
Antonio Tajani stellte die Innovationspartnerschaft vorBild: dpa

Die Kommission hat dafür konkrete Ziele festgelegt, die spätestens im Jahr 2020 erreicht werden sollen. Innerhalb von ein bis drei Jahren sollen erste Ergebnisse vorliegen. Im Kern geht es darum, eigene Rohstoffquellen anzuzapfen, auch um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Die EU-Kommmission gibt sich optimistisch. Ihr liegen Schätzungen vor, nach denen in Europa Bodenschätze im Wert von rund 100 Milliarden Euro lagern - allerdings in Tiefen von 500 bis 1000 Metern auf dem Festland und im Meeresboden. Der Rohstoff-Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, Hubertus Bardt, bezeichnet den Plan gegenüber der Deutschen Welle als einen wertvollen Schritt: "Er kommt etwas spät, aber wenn gelingt, was man sich vorgenommen hat, ist Europa auf einem richtigen Weg." Man könne aber nur wettbewerbsfähig sein, wenn die Bodenschätze "zu verträglichen Kosten abbaubar sind".

Hubertus Bardt, Rohstoff-Experte beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, sitzt vor einem Mikrofon in einem Studio der Deutschen Welle in Bonn (Foto: DW)
Hubertus Bardt im Bonner DW-StudioBild: DW

Elektroschrott besser recyceln

Dessen ist sich auch die EU-Kommission bewusst. Neue Technologien sollen deshalb helfen, die schwer zugänglichen Materialien günstig und effizient abzubauen. So könnte der Bergbau nach EU-Angaben durch Fernsteuerung und Automatisierung wettbewerbsfähiger und nachhaltiger werden. Zudem sollen Ersatzstoffe für natürliche Ressourcen entwickelt und Rohstoffe in elektronischen Geräten umweltverträglicher wiederverwertet werden. Schon wenige Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit von Recycling: Im Durchschnitt erzeugt jeder EU-Bürger pro Jahr 17 Kilogramm Elektroschrott. Bereits bis 2020 rechnet die EU mit einer Steigerung auf 24 Kilogramm.

Zwei Arbeiter an einem Sortierband für Elektroschrott (Foto: REMONDIS)
Ein Sortierband für ElektroschrottBild: REMONDIS

Auch deshalb werden wohl alle EU-Staaten einer Innovationspartnerschaft grundsätzlich zustimmen. Konflikte drohen aber, wenn es um die konkrete Umsetzung und um Detailfragen geht. "Es ist leider jetzt schon so, dass nicht alle Länder an einem Strang ziehen", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer, der Deutschen Welle. Als Beispiel nennt er den Umgang mit Elektroschrott. Dies sei eigentlich eine großartige Rohstoffquelle, weil darin viele seltene Metalle enthalten seien, die man wiederverwerten könnte: "Und trotzdem wird Elektroschrott in großem Umfang illegal aus der EU exportiert, dann irgendwo verbrannt und entsorgt. Das vergiftet die Böden, zerstört die Gesundheit von Kindern in der Dritten Welt und die Rohstoffe gehen weitgehend verloren." Dabei käme es nur darauf an, dass die Mitgliedsländer der EU die bestehende Gesetzgebung konsequent umsetzten - doch dies werde in den verschiedenen Staaten noch sehr unterschiedlich gehandhabt.

Reinhard Bütikofer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Europaparlament und Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (Foto: Bündnis 90/Die Grünen)
Reinhard Bütikofer fodert faire Partnerschaften mit Afrika und SüdamerikaBild: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

"China hat kein Rohstoffmonopol"

Bütikofer ist aber zuversichtlich, dass die Innovationspartnerschaft dazu führt, dass Europa nicht so leicht von China erpresst werden kann. Weil die eigenen Rohstoffe aber bei weitem nicht ausreichten, solle die EU mit anderen Förderländern in Afrika oder Südamerika faire Rohstoffpartnerschaften aufbauen. "Bei einigen seltenen Rohstoffen ist China sehr dominant, aber nur deswegen, weil Europa und auch die USA nichts dagegen unternommen haben. Es ist keinesfalls so, dass China ein Monopol hätte", sagt Bütikofer. Auch der Rohstoffexperte Bardt glaubt, dass sich Europa nur mit ausländischer Hilfe aus der chinesischen Importfalle befreien könne. Die große Herausforderung sei, die Märkte offen zu halten, damit das Gleichgewicht zwischen Import und Export von Rohstoffen nicht gestört wird: "Das ist auch der große Streit mit China, das seine Märkte abschottet und versucht, Produktionen aus Europa und den USA ins Land zu holen." In der letzten Zeit hatte die Regierung in Peking immer wieder versucht, ausländische Käufer zu zwingen, Rohstoffe bereits in China halbfertig zu verarbeiten. Damit würden die Chinesen eine größere Wertschöpfung in ihr Land holen. Auf Ebene der internationalen Handelsverhandlungen "muss Europa dagegenhalten", fordert Bardt. Auch deswegen hofft die EU, dass sie durch die Erschließung eigener Rohstoffquellen eine bessere Verhandlungsbasis hat. 

Ein Schiff und ein Kran am Hafen von Lianyungang. Rechts sieht man aufgehäufte seltenen Erden, die exportiert werden sollen
Abbau seltener Erden in ChinaBild: picture-alliance/dpa

Autor: Ralf Bosen
Redaktion: Dеnnis Stutе