1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Eurozone ohne Griechenland?

Zhang Danhong10. Mai 2012

In regelmäßigen Zeitabständen wird über die Pleite Griechenlands spekuliert. Nun ist die Gefahr realer denn je. Auch ein Austritt des Landes aus der Eurozone wird wahrscheinlicher.

https://p.dw.com/p/14shd
Eine griechische Euro-Münze neben einer Sanduhr (Foto: dpa)

Im März schien die Welt für Athen noch in Ordnung zu sein. Das zweite Hilfspaket im Umfang von 130 Milliarden Euro wurde von der EU gebilligt. Ein historischer Schuldenschnitt wurde vollzogen. Ratingagenturen, die den Niedergang des Landes beschleunigt hatten, stuften die griechische Bonität wieder herauf.

Doch die teuer erkaufte Ruhe währte nicht lange. Die Griechen stellten mit der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag (06.05.2012) ihre eigenen Politiker vor eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Sie sollen eine Regierung bilden, die die Sparauflagen der EU und des Internationalen Wärungsfonds aufkündigt und gleichzeitig den liebgewonnenen Euro beibehält.

Warnschuss an Athen

Weitere Hilfe für Griechenland gebe es nur, wenn es den Sparkurs fortsetze, stellen die Geldgeber klar. Einen Warnschuss feuerte der Rettungsfonds EFSF in Richtung Athen ab, indem er bei der Überweisung der jetzt fälligen Tranche eine von den zugesagten fünf Milliarden Euro vorerst einbehielt.

Wahlplakat in Griechenland (Foto: AP/dapd)
Das ganze nochmal von vorne?Bild: AP

Alles deutet daraufhin, dass im Juni neu gewählt wird. Vor Ende Juni brauchen die Hellenen aber weitere 30 Milliarden Euro, um zahlungsfähig zu bleiben. Mit anderen Worten: Den Griechen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Stimme doch den zwei etablierten Parteien zu geben, die das Land an den Rand des Abgrunds regiert hatten. Bleiben sie stur, wird das bereits oft gemalte Pleitegespenst höchstwahrscheinlich Wirklichkeit. Was könnte dann passieren?

Chaos progammiert

Eine Pleite würde das südeuropäische Land in ein wirtschaftliches Chaos stürzen. Die Regierung könnte den Beamten keine Gehälter mehr zahlen, Wasser- und Stromversorgung lägen brach, Unternehmen schlitterten reihenweise in den Konkurs. Auch müsste Athen den Schuldendienst einstellen. Davon betroffen wären in erster Linie die griechischen Banken, denn sie halten den größten Teil der griechischen Anleihen.

Ohne die Staatsanleihen hätten sie keine Sicherheiten mehr für die Europäische Zentralbank, um sich zu refinanzieren. Zudem "dürften griechische Banken einen Run auf ihre Einlagen erleben", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank gegenüber der DW. "Griechische Anleger dürften alles versuchen, um ihr Geld aus den Banken abzuziehen und möglichst ins Ausland zu bringen."

Christian Schulz, Analyst bei der Berenberg Bank (Foto: privat)
Christian Schulz von der Berenberg BankBild: privat

Das alles würde den Bankensektor in den Ruin treiben und andere Banken in Europa in Mitleidenschaft ziehen. Doch gehen Experten davon aus, dass sich die Folgen für Banken außerhalb Griechenlands in Grenzen halten würden. Nach dem Schuldenschnitt dürften sie nur noch rund 40 Milliarden Euro griechischer Anleihen in den Büchern halten.

Eurozone für den Fall vorbereitet

Auch vor einer Ansteckungsgefahr für andere Euroländer fürchten sich immer weniger Politiker. So sagte der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke der "Saarbrücker Zeitung": "Das Gespenst einer ungeordneten Insolvenz hat deswegen seinen Schrecken verloren, weil die Euro-Staaten in den letzten Monaten nichts anderes gemacht haben, als für einen solchen Fall vorzusorgen."

Ebenfalls gering dürfte die Hilfsbereitschaft anderer Länder ausfallen, die Griechen abermals aus dem Chaos zu befreien, in das sie nach verbreiteter Meinung diesmal freiwillig gestürzt sind.

Tatenlos zusehen würden andere Euro-Staaten dennoch nicht. Sie würden sehr wahrscheinlich versuchen, den Griechen durch eine kräftige Geldspritze für deren Banken den Austritt aus der Währungsunion zu versüßen.

Alte neue Drachme

Der nächste logische Schritt für Athen wäre, die alte Währung Drachme wieder einzuführen. Die neue Drachme würde gegenüber dem Euro um bis zu 50 Prozent abgewertet werden, sagen Fachleute. Zwar würden damit griechische Exportartikel mit einem Schlag wettbewerbsfähiger, doch das würde die Situation für die Griechen kaum leichter machen, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Matthes der DW. Denn die Verbindlichkeiten des Landes blieben weiterhin in Euro bestehen, die dann mit der "weichen" Drachme bedient werden müssten.

Jürgen Matthes von Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (Foto: IW Köln)
Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in KölnBild: IW Köln

Ein weiterer Schuldenschnitt müsste folgen. Doch ausgeschlossen wäre ein solcher Schritt auch unter dem bisherigen Spar-und Rettungskurs nicht.

Handfeste Verluste für die Bundesbank

Reale Verluste würde ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone der Bundesbank einbringen, denn dann müsste im Zahlungssystem der Notenbanken, Target II, cash abgerechnet werden. Bisher hat die Zentralbank in Athen innerhalb dieses Systems Verbindlichkeiten gegenüber der EZB von rund 110 Milliarden Euro angehäuft. Hinzu kommen die seit Mai 2010 durch die EZB gekauften griechischen Anleihen in Höhe von geschätzten 50 Milliarden Euro.

Auf die Bundesbank entfielen insgesamt etwa 40 Milliarden Euro, die sie schlimmstenfalls abschreiben müsste - kein kleiner, aber ein überschaubarer Betrag für den robusten Bundeshaushalt.

Fitch-Chef hält Risiko für vertretbar

Auch Paul Taylor, der neue Chef der Ratingagentur Fitch, hält das Risiko eines Abschieds Griechenlands von der Eurozone für vertretbar. Im Interview mit Spiegel Online sagte er: "Griechenlands Austritt bedeutet nicht das Ende des Euro. Vor allem Deutschland hat ein fundamentales Interesse, dass die gemeinsame Währung erhalten bleibt."

Manche Ökonomen erhoffen sich gar ein reinigendes Gewitter für die Eurozone. Denn dass es voreilig bis falsch war, den Griechen bereits im Jahr 2000 das Eintrittsticket für die Währungsunion zu gewähren, darin sind sind fast alle Experten einig. Der US-Ökonom Kenneth Rogoff bescheinigt dem Mittelmeerland den Status eines Entwicklungslandes. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte er: "Die Annahme, der Euro könne den Rückstand im Eiltempo verschwinden lassen, ist ein Irrsinn gewesen."