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Exil-Ägypter glauben nicht an Demokratisierung

Veronika Faiz25. April 2012

Mehr als ein Jahr nach dem Sturz Hosni Mubaraks ist Ägypten von Stabilität weit entfernt. Aktivisten im In- und Ausland beklagen ausbleibende Reformen und demonstrieren gegen den Militärrat.

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Exil-Ägypter sitzen zusammen und rauchen Wasserpfeife (Foto: Hussein Nagah Ahmed Ahmed)
Exil-Ägypter in BerlinBild: DW

"Die politische Situation in Ägypten ist übel in jedem Sinne", meint der Ägypter Medhat Zaki, der in Essen lebt. Wenige Wochen vor der geplanten Präsidentschaftswahl, die für den 23. und 24. Mai geplant ist, bewegt die angespannte Lage am Nil auch viele in Deutschland lebenden Ägypter. Sie nehmen regen Anteil an den Entwicklungen und stehen in ständigem Kontakt mit Verwandten und Freunden in ihrem Herkunftsland. Nicht wenige engagieren sich auch aus der Ferne für den politischen Wandel - sei es über soziale Netzwerke wie Facebook oder auf kleineren Demonstrationen.

Tiefes Misstrauen gegen Militärrat

"Wir glauben nicht an den sogenannten Demokratieprozess", sagt Rami Al-Demerdash, Sprecher der Bewegung "6. April Europa Deutschland" und Mitinitiator einer kleineren Demonstration gegen den ägyptischen Militärrat in Frankfurt.

Exil-Ägypter vor einem Lebensmittelgeschäft in Berlin (Hussein Nagah Ahmed Ahmed)
Den Umbruch in der alten Heimat fest im Blick: Ägypter in BerlinBild: DW

Die Forderungen ähneln denen, die auch immer wieder von Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo erhoben werden und richten sich in erster Linie gegen die Übergangsregierung der Militärs: "Der Militärrat hat dem Volk versprochen, die Revolution zu schützen“, sagt Al-Demerdash. "Aber was seit einem Jahr im Lande vorgeht, zeigt deutlich, dass die Generäle gegen die Revolution arbeiten. Es hat sich nichts verändert!"

Das grundsätzliche Misstrauen gegen den Militärrat eint viele Ägypter in Deutschland. Die Debatten und Verschwörungstheorien aus ägyptischen Medien finden auch in der Auslandscommunity ihren Widerhall. Hassan Muilhi, Ingenieur aus Berlin, hatte zunächst große Hoffnungen in das neu gewählte Parlament, in dem islamistische und islamisch-konservative Parteien dominieren und miteinander sowie mit säkularen Kräften um Einfluss ringen. Er glaubt inzwischen, dass die "Spaltungen und Differenzen zwischen den verschiedenen Strömungen beabsichtigt waren, um den derzeitigen Verantwortlichen die Möglichkeit zu geben, zu machen was sie wollen". Auch die Politik- und Wirtschaftstudentin Nada Fathy Abu Hashim spricht dem Militärrat jede Glaubwürdigkeit ab. Letztendlich gehe es dem Militärrat "nur um den Erhalt seiner eigenen Interessen", glaubt die Ägypterin aus Osnabrück.

Wer soll Präsident werden?

Viele von der DW befragte Ägypter hätten sich als Präsidenten für ihr Herkunftsland den ehemaligen Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Mohamed El Baradei, gewünscht – ein liberaler Politiker, der im Westen hohes Ansehen genießt, in Ägypten selbst jedoch auch viel Kritik auf sich gezogen hat. Der 72-jährige Muhammad Taufik aus Köln will nun stattdessen den Kandidaten Hamdin Sabahi unterstützen, der sich an der Politik Gamal Abdel Nassers orientiert. Für nicht wählbar hält Taufik Kandidaten, die im Lager des politischen Islam verankert sind. Genauso wie der in Deutschland lebende ägyptische Kopte Medhat Zaki wünscht er sich einen Präsidenten, der den Militärs Paroli bieten kann. Genauso wichtig sei jedoch, dass der Präsident "außerhalb religiöser Strömungen" stehe.

Feldmarschall Mohamed Hussein Tantawi, Chef des in Ägypten herrschenden Militärrates (Foto: AP)
Der starke Mann des Militärrates: Feldmarschall TantawiBild: AP

Nachdem die Hohe Wahlkommission kürzlich zehn von insgesamt 23 Präsidentschaftskandidaten ausgeschlossen hatte - darunter mehrere Spitzenkandidaten der verschiedenen Lager - zweifeln viele Ägypter in Deutschland grundsätzlich am Sinn der Wahlen. Die Deutsch-Ägypterin Shaima Al-Sharkawi glaubt nicht, dass faire und unabhängige Wahlen möglich sein werden: "Artikel 28 der ägyptischen Verfassung gewährt der Wahlkommission Immunität. Das heißt im Klartext, eine Diskussion über die Entscheidungen dieser Kommission oder gar Kritik an ihr sind doch gar nicht möglich!“ Studentin Nada Fathy Abu Hashim meint sogar, dass die Generäle die Wahlen manipulieren wollten: "Sie werden den Kandidaten unterstützen, der ihnen genügend Garantien gibt, dass er sie nicht für ihre begangenen Rechtsverstöße zur Rechenschaft zieht und ihnen auch nicht bei ihren wirtschaftlichen Interessen in die Quere kommt."

Forderung nach Transparenz und Aufklärung

Ein weiteres Thema, das viele Ägypter in Deutschland bewegt, ist die Aufklärung der Gewalttaten, die in den letzten Tagen der Herrschaft von Hosni Mubarak begangen wurden. Der Militärrat sei hier noch viele Erklärungen schuldig, meint Aktivist Rami Al-Demerdash: "Wir wissen immer noch nicht, wer die Pferde und die Kamele auf die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz losgelassen hat. Und wir wissen immer noch nicht, wer bei den Unruhen in Kairo die koptischen Demonstranten mit Panzern überrollen ließ.“ Auch die Studentin Nada Fathy Abu Hashim will deshalb weiter die Demonstrationen in ihrem Herkunftsland unterstützen: "Solange Polizei und Armee in den Händen des Rates liegen, solange wird ein Präsident nur ein Sekretär des Militärrates sein und keine ausreichenden Befugnisse haben. Um das in Ordnung zu bringen, bleibt nur die Möglichkeit: dagegen auf die Straße zu gehen."

Menschenmasse bei einer Demonstration gegen den Militärrat auf dem Tahir-Platz am 20.04.2012 (Foto:/AP/dapd)
Demonstration auf dem Tahir-Platz am 20.04.2012Bild: AP