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Politik

Prags OB: "Ich stehe zur Demokratie!"

28. April 2020

Prags OB Hřib steht wegen mutmaßlicher Morddrohungen zusammen mit zwei Kollegen unter Polizeischutz. Im DW-Interview spricht er über die Drohungen gegen seine Person, seine Angst und seinen Kampf für demokratische Werte.

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Zdenek Hrib Oberbürgermeister von Prag im Interview mit Zhanna Nemtsova
Bild: DW

DW: Herr Oberbürgermeister, Sie und zwei Ihrer Kollegen aus Prager Stadtbezirken stehen derzeit unter Polizeischutz. Ein Bericht des Magazins Respekt legt den Verdacht nahe, Sie sollten vom russischen Geheimdienst ermordet werden. Was können Sie zu der Bedrohung gegen Ihre Person sagen?

Zdeněk Hřib: Als erstes möchte ich sagen, dass es sehr wichtig für mich ist, zu meinem Land, der Tschechischen Republik, als einem demokratischen Land zu stehen, auch wenn ich damit mein Leben riskiere. Als gewählter Politiker ist es meine Pflicht, die Meinungsfreiheit zu schützen, nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen Bürger. Was die Bedrohung angeht, so kann ich bestätigen, dass ich seit Ostern unter Polizeischutz stehe. Leider darf ich auf Anordnung der Polizei keine weiteren Details preisgeben und auch nichts zu den konkreten Maßnahmen sagen, die zu meinem Schutz ergriffen wurden.

Können Sie sagen, ob der Polizeischutz im Zusammenhang mit einer Bedrohung aus Russland steht?

Nein, ich darf leider nichts dazu sagen, ob russische Geheimdienste mich mit Rizin, Novichok oder Polonium vergiften wollen. Ich kann aber sagen, dass ich Anfang März bei der Polizei Anzeige erstattet habe, da ich nahe meiner Wohnung von einem Mann verfolgt wurde. Wenn sich das als reale Bedrohung herausstellen sollte, dann betrifft es nicht nur mich, sondern auch meine Familie.

Haben Sie selbst bemerkt, dass sie verfolgt wurden?

Ja. Es war eine Person, die sich in unnatürlicher Weise verhalten hat und nicht wie jemand, der zufällig herumsteht. Ich hatte diese Person auch bereits zuvor in der Nähe meiner Wohnung gesehen, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Auch in diesem Fall hat mich die Polizei gebeten, keine weiteren Einzelheiten an die Öffentlichkeit zu geben, da das die Ermittlungen erschweren würde.

Dass der Platz, an dem die russische Botschaft in Prag steht, in Boris-Nemzow-Platz umbenannt wurde, hat in Russland zu Unmut geführt. Warum fanden Sie es wichtig, Boris Nemzow auf diese Weise zu ehren?

Ich möchte betonen, dass auch andere Städte ihn in der Weise geehrt haben, zum Beispiel Kiew, Vilnius oder Washington. In Prag gab es diesbezüglich eine Initiative von Bürgern. Die städtische Kommission für die Umbenennung von Straßen und Plätzen hat dafür keinerlei technische oder administrative Hindernisse gesehen. Ich war überrascht von der Reaktion der russischen Botschaft, ihre offizielle Adresse zu ändern und zum Konsulat zu verlegen. Immerhin hat ja der russische Präsident Wladimir Putin nach dem Mord an Nemzow persönlich gesagt, dass die Mörder sehr hart bestraft werden würden. Deshalb verstehe ich nicht, warum die Botschaft vor dem Namen des ehemaligen russischen Vizepremiers wegläuft.

Was bedeutet Ihnen die Person Boris Nemzows persönlich?

Für mich ist beispielsweise von großer Bedeutung, dass er sich gegen die Annexion der Krim ausgesprochen hat.

Prag ist auch wegen der kürzlichen Demontage der Statue von Marschall Iwan Konew, dem Befreier Prags im Zweiten Weltkrieg, in Konflikt geraten. Wie bewerten sie diesen Konflikt?

Rechtlich und administrativ kann ich dazu nichts sagen, denn der 6. Prager Bezirk ist selbstständig. Politisch gesehen ist Konew eine kontroverse historische Figur, da er unter anderem an der Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1956 beteiligt war, bei der tausende von Menschen starben und es auch Massaker gab. Was die Befreiung Prags angeht, so stand sehr lange die Rolle der Roten Armee im Vordergrund. Aber Tatsache ist, dass die Stadt sich während des Aufstands von Prag am 5. Mai 1945 im Wesentlichen selbst befreit hatte. Konew zog mit der Roten Armee erst am 9. Mai 1945 in die Stadt ein.

Sie sind bereits mehrfach in Konflikt mit autoritären und totalitären Regimes geraten, letztes Jahr mit China. Gab es schon früher Bedrohungen gegen Sie wie derzeit?

In dieser Weise nicht, nein. Es gab öffentliche Anschuldigungen. Beispielsweise hat mich der Sprecher des Staatspräsidenten Zeman, Jiří Ovčáček, mehrfach beschuldigt, ich würde den tschechisch-chinesischen Beziehungen schaden. China hat auch angedroht, den Prager Fußballclub nicht mehr zu sponsern. Ich denke, meine Person war nur ein Vorwand dafür, das China bestimmte Investitionsversprechen nicht einhält. Ich stehe zu meiner Meinung, dass ich China nicht für einen verlässlichen Partner halte.

Halten Sie es für wichtig auszusprechen, was für ein politisches System China hat?

Ja, vor allen Dingen jetzt, in der Coronakrise, denn wenn China transparenter und offener wäre, hätte man viel früher eine große Anzahl von Leben retten können. Sie haben aber wesentliche Informationen nicht veröffentlicht und weitergegeben. Das hat dazu geführt, dass viele andere Länder nicht rechtzeitig reagieren konnten. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Berichte aus China völlig unkritisch hingenommen und war taub gegenüber den Warnhinweisen aus Taiwan, wo man bereits früh sehr erfolgreich gegen das Coronavirus gekämpft hatte.

Bevor Sie Bürgermeister von Prag wurden, haben Sie offen Stellung gegen Totalitarismus bezogen, auch im Falle Chinas, es ist auch bekannt, dass Sie ein Unterstützer Tibets sind. Nehmen sie auch jetzt, als Bürgermeister von Prag, offen Stellung?

Als Stadt Prag gedenken wir beispielsweise durch das Hissen der tibetischen Flagge des tibetischen Aufstands für Selbstbestimmung. Das ist eine Tradition, die auch andere tschechische Städte pflegen. Wir Tschechen haben, ebenso wie die Tibeter, in unserer Vergangenheit Erfahrungen mit der Unterdrückung unserer kulturellen und nationalen Identität gemacht, deshalb empfinden wir eine besondere Empathie für die Tibeter. Was die Behandlung der Uiguren oder anderer ethnischen Minderheiten in China angeht, so möchte ich sagen, das die Konzentrationslager für diese Menschen absolut inakzeptabel sind und keinen Platz in der zivilisierten Welt haben.

Russische Geheimdienstagenten haben bereits mehrfach Kritiker im Ausland liquidiert. Haben sie persönlich Angst?

Russland hat zwar bestritten, dass man mich und andere tschechische Politiker ermorden wolle, aber ich sehe die Gefahr als real an. Das zeigen ja die Fälle von Litwinenko, den Skripals und anderen. Habe ich Angst? Das hängt davon ab, was man als Angst bezeichnet. Natürlich möchte ich nicht in Furcht und Angst leben. Formulieren wir es so: Ich halte alle Anweisungen der Polizei ein.

Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille und blonden Locken
Keno Verseck Redakteur, Autor, Reporter