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Zinswende

7. April 2011

Erstmals seit knapp drei Jahren hat die europäische Zentralbank den Leitzins im Euroraum erhöht. Der Zins legt um einen Viertel Prozentpunkt auf 1,25 Prozent zu. Mit der Zinswende will die EZB die Inflation dämpfen.

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Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, kündigt Zinswende an (Foto: dpa)
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet leitet die Zinswende einBild: picture alliance / dpa

Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren hat die Zentralbanken dieser Welt zu einem radikalen Kurs des billigen Geldes gezwungen. Auch die Europäische Zentralbank senkte innerhalb von zehn Monaten den Leitzins von 4,25 auf ein Prozent und beließ es dabei seit Mai 2009. "Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind aber nicht mehr so schlecht, um einen so niedrigen Leitzins zu rechtfertigen", so Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank zu DW-WORLD.DE. "Insofern möchte die Europäische Zentralbank den Leitzins normalisieren."

Doch trifft seine Beschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse nur auf einige Länder in der Eurozone zu, vor allem Deutschland. Hier brummt der Konjunkturmotor kräftig. Nach einem Wachstum von 3,6 Prozent im vergangenen Jahr rechnen viele Experten auch für 2011 mit einer Drei vor dem Komma. Um einer Überhitzung vorzubeugen, war eine Leitzinserhöhung für Deutschland längst fällig. Für die hochverschuldeten Euro-Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland, die weiterhin im Sumpf der Rezession stecken, wäre aber ein noch niedrigerer Leitzins als ein Prozent angebracht.

Heterogener Wirtschaftsraum

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank (Foto: Commerzbank AG)
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der CommerzbankBild: Commerzbank AG

Ein einheitlicher Leitzins muss verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklungen in der Eurozone Rechnung tragen - eine schier unmögliche Aufgabe für die Europäische Zentralbank. Das sei ein Konstruktionsproblem des Euroraums, meint Jörg Krämer: "Das liegt daran, dass die Politiker Ende der 90er Jahre beschlossen hatten, Länder in den Euroraum rein zu lassen, die eigentlich nicht fit waren. Diese Suppe muss die Europäische Zentralbank nun auslöffeln."

Egal, ob es ihr schmeckt oder nicht. Das vorrangige Ziel der EZB liegt ohnehin in der Wahrung der Preisstabilität, und nicht in der Stützung der Konjunktur. Daher zielt der Zinsschritt vor allem auf die anziehende Inflation. Seit Dezember liegt die Teuerungsrate in der Eurozone über dem von der EZB angestrebten Zielmarke von knapp unter zwei Prozent. Im März stieg sie auf 2,6 Prozent.

Zinswende verfrüht?

Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (Foto: AP)
Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und KonjunkturforschungBild: AP

Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, äußerte in einem Gastbeitrag für Reuters Zweifel, dass die EZB mit Zinserhöhungen die Inflation dämpfen kann. Seiner Meinung nach resultiert die beschleunigte Inflationsrate fast ausschließlich aus dem spürbaren Anstieg der Rohstoffpreise. Dieser speise sich aus der guten Weltkonjunktur und könne von der EZB nicht beeinflusst werden, so Horn. Er hält daher die Zinswende für verfrüht.

Jörg Krämer von der Commerzbank hält dagegen: Steigende Rohstoffpreise seien auch eine Folge der Billiggeld-Politik der Zentralbanken. "Anleger können mit Staatsanleihen hoher Qualität kaum noch etwas verdienen. Sie sind fast gezwungen, beim Investieren mehr ins Risiko zu gehen, unter anderem auch auszuweichen auf Rohstoffe." Insofern seien steigende Rohstoffpreise eher ein Argument für höhere Leitzinsen, schlussfolgert Krämer.

Zinserhöhung bereits eingepreist

Viola Stork von der Landesbank Hessen-Thüringen (Foto: privat)
Viola Stork von der Landesbank Hessen-ThüringenBild: privat

Auf die Finanzmärkte wird die Zinserhöhung kaum Auswirkungen haben, so die Meinung der Experten. Die Märkte hätten bereits mehrere Zinsschritte in diesem Jahr vorweggenommen, meint Viola Stork, Zinsexpertin von der Helaba. Auch für die klammen Eurostaaten würde sich die Lage an den Finanzmärkten wenig ändern, so Stork im Gespräch mit DW-WORLD.DE: "Die Finanzierungskosten, die diese Staaten zu tragen haben, sind schon so hoch aufgrund von Risikoprämien. Im Falle von Griechenland und Portugal ist das Risiko von Staatspleiten schon eingepreist." Da werde sich eine Zinserhöhung von 25 Basispunkten nicht maßgeblich auf Zinssätze auswirken, die sowieso weit entfernt von normalen Niveaus sind, sagt Stork weiter.

Für die Konjunktur dieser schwächelnden Länder würde die Zinswende sehr wohl negative Auswirkungen haben, meint Jörg Krämer und nennt Spanien als Beispiel: "Für Spanien bedeutet das natürlich, dass sich die Hypothekenzinsen massiv verteuern. Das schmälert die Kaufkraft der Konsumenten so als wenn die Löhne um ein Prozent sinken würden."

Vorsichtiger und moderater Prozess

Euro-Zeichen vor der Europäischen Zentralbank (Foto: AP)
Hält der starke Euro-Kurs an?Bild: AP

Um einen möglichen Aufschwung in diesen Ländern nicht abzuwürgen, geht Viola Stork davon aus, "dass es per Saldo ein sehr vorsichtiger und moderater Normalisierungsprozess wird, den die EZB ansteuert." Es werde kein Zinszyklus werden, der Zinserhöhungen von vier bis fünf Prozent zur Folge hätte.

Nach der Ankündigung einer möglichen Zinserhöhung durch die EZB Anfang März hat der Euro deutlich an Wert gewonnen. Doch im Gegensatz zu den meisten Experten sagt Jörg Krämer von der Commerzbank der Gemeinschaftswährung am Jahresende einen viel niedrigeren Kurs gegenüber dem Dollar voraus: "In der Größenordnung 1,30 Dollar für einen Euro." Der Grund sei, dass die Staatsschuldenkrise im Euroraum noch nicht vorüber sei. Der Euroraum wandele sich immer mehr zu einer Transferunion. Das spreche gegen den Euro. "Auf der anderen Seite müssen auch die Amerikaner irgendwann in der zweiten Jahreshälfte realisieren, dass sie den Leitzins anheben müssen, das ist positiv für den Dollar", so Krämer weiter. Schließlich wächst die amerikanische Volkswirtschaft auch viel stärker als die Wirtschaft im Euroraum.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel