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Reise

Das größte Winzerfest der Schweiz

Sandra Havenith
1. August 2019

Bühnenspektakel, Tanz und Musik: Die Fête des Vignerons lockt rund eine Million Besucher. Das Fest feiert nicht nur den Wein sondern eine ganze Region, die landschaftlich zu den schönsten der Schweiz zählt.

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Arena mit Schrift Fete des Vignerons
Bild: picture-alliance/KEYSTONE/V. Flauraud

Riesige leuchtende Weintrauben, die durch die Stadt getragen werden, leise Saxophonklänge und bunte Kostüme, die einem überall in den Straßen von Vevey begegnen: Sobald man in der kleinen Stadt am Genfer See angekommen ist, fühlt man sich, als sei man mitten in einer Broadway Show. Schauspieler eilen zu ihrem nächsten Auftritt und auf den vielen kleinen und großen Holzbühnen in der ganzen Stadt wird musiziert, gesungen und getanzt. Immer mit einem Glas Wein in der Hand.

Schillernde Farben und bunte Kostüme bei der Fête des Vignerons
Schillernde Farben und bunte Kostüme bei der Fête des VigneronsBild: picture-alliance/dpa/Keystone/V. Flauraud

Bis zu 500.000 Liter fließen davon bei der Fête des Vignerons, diesem außergewöhnlichen Kulturfestival, mit dem die geehrt werden, die sonst selten im Rampenlicht stehen: Die Bauern und Winzer, die das Lavaux mit seinen steilen Weinterrassen weltberühmt gemacht haben. 

Olympiareif – die Arena

Die Fête des Vignerons, die 1797 erstmals gefeiert wurde, findet nur einmal pro Generation statt, das letzte Mal 1999. Ein Fest von olympischem Ausmaß: 14.000 Quadratmeter misst die Arena, die extra für die große Show mitten auf dem Marktplatz in Vevey errichtet wurde. Ein poetisches Schauspiel über das Leben im Weinberg, präsentiert auf einer Bühne, die gleichzeitig ein Bildschirm ist. Ausgestattet mit 40 Millionen winzigen LED-Lichtern.

Die Bühne als Bildschirm, Winzerfest Fete des Vignerons (Sandra Havenith                       )
Die Bühne als BildschirmBild: Sandra Havenith

So beeindruckend ist die Arena, dass Uli Wüger, der die Besucher während der Fête durch diese gigantische Freilichtbühne führt, staunende Gesichter gewöhnt ist. Das verblüffte "Wow" wird mit einem kurzen Lachen quittiert. 20.000 Zuschauer haben in der Arena Platz. Und wer ganz oben sitzt, dem eröffnet sich die ganze Schönheit der Region: Mit dem Genfer See und den Alpen auf der einen und den Weinbergen auf der anderen Seite.

Der "Chasselas" – ein Kultwein

Der Gutedel, der hier besonders viel angebaut und deshalb auch überall in den Bars, Restaurants und Weinkellern verkauft wird, hört hier auf den Namen Chasselas. Ihm fühlen sich die Einheimischen verbunden. So wie der Winzer Christophe Chappuis. Das Bild von seinem Familienstammbaum, das er stolz präsentiert, ist fast so beeindruckend wie die Arena. Denn bereits seit 1335 kultiviert die Familie Chappuis Weinreben in Rivaz, einem der vielen kleinen Winzerdörfer hier. 200 Jahre alt sind manche der riesigen dunkelbraunen Holzfässer in Chappuis Keller, wo dieser Wein gärt und reift.

Die Weinterrassen von Lavaux
Die Weinterrassen von LavauxBild: Montreux Riviera

Seit dem 12. Jahrhundert werden Reben in Lavaux angepflanzt, erzählt Chappuis, während er an seinem Chasselas nippt, den er gerne zum Probieren anbietet. Ein leichter, fruchtiger Weißwein. Mönche waren es, die damals die Terrassen angelegt und die Mauern gebaut haben, die man überall in den Weinbergen sehen kann. Seit 2007 sind die steilen Hänge mit den Reben UNESCO-Weltkulturerbe.

Mit dem Lavaux-Express, einem kleinen Bummelzug, kann man die Landschaft erkunden. Gemächlich fährt er durch die Weinterrassen. So schön sind die, dass man schnell versteht, warum sich so viele Künstler hier niedergelassen haben. Angezogen von der Sonne, die hier öfter scheint als anderswo: Igor Strawinsky, Ernest Hemingway, Freddy Mercury und Charlie Chaplin, dessen Anwesen hoch über dem Genfer See thront.

Mit Melone und Spazierstock durch das Lavaux

Heute ist das Herrenhaus Teil eines Museums, in Erinnerung an den bekannten Stummfilmkomiker, der hier die letzten 25 Jahre seines Lebens verbracht hat. In einem der 15 Zimmer des herrschaftlichen Hauses findet man auch Aufnahmen von Chaplin in Lavaux. Mit Weintrauben an den Ohren posiert er da für die Kamera. Ganz typisch sei das für ihn, meint Franziska Werren, die die Besucher bei ihrem Rundgang eintauchen lässt in "Chaplins World", wo man nicht nur die Villa, sondern auch das Studio besichtigen kann.

Charlie Chaplin in den Weinbergen, 6. Oktober 1953
Charlie Chaplin in den Weinbergen, 6. Oktober 1953Bild: Archives Yves Debraine

"Chaplin hat jeden Moment genutzt, um etwas Lustiges zu machen. Er hat nie den Clown in sich verloren und jedes Spektakel fand er toll", sagt Werren. Zweimal war Chaplin bei der Fête des Vignerons zu Gast. Es sei das schönste Volksfest, was er je gesehen habe, schrieb er später. Unter den Darstellern auch seine beiden Kinder Annie und Christopher, die damals mitwirkten bei der Fête des Vignerons, die heute ein Megaevent ist.

Eine Ode an die Region

Fast drei Stunden dauert das gigantische Spektakel, mit seinen Lichteffekten, den Sängern und Tänzern, den Alphornbläsern und Kühen. Inszeniert von Daniele Finzi Pasca, der schon bei den olympischen Spielen von Turin und Sotschi Regie geführt hat. Mehrere Jahre hat er an diesem Märchen gearbeitet, in dem die kleine Julie, wie Alice im Wunderland, mit Kinderaugen die Welt der Winzer entdeckt.

Eine Show, die die ganze Region in Schwingung versetzt: 5500 Schauspieler nehmen daran teil, alles Laien, alle freiwillig. So wie Eric Pugin, Elektriker aus Châtel-Saint-Denis, der als Senner seine Kuh Jolie durch die Arena führt. Oder Titouan Chaudet, Weinbauer aus Rivaz, der schon als Vierjähriger bei der Fête dabei sein wollte.

Winzerfest Fete des Vigneron
Unter Veveys Nachthimmel: Eine Show zum StaunenBild: picture-alliance/dpa/V. Flauraud

Vom 18. Juli bis zum 11. August kommt das Spektakel fast täglich zur Aufführung. Die Karten kosten zwischen 68,- und 325,- Euro. Das Fest ist vor allem den Winzern gewidmet. Denn die besten unter ihnen werden während der Show unter tosendem Applaus gekürt.

"In der ganzen Welt gibt es sonst niemanden, der das macht", erklärt François Margot, Präsident der Winzerbruderschaft, die die Fête des Vignerons organisiert. Mit seinem traditionellen roten Frack und dem Strohhut in der Hand verschwindet er dann auch gleich wieder in der Menge. Denn auch er hat seinen Auftritt in der großen Show. Eine Inszenierung, die eine Liebeserklärung ist an die Winzer und den Wein, der die ganze Region verbindet.