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Krieg - ja oder nein?

13. November 2009

Deutschlands Politiker haben Probleme mit dem Wort Krieg. Verteidigungsminister zu Guttenberg hat aber Verständnis für diejenigen, die von Krieg in Afghanistan sprechen. Er müsste es sich nicht so schwer machen.

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Deutsche Soldaten in Afghanistan (Foto:AP)
Täglich in Gefahr: Deutsche Soldaten in AfghanistanBild: AP

Die USA haben den Krieg gegen den Terror erklärt und führen einen Krieg gegen Drogen in Südamerika. "War on..." ist dort eine häufig anzutreffende Wendung, wenn es um gewalttätige Konflikte geht. Ganz anders stellt sich die Situation in Deutschland: Krieg? Das Wort nehmen Regierungspolitiker nicht gerne in den Mund. Es taucht eher in kritischen Beiträgen der linken Opposition auf, gerne auch verbunden mit der Kritik, dass man in Deutschland endlich einmal Klartext reden solle. Ein "Nein zum Krieg!" klingt wahrscheinlich einfach griffiger als ein "Nein zum Auslandseinsatz!"

Für die Soldaten ist es Krieg

Wilfried Stolze, Pressesprecher des Deutschen Bundeswehrverbandes (Foto: DW)
Wilfried Stolze vom Bundeswehrverband wünscht sich mehr KlartextBild: DW/Heiner Kiesel

Klartext wünscht sich auch der Deutsche Bundeswehrverband. Den Soldatenvertretern geht es aber nicht darum, den Bundeswehreinsatz am Hindukusch schlecht zu machen. "Wir sind da nicht nur zum Brunnenbohren", erzählt Verbandssprecher Wilfried Stolze. "Wir werden dort in stundenlange Gefechte vermittelt. Die Taliban sind gut organisiert, holen Verstärkung und Nachschub heran. Es gibt Gefallene. Das sind kriegsähnliche Zustände, zumindest sehen das die Soldaten so."

Stolze ist ziemlich unzufrieden mit Umschreibungen für den Einsatz, die im politischen Betrieb in Deutschland derzeit gängig sind. Ihm ist auch klar, dass beim Wort Krieg viele noch an Panzerschlachten und Russlandfeldzug denken. Aber er glaubt, die Leistungen der deutschen Soldaten in Afghanistan würden ernster genommen, wenn öffentlich von Krieg die Rede wäre. "Derzeit müssen die sich doch richtig für ihren Einsatz rechtfertigen, wenn sie nach Hause kommen." Stolze freut sich über den neuen Ton, den der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt anschlägt. Zu Guttenberg rede Klartext.

Karl-Theodor zu Guttenberg auf dem Flug nach Kabul (Foto: AP)
Karl-Theodor zu Guttenberg auf dem Flug nach KabulBild: AP

Tatsächlich äußerte der Verteidigungsminister Verständnis dafür, dass Soldaten den Eindruck haben, im Krieg zu sein. Zu Guttenberg bleibt bei dem Begriff "Krieg" dennoch reserviert: "Ein klassischer Krieg im Sinne des Völkerrechts ist einer der zwischen Staaten stattfindet."

Juristen kennen keinen Krieg

Zu Guttenberg müsste sich beim Wort "Krieg" eigentlich nicht so viele Gedanken um das Recht machen. Das Grundgesetz jedenfalls kennt nur einen Spannungsfall oder einen Verteidigungsfall. Und auch das Völkerrecht hat sich in gewisser Weise vom Krieg verabschiedet.

Für den Völkerrechtler Georg Nolte von der Humboldt-Universität zu Berlin ist der Begriff überflüssig geworden. "In den völkerrechtlichen Verträgen wird der Begriff nicht mehr verwendet", sagt Nolte. "Man hat sich darauf geeinigt, für juristische Zwecke nur noch den Begriff des bewaffneten Konflikts zu verwenden."

Der Völkerrechtler Georg Nolte (Foto: DW)
Krieg als Rechtsbegriff ist für den Völkerrechtler Georg Nolte überflüssigBild: DW/Heiner Kiesel

So kommt man auf der theoretischen Ebene aus der Unschärfe heraus, die das Wort "Krieg" umgibt. Das hat Vorteile für die betroffene Bevölkerung. Es gibt Regeln im internationalen Recht, die verhindern sollen, dass es zu Exzessen in gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. Das humanitäre Völkerrecht soll helfen, die Zivilbevölkerung so weit wie möglich zu schützen. Zum Beispiel indem es dazu anhält, sorgfältig abzuwägen, ob der militärische Nutzen einer Operation die dabei zu erwartenden zivilen Opfer rechtfertigt. Diese Sonderregelungen kämen selten zur Anwendung, wenn es immer auf eine formale Kriegserklärung ankäme, oder darauf, dass die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten stattfindet.

Ein bewaffneter Konflikt schließt auch Kämpfe mit Guerillas und Unabhängigkeitsbewegungen ein. "Wichtig ist, dass man unterscheidet, ob eine genügende Intensität organisierter bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Gruppen stattfindet", sagt Nolte, "oder ob es sich um kriminelle Akte handelt, für die die Polizei zuständig ist."

Wer spricht von Krieg?

Was die Bundeswehr in Afghanistan angeht, bezweifelt kaum jemand, dass es tatsächlich ein bewaffneter Konflikt ist. Ob man ihn als Krieg bezeichnet oder nicht ist völkerrechtlich keine Frage. Im Alltagsgebrauch und für die Politik spielt der Begriff Krieg natürlich weiterhin eine wichtige Rolle. Die Assoziationen die das Wort Krieg wachruft sind sehr stark. Die Bezeichnung Krieg besagt damit weniger über die Zustände in Afghanistan, als viel mehr etwas über die Absichten des Sprechers.

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Kay-Alexander Scholz