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Nur fünf Dollar

Stephan Bachenheimer 11. September 2008

Ich chatte nicht. Ich blogge nicht. Auch Online-Dating hat für mich keinen Reiz. Aber trotzdem habe ich seit einiger Zeit neue Freunde per Internet gewonnen, die mir täglich schreiben - mehrmals täglich sogar.

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Bild: DW

Meine neuen Freunde sind Barack, Michelle und Jö, Sarah und John. Vor allem Barack ist mein bester Freund. Kaum ein Tag, an dem sich Barack nicht an mich wendet. Mit Hinweisen und Ideen, Bitten und Dankeschöns. Ich habe nicht nachgezählt, aber es könnte sein, dass ich genauso viele Barack-Mails bekomme wie Rolex- oder Viagra- Pillen-Offerten. Aber das landet ja auch gleich im Spam-Folder.

Baracks Post nicht. Meine Neffen finden es ziemlich cool, dass Barack Obama mir so oft schreibt. "Stephan", redet er mich meistens an. Manchmal auch mit "Lieber Stef". Wahrscheinlich ist er dann gutgelaunt oder er hofft auf eine größere Spende. Eigentlich geht es immer um Spenden. Nicht dass Barack oder sein Manger David unbescheiden wären: Nein, meistens sind es nur fünf Dollar für den Wahlkampf, um die man mich bittet.

John ist da weniger bescheiden: Hin und wieder bietet er mir Stofftiere mit dem Logo der Republikaner an, aber die sind deutlich teurer als im Laden. Bei Barack bin ich automatisch in einer Art Lotterie: Ich habe die Chance, einer von fünf oder zehn Leuten zu sein, die ihn vor seinem nächsten Auftritt hinter der Bühne treffen - so wie andere Rockstars. Oder ich darf bei der nächsten Rede in der ersten Reihe sitzen. Nicht schlecht für fünf Dollar, oder?

Und weil Barack ziemlich viele Freunde hat, oder zumindest so tut, ist das mit den fünf Dollar natürlich eine gute Idee. US-Amerikaner sind großzügig. Niemand lässt sich da lumpen, aus fünf Dollar werden schnell 20 oder 50. Barack, glaube ich, ist deswegen reicher als John McCain.

Sie werden sich jetzt sicherlich fragen, woher mich meine neuen Freunde eigentlich kennen? Wer die Website von Obama besuchte, musste sich im Vorwahlkampf erstmal mit seiner E-Mail registrieren, um zum Rest des Inhalts zu navigieren. Das hat einen gigantischen Freundeskreis geschaffen.

Meine Handynummer hat Barack übrigens auch: Wer als erster wissen wollte, wen Barack zum Vize wählt, konnte sich per SMS darüber informieren lassen. Jetzt kann Barack mir öfter Textnachrichten schicken. Ich weiß übrigens auch, wo man die anderen Freunde von Barack treffen kann. Online und Offline. Ich kann auf Baracks Website eine eigene Veranstaltung ankündigen und andere Barack-Freunde in meiner Gegend dazu einladen. Ich kann für Barack ein Grillfest machen, Salsa tanzen oder eine Fahrradtour organisieren. Dafür nehme ich dann natürlich fünf Dollar pro Person.

Wenn ich nicht weiß, wo ich am Samstagabend ausgehen soll, gebe ich einfach auf Baracks Website meine Postleitzahl ein. Und schon finde ich eine Party. Obendrein sind die fünf Dollar billiger als der Club-Eintritt in Downtown Washington. Und was die Partygäste betrifft: Ist doch klar, Baracks Freunde sind meine Freunde. Hat Ihnen der Artikel gefallen? Schicken Sie mir einfach fünf Dollar. Scheck oder Cybercash.