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Kriminalität

Fünf tote Kinder in Solingen offenbar erstickt

4. September 2020

Nach dem Fund von fünf Kinderleichen im nordrhein-westfälischen Solingen gehen die Ermittler davon aus, dass die junge Mutter ihre Kinder betäubte und erstickte. Ein Richter erließ Haftbefehl wegen Mordes.

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Deutschland Solingen | Fünf tote Kinder in Wohnung gefunden
Kerzen und Teddybären im Gedenken an die fünf ermordeten KinderBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Es gebe Hinweise, dass die Kinder sediert worden seien, sagte der zuständige Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt in Solingen, ohne Details zu nennen. Das habe die Obduktion der Leichen ergeben. Gegen die 27-jährige Mutter sei Haftbefehl erlassen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte den Haftbefehl wegen fünffachen Mordes beantragt.

Die Frau habe die Tat ihrer eigenen Mutter in einem Whatsapp-Chat gestanden und sich dann in Düsseldorf vor einen Zug geworfen. Dabei habe sie schwere, aber nicht lebensgefährliche innere Verletzungen erlitten, berichtete der Leiter der Mordkommission, Marcel Maierhofer. Die Großmutter hatte die Polizei per Notruf alarmiert.

Deutschland | PK zum Tod von fünf Kindern in Solingen | Marcel Maierhofer
Leitet die zuständige Mordkommission: Marcel MaierhoferBild: picture-alliance/dpa/R. Pfeil

Die Ermittler verdächtigen nicht die drei Väter der insgesamt sechs Kinder der Mutter. Polizei und Staatsanwaltschaft gingen davon aus, dass die Frau die Tat in einem Zustand der "emotionalen Überforderung" begangen habe. Zuvor habe sie ein Jahr von ihrem letzten Mann, dem Vater von vier ihrer Kinder, getrennt gelebt, sagte Maierhofer.

Die getöteten fünf Kinder im Alter von einem bis acht Jahren hätten tot in ihren Kinderbetten gelegen, als die Einsatzkräfte am Donnerstag die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus aufbrachen. Sie seien zwischen Mittwochnachmittag und Donnerstagvormittag getötet worden, so Maierhofer.

Elfjähriger Junge überlebte

Ein elfjähriger Junge, der als einziger der sechs Geschwister überlebte, sei womöglich nur verschont worden, weil er zum Zeitpunkt der Tat in der Schule war, mutmaßte der Leiter der Mordkommission. Die Vermutung sei aber noch nicht gesichert. Der Junge habe noch nicht befragt werden können. In einem schulischen Gruppenchat habe der Elfjährige kurz nach der Tat geschrieben, dass alle seine Geschwister tot seien, sagte Einsatzleiter Robert Gereci.

Deutschland | PK zum Tod von fünf Kindern in Solingen | Robert Gereci
Leitete den Einsatz in Solingen-Hasseldelle: Robert GereciBild: picture-alliance/dpa/R. Pfeil

Trauer in Solingen

Vor dem Mehrfamilienhaus in Solingen-Hasseldelle zündeten bedrückte Menschen weitere Kerzen an. Dazu wurden Blumen und Teddybären als Zeichen der Trauer abgelegt. Die Polizei baute die Absperrungen um das Haus inzwischen zurück.

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach zeigte sich nach einem Besuch am Tatort sichtlich schockiert. "Heute ist ein Tag, an dem wir in Solingen sehr traurig sind, weil eine Tat geschehen ist, die uns tief ins Herz getroffen hat", sagte Kurzbach. Auch Landesinnenminister Herbert Reul reagierte erschüttert: "Das Familiendrama von Solingen erfüllt mich mit großer Trauer und im Moment bin ich mit meinen Gedanken und mit meinem Gebet bei fünf kleinen Kindern, die so furchtbar früh aus dem Leben gerissen wurden."

Fünf tote Kinder in Solingen gefunden
Der abgeriegelte Tatort in Solingen am DonnerstagBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Mögliche Warnzeichen übersehen?

Die Familie war dem städtischen Jugendamt vor der Tat bereits bekannt. "Der Familie wurden von der Stadt Solingen erforderliche Unterstützungen gewährt. Das Jugendamt hat zusätzlich mögliche Hilfsangebote unterbreitet", teilte die Stadt mit, ohne Details zu nennen. "Erkenntnisse zu Auffälligkeiten oder einer potentiellen Gefährdung der Kinder gab es zu keinem Zeitpunkt."

Der Fall deutet nach Ansicht des Kriminalexperten Axel Petermann auf Hilf- und Perspektivlosigkeit der Mutter hin. Mögliche Warnzeichen für die Tat seien zudem womöglich wegen der Coronavirus-Pandemie nicht rechtzeitig erkannt worden, sagte Petermann. So sei beispielsweise denkbar, dass durch das Ausfallen von Schulunterricht und Kindergartenbetreuung Mechanismen nicht greifen konnten, die sonst Hilfe oder Unterstützung ermöglicht hätten.

nob/kle/wa (dpa, afp)

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