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Regierungskrise in Italien

15. November 2010

Die Regierungskrise in Italien spitzt sich weiter zu. Der schärfste Kontrahent von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Gianfranco Fini, hat seine Drohung wahr gemacht und zog vier Regierungsmitglieder zurück.

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Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini (Foto: AP)
Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini: Früher Parteifreunde, heute größte RivalenBild: AP

Der Boden unter Silvio Berlusconis Füßen ist wackliger geworden. Während die Sexskandale ihm eher wenig Imageschaden brachten, gerät er nun politisch zunehmend in Bedrängnis. Vor wenigen Tagen hatte sein ehemaliger Fraktionspartner Gianfranco Fini mit einem Rückzug von vier Regierungsmitgliedern gedroht, sollte der Ministerpräsident nicht freiwillig sein Amt niederlegen. Doch Berlusconi ignorierte die Forderung.

Daraufhin machte Fini seine Drohung wahr und zog seine Gefolgsleute zurück: Am Montag (15.11.2010) erklärte als erster der Minister für Europapolitik, Andrea Ronchi, seinen Rücktritt. Diesem Schritt folgten der stellvertretende Minister für Außenhandel, Adolfo Urso, sowie zwei Unterstaatssekretäre. Alle vier stehen Gianfranco Fini und seiner neu gegründeten Partei nahe.

Das Duell Berlusconi versus Fini

Nach monatelangem Streit hatte Berlusconi seinen einstigen Partner Fini im Juli aus der gemeinsam gegründeten Partei "Volk der Freiheit" (PDL) ausgeschlossen. Fini gründete daraufhin seine eigene Partei "Zukunft und Freiheit für Italien" (FLI) und scharte in beiden Kammern etwa 40 Gefolgsleute um sich. Die Partei blieb zwar in der Regierungskoalition, weigerte sich aber, Gesetze zum persönlichen Nutzen Berlusconis zu unterstützen.

Italienischer Präsident Giorgio Napolitano und Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Foto: AP)
Präsident Giorgio Napolitano: Die Verabschiedung des Haushalts 2011 soll Priorität habenBild: AP

Experten zufolge bedeutet der Rücktritt der vier Kabinettsmitglieder zwar nicht zwingend das Ende für die Regierung. Die Amtsniederlegung unterstreiche aber die politische Krise, in der sich das Land befindet.

Der Minister für Arbeit, Familie und Soziales, Maurizio Sacconi, aus Berlusconis Regierungspartei "Volk der Freiheit" kritisierte den Rücktritt der Kabinettsmitglieder als "Verrat". Im Senat verfügt Berlusconis PDL gemeinsam mit der verbündeten Lega Nord auch ohne die Senatoren von Finis FLI über eine Mehrheit, nicht aber im Abgeordnetenhaus.

Ein Ende der Krise nicht in Sicht

Berlusconi im Gespräch mit dem russischen Präsidenten Medwedew (Foto: AP)
Bleibt Berlusconi auf dem politischen Parkett?Bild: AP

Die Mitte-Links-Opposition hat bereits einen Misstrauensantrag gestellt. Ein Termin für diese Abstimmung steht noch nicht fest. Zudem kündigte Berlusconi am Wochenende an, er werde nach der Verabschiedung des Haushalts in beiden Kammern die Vertrauensfrage stellen. Das Haushaltsgesetz soll in den kommenden Tagen stehen und könnte in der nächsten Woche verabschiedet werden.

Die Opposition kritisierte, dass der Regierungschef die Haushaltsabstimmung durch "zeitverschwenderische Taktiken" hinauszögern könnte, um die drohenden Vertrauensfragen in beiden Parlamentskammern vor sich herzuschieben.

Sollten sich die Anhänger Finis, auch Finianer genannt, und die Opposition bereiterklären, dem Haushalt 2011 den Vorrang zu geben, wie von Berlusconi vorgeschlagen, würden die Abstimmungen über den Bestand der Regierung nicht vor Mitte Dezember stattfinden. Dieses Vorgehen war vor allem von Staatspräsident Giorgio Napolitano unterstützt worden.

The show must go on

Angeschlagener Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Foto: AP)
Zunehmend isoliert: BerlusconiBild: AP

Viele Beobachter rechnen damit, dass Berlusconi bei der Vertrauensfrage eine Niederlage erleiden wird. Wenn er die Abstimmung verliert, muss er zurücktreten. Der Weg für Neuwahlen wäre frei. Allerdings könnte der Staatspräsident Berlusconi auch auffordern, eine neue Regierung zu bilden, oder einen neuen Regierungschef zu ernennen.

Der Regierungschef selbst ging in die Offensive. Am Sonntag zeigte sich Berlusconi sicher, in beiden Kammern die Mehrheit hinter sich zu haben. Er habe nicht vor zurückzutreten. Zwar gestand er im Nachhinein ein, im Unterhaus eine Vertrauensabstimmung gegen seine politischen Gegner verlieren zu können, "aber wenn wir Neuwahlen haben, werden sie wieder verlieren", sagte Berlusconi.


Autorin: Rayna Breuer (dapd, dpa, afpd)
Redaktion: Reinhard Kleber/Ursula Kissel