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Für ein Brüssel der Bürger

24. Juni 2012

Es gibt sie noch - die EU jenseits von Rettungsschirmen, Schuldenbremsen und Co.. An diesem Wochenende wagten Bundesfinanzminister Schäuble und EU-Ratspräsident Van Rompuy den Ausblick auf ein lichteres Europa.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: dapd)
Bild: dapd

Bei einer Abgabe von mehr Kompetenzen an die Europäische Union kann sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bald eine Volksabstimmung über eine neue deutsche Verfassung vorstellen. "Wann es so weit sein wird, weiß ich nicht, weiß wohl keiner. Aber ich gehe davon aus, dass es schneller kommen könnte, als ich es noch vor wenigen Monaten gedacht hätte", sagte Schäuble dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche würden Vorschläge für eine vertiefte Integration vorgestellt, so Schäuble.

Der Minister forderte, Entscheidungen nach Brüssel abzugeben. "Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann." Um dies zu legitimieren, schlug er vor, den Präsidenten der EU-Kommission direkt wählen zu lassen. Zudem müsse das Europäische Parlament gestärkt werden, indem es das Recht zu Gesetzesinitiativen bekomme. Auch plädierte er für eine Vertretung der Länder nach Vorbild des Bundesrats oder des US-Senats, in der Gesetze genauso wie im Parlament eine Mehrheit finden müssten. Das Europa der Zukunft werde aber kein föderaler Staat sein nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik. "Es wird eine eigene Struktur haben. Das ist ein hoch spannender Versuch."

Plädoyer für einen europäischen Finanzminister

Schäuble lehnte Eurobonds weiterhin ab, solange es keine Fiskalunion gebe, in der Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abträten. Auf die Frage, wie die Fiskalunion aussehen müsse, damit Deutschland europäische Staatsanleihen akzeptiere, sagte er: "Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. Wofür die Länder das bewilligte Geld ausgeben würden, bliebe ihnen innerhalb der genehmigten Obergrenze überlassen."

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy (Foto: dapd)
Will beim nächsten EU-Gipfel Reformvorschläge präsentieren: Ratspräsident Herman Van RompuyBild: dapd

So weit denken wie Schäuble wolllte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nicht. Gleichwohl kündigte er für den EU-Gipfel in Brüssel einen Vorstoß an, mit dem alle Staaten zu den gleichen Reformen gezwungen werden könnten. Bislang gibt die EU-Kommission nur Empfehlungen, spezifisch zugeschnitten auf bestimmte Länder. Van Rompuy denkt nun an eine radikale Wende, um den Gleichschritt und das Zusammenwachsen der EU-Staaten voranzutreiben. Man könne doch auch "Empfehlungen für die Union als Ganzes geben", so der Belgier in der Zeitung "Welt am Sonntag".

Aufruf zur raschen Umsetzung der Bankenunion

Als Beispiel nennt er eine Verbindung zwischen Renteneintrittsalter und Lebenserwartung: "Man kann alle 27 Mitglieder auffordern, dass sie ihre Rentensysteme in einer bestimmten Zeit den Vorgaben gemäß reformieren." Entscheidend sei dabei, dass die Empfehlungen verbindlich seien. Das sei einer der Punkte, die man in den nächsten Monaten diskutieren müsse. Er selbst werde eine entsprechende Initiative bereits beim EU-Rat am Donnerstag und Freitag auf den Tisch legen, ergänzte der Belgier.

Van Rompuy plädierte zugleich für eine rasche Umsetzung der geplanten Bankenunion. Die Aufsicht soll dabei bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden. "Die Bankenunion ist ein Baustein. Ich denke, wir können da viel schneller vorgehen als in anderen Bereichen", sagte der EU-Ratspräsident in dem Interview. Er wandte sich jedoch gleichzeitig gegen Debatten um weitreichende institutionelle Reformen. Er reagierte damit vor allem auf eine Gruppe von EU-Außenministern um den deutschen Ressortchef Guido Westerwelle, die jüngst Vorschläge für eine Vertiefung der Union präsentiert hatte, deren Umsetzung Jahre aber dauern würde. Man müsse "die Krise in kurzfristiger Hinsicht managen", so Van Rompuy. Innerhalb der bestehenden Verträge sei noch vieles möglich.

sti/wl (afp, dapd, dpa)