1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Facebook bittet zum Interview

21. April 2011

Routiniert und medienwirksam stellt sich US-Präsident Obama am Firmensitz von Facebook in einem Liveinterview den Fragen von Internetnutzern aus aller Welt. Doch der wahre Gewinner dieses Auftritts ist ein anderer.

https://p.dw.com/p/RJVe
Barack Obama zu Gast bei Facebook mit Mark Zuckerberg (Foto: AP)
User fragen - Obama antwortetBild: AP

Mit gewohnt federnden Gang betrat US-Präsident Barack Obama die Runde der anwesenden Facebook-Mitarbeiter, um in einem weltweit übertragenen Live-Interview Fragen von Internet-Nutzern zur den Haushaltsplänen seiner Regierung zu beantworten. Ihm zur Seite saß der gerade einmal 26-jährige Facebook Gründer Mark Zuckerberg in einer Doppelfunktion: Von seinem Laptop aus verlas er einige der über 8.500 während der Sendung eingereichten Fragen der Internet-Nutzer, und er moderierte die Fragen aus dem Zuschauerraum .

Sichtlich nervös begrüßte Mark Zuckerberg seinen hohen Gast: "Viele Politiker benutzen Facebook um mit den Bürgen in direkten Kontakt zu treten. Entschuldigt bitte, ich bin etwas aufgeregt. Wir haben den Präsidenten der Vereinigten Staaten hier!" Obama forderte Zuckerberg lächelnd daraufhin auf, gemeinsam die Jacketts abzulegen und sich gemütlich auf die Stehhocker zu setzen.

US-Präsident Obama trifft die High-Tech-Elite in Silicon Valley (Foto: dpa)
Keine Berührungsängste: US-Präsident Obama trifft die High-Tech-Elite in Silicon ValleyBild: picture alliance / dpa

Was dann folgte, war das bekannte Spiel Obamas auf der Klaviatur der sozialen Medien. Er kann das, und er fühlt sich wohl in seiner Rolle als Internet-Präsident, der virtuos auf allen modernen Informationskanälen Wählerstimmern, Unterstützer und Wahlkampfgelder sammelt. Am Ende der über einstündigen Veranstaltung überreichte Zuckerberg dem Präsidenten als Abschiedsgeschenk ein Sweat-Shirt mit einem breiten Facebook-Schriftzug. Obama hielt es brav vor die Brust gespannt in die Kameras. Bessere Werbung gibt es nicht.

Und der Gewinner ist… Facebook

Im Vorfeld des Live-Interviews hatte der ehemalige Facebook-Manager Peter Sealey dieses Ereignis als klassische "Win-Win-Situation" beschrieben: Der Präsident erreiche auf direktem Wege seine potentiellen Wähler. Facebook widerum erfahre einen enormen Image-Gewinn. Die eigentliche Bedeutung des Auftritts von Barack Obama am Firmensitz von Facebook im Silicon Valley lag weniger in dem, was der Präsident über den Schuldenberg seiner Regierung zu sagen hatte. Die Bedeutung lag im Medium selbst. Mit seinem Auftritt auf dem Firmengelände von Facebook, der weltweit auch über die Webseite des US-Regierung live übertragenen Interviewrunde mit Mark Zuckerberg, bestätigt das Weiße Haus die global wachsende Bedeutung und den Einfluss sozialer Netzwerke auf die Politik.

Soziale Netzwerke erlangen weltweit politische Bedeutung

Zuckerberg kann sich entspannt zurücklehnen. Er weiß, dass eine Facebook-Seite erst kürzlich einen großen Anteil am Sturz Hosni Mubaraks in Ägypten hatte: Die Facebook-Seite "Wir sind alle Khaled Said" hatte zur ersten Massendemonstration am 25.Januar auf den Tahrir-Platz in Kairo aufgerufen. Als der Administrator dieser Seite, Wael Ghonim, von CNN-Anchor Wolf Blitzer gefragt wurde, wo denn seiner Ansicht nach die nächste Revolution in der arabischen Welt stattfinden würde, antwortete dieser: "Ask Facebook" - Frag Facebook.

Weltweit haben Präsidenten und Regierungschefs längst die sozialen Medien für sich entdeckt. Von Russlands Präsident Dmitri Medwedew weiß man, dass ihm die modernen Informationstechnologien ganz besonders am Herzen liegen. Sein Tag beginne stets mit einem Blick ins Internet, sagte Dmitri Medwedew nach seiner Wahl in einem Interview. Er bloggt schon seit längerem auf der russischen Plattform Livejournal. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy gab sogar schon im Dezember 2005, damals noch als Innenminister, dem Blogger Loic Le Meur ein exklusives Interview. Es wurde als Videopodcast im Internet veröffentlicht und verzeichnete dort Rekordabrufe. In Lateinamerika verfügt fast jeder Präsident über Profile in sozialen Netzwerken. Venezuelas populistischer Präsident Hugo Chavez zählt über 1,3 Millionen Follower auf Twitter. Ecuadors Präsident Rafael Correa wendet sich bevorzugt über YouTube an sein Volk.

Brachland Deutschland

Ein Jugendlicher verfolgt am 05.09.2006 die aktuelle Videobotschaft von der Bundeskanzlerin im Internet (Foto: dpa)
Angela Merkel im VideoblogBild: picture-alliance/ dpa

In Deutschland nutzen Politiker die sozialen Medien bislang eher zögerlich. Kanzlerin Angela Merkel verfügt zwar über ein Facebook-Profil. Aber bislang hat sie dort erst 83.000 "Freunde". Obama kann dagegen mit 19 Millionen Fans politisch punkten. Lateinamerikanische Präsidenten gestalten weitaus lebendigere und erfolgreichere Netzwerk-Auftritte als Deutschlands Regierungschefin. Auf Twitter sucht man Frau Merkel vergebens. Die Kanzlerin lässt twittern, nämlich ihren Regierungssprecher Steffen Seibert.

In schöner Regelmäßigkeit werden in Deutschland Studien und Umfragen zur Internetkompetenz deutscher Politiker veröffentlicht. Laut der jüngsten Umfrage unter 750 deutschen Politikern antwortet die Hälfte nicht auf E-Mails. 45 Prozent von ihnen sind auf Social Media-Plattformen wie Facebook und Twitter schlicht nicht auffindbar.

In den USA hat man diesen Entwicklungstand im Umgang mit den modernen Informationstechnologien längst hinter sich gelassen. So sehr, dass sich hier inzwischen die Machtverhältnisse zu verschieben scheinen. Unter einem im Februar im Internet veröffentlichten Foto, das Barack Obama zusammen mit Mark Zuckerberg auf einem Treffen mit amerikanischen Internetgrößen zeigt, setzte ein Internet-Nutzer süffisant den Kommentar: "Es muss aufregend sein neben dem mächtigsten Mann der Erde zu stehen. Wie Barack Obama sich wohl gefühlt haben mag?"

Autor: Gabriel Gonzalez
Redaktion: Matthias von Hein