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Faires Fleisch im Supermarkt

Günther Birkenstock29. Oktober 2012

Artgerechte Haltung für Tiere, faire Preise für Bauern und klare Informationen für Konsumenten: Der Deutsche Tierschutzbund will mit Supermarktketten und Landwirten ein Tierschutz-Label für Fleisch einführen.

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Ein Metzger legt ein Stueck Fleisch in die Verkaufstheke. (Foto: AP Photo)
Bild: dapd

Bio-Produkte liegen im Trend, aber ihr Marktanteil ist gering. Beim Fleisch beträgt er weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes. Außerdem heißt Bio nicht automatisch gleich artgerechte Tierhaltung. Das soll sich mit dem neuen Label "Für mehr Tierschutz" ändern. In zwei Versionen wird es ab Januar 2013 in deutschen Geschäften zu sehen sein.

Enge schafft Aggression

Für die Einstiegsstufe des Labels müssen die Tiere bereits so gehalten werden, dass es ihnen weit besser geht, als das Tierschutzgesetz vorschreibt, erklärt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Tiere haben mehr Platz, mehr Bewegungsfreiheit und mehr Beschäftigung." Mit einem Beispiel aus der Geflügelzucht macht Schröder den Unterschied zu konventionellen Mastbetrieben deutlich: "Sie müssen sich eine Duschwanne vorstellen. Auf einem Quadratmeter sitzen 24 Tiere. Beim Label der Einstiegsstufe sind es nur noch knapp die Hälfte." Das sei zwar immer noch zu eng, meint der Generalsekretär des Tierschutzbundes. Aber das Geflügel hätte durch Tageslicht und eine Sitzstange mehr Möglichkeiten, sich zu bewegen und in seinen natürlichen Hierarchien zu leben. "So nimmt die Aggressivität ab. Die Landwirte müssen ihren Tieren nicht mehr die Schnäbel beschneiden." Wer Stufe zwei der Kennzeichnung erreichen will, muss den Tieren dann noch mehr Platz zur Verfügung stellen.

Das neue Label des Deutschen Tierschutzbundes "Für mehr Tierschutz" (Foto: Deutscher Tierschutzbund e.V.)
Das neue Label des Deutschen TierschutzbundesBild: Deutscher Tierschutzbund

Zu klein gedacht

Eine Szene der Massentierhaltung von Hühnern (Foto:dpa)
Bild: picture alliance/dpa

27 Geflügelställe und 20 Schweinehöfe haben sich für die erste Zertifizierungswelle mit dem neuen Tierschutz-Label beworben. Ziel ist, im Jahr fünf Millionen Tiere in der Geflügelzucht und 20.000 in der Schweinemast für das Label zu schlachten. Das klingt viel, ist aber sehr wenig, erklärt Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. " Wir erzeugen in Deutschland pro Woche 1,2 Millionen Schweine. Da bedarf es eines umfassenderen Ansatzes." Dieser Ansatz stehe kurz bevor. Im Frühjahr will der Bauernverband ein Konzept dafür vorlegen, wie er den Einsatz verbreitern will. Dabei ist aber nicht vorgesehen, die Produkte in der Fleischtheke besonders zu kennzeichnen.

Einzelschritte verändern nicht das marode System

Künfig sollen die Bauern für individuelle Schritte hin zu mehr Tierschutz unterstützt werden, finanziert durch einen gemeinsamen Topf von Händlern und Vermarktern. "Wir fördern den Landwirt, der seine Tierhaltung verändert und der beispielsweise seine Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert." Auch der Bauer, der Schweinen nicht mehr die Schwänze abschneidet, damit sie sich im Stall nicht verletzen, soll aus dem Gemeinschaftstopf unterstützt werden. Für Tierschützer Schröder ist dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt. Durch einzelne Änderungen würde nichts am kranken System der Tierzucht geändert. Der Schuss könne sogar nach hinten losgehen. "Wenn ein Bauer sich in den üblichen Ställen entscheidet, den Schweinen nicht mehr die Schwänze abzuschneiden und sie dann wieder ins System einsetzt, dann ist das für die Tiere unter Umständen schlimmer als vorher." Wenn sie sich nicht beschäftigen könnten, würden sie aggressiv. "Das kann zu einem Massaker werden."

Helmut Born, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (Foto: dpa)
Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen BauernverbandesBild: picture-alliance/dpa

Bauernvertreter Helmut Born findet die Idee eines Tierschutz-Labels zwar sympathisch, hält sie aber nicht für markttauglich. "Wir sind ja nicht allein auf der Welt, wir haben offene, globalisierte Märkte und insbesondere Fleisch und Milch werden weltweit gehandelt." Viele Verbraucher sagten zwar, sie würden mehr Geld für Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung ausgeben, aber dann kauften sie doch das Billigprodukt beim Discounter. Versuche von Händlern in der Vergangenheit hätten das belegt.

Thomas Schröder Präsident, Deutscher Tierschutzbund e.V. Bundesgeschäftsstelle. (Foto/Copyright: Thomas Schröder)
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen TierschutzbundesBild: Thomas Schröder

Einer muss anfangen

Der Präsident des Tierschutzverbandes setzt dagegen auf den Vorbildcharakter des Label-Projektes. Auch die Landwirte würden unter dem jetzigen System der Tierproduktion leiden. "Ein Geflügelbauer kann heute als Vollerwerbslandwirt nur noch leben, wenn er 74.000 Tiere hält, das heißt über das Jahr gesehen, 700.000 Tiere, weil die heute nur noch 30 bis 35 Tage im Stall verbringen." Die Gewinnmargen sind minimal, nicht nur beim Geflügel. Pro Schwein verdient ein Mäster nur sechs bis acht Euro. Grundsätzlich gelte: Der Fleischkonsum müsse sinken. Und wenn wir Fleisch äßen, dann bewusst, und dann müssten wir dafür mehr Geld zahlen, das dann in artgerechte Haltung flösse.

Schweine in Massentierhaltung (Foto: dw)
Schweine in MassentierhaltungBild: picture alliance/WILDLIFE

Natürlich glaubt auch Tierschützer Schröder nicht daran, dass sich die Viehzucht von heute auf morgen ändern lässt. Doch er ist überzeugt, dass der Erfolg des Labels schnell weitere Landwirte anziehen wird. Viel hänge davon ab, wie glaubwürdig die Kennzeichnung sei. "Solange auf vielen Packungen "Weideglück" zu lesen ist und saftige Wiesen abgebildet sind, die die Tiere nie gesehen haben, funktioniert das nicht." Auch Schröder ist es wichtig, die zunehmende Globalisierung im Blick zu haben. "Wir werden auf Dauer sowieso die Frage von Welternährung und Fleischkonsum lösen müssen. Das heißt: An den großen Kreislauf denken, aber hier in Deutschland beginnen."