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Politik

"Fake News" beim Badminton

13. März 2017

Hat Donald Trump die "alternativen Fakten" erfunden? Und werden wir besonders dreist belogen, seit es die sozialen Medien gibt? Nach dem Besuch eines Nachwuchs-Badminton-Turniers kommen Jens Thurau da erhebliche Zweifel…

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Olympia London 2012 Badminton Frauen
Bild: Reuters

Diese elterlichen Pflichten kennen viele, nicht nur in Deutschland: Da verbringt man große Teile des Wochenendes in zugigen Turnhallen in den Vororten, um dem Nachwuchs beizustehen: beim Fußball, beim Handball, in diesem Fall beim Badminton. Das eigene Kind macht vier Spiele von zehn Minuten, das Turnier selbst aber dauert Stunden um Stunden. Viel Zeit, um sich umzuschauen. Und überraschende Erkenntnisse zu gewinnen. Kann es sein, dass nicht nur die Populisten wie Donald Trump und Recep Erdogan lügen, dass sich die Balken biegen, sondern dass wir alle es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nehmen, und zwar vorsätzlich und mit System?

4:0 am Spielfeldrand 

Es spielen, schon zu später Stunde, zwei Mädchen von ungefähr 15 Jahren gegeneinander. Die eine ist allein, ihr Trainer ist schon gegangen, die andere hat neben ihrem Trainer noch zwei Erwachsene, Familienangehörige offenbar, und eine Freundin dabei. Die einsame Spielerin ist klar besser, aber die Erwachsenen-Truppe nebst Freundin gibt alles, um das auszugleichen. Die Erwachsenen werden geschickt um das Spielfeld herum drapiert, was eigentlich nicht erlaubt ist. Dazu muss gesagt werden, dass bei solchen Mammut-Turnieren keine Schiedsrichter gestellt werden, die Spielerinnen müssen ihren Spielstand selbst mitzählen. Und das Elend beginnt.

Einschüchterung durch Präsenz

Die bessere Spielerin versenkt einen Schmetterball, gefühlt mindestens zehn Zentimeter im Feld. Aber wie auf Kommando springt die Erwachsenentruppe auf und schreit: "Aus". In solchen Streitfällen können die Spielerinnen eine Wiederholung des Ballwechsels vereinbaren, aber wie schafft das eine einsame 15-jährige gegen ihre Kontrahentin nebst schreiendem Anhang? Bald steht es dennoch 14:10 für die bessere Spielerin, auch der nächste Punkt geht an sie, da kommt es laut von einem der Erwachsenen: "13:11".

DW-Mitarbeiter Jens Thurau
Fassungslos in der Badminton-Halle: DW-Korrespondent Jens Thurau.Bild: DW/D. Engels

Lügen mit Vorsatz

Wie bitte? Hier stimmt nichts mehr. Und was das Schlimmste ist: Man spürt den Vorsatz. Die Lüge eines Zaungastes wird sofort von dem anderen bestätigt. Merke: Wahrheit ist, was nur oft genug behauptet wird. Das geschieht alles, ohne dass einer der Erwachsenen auch nur ansatzweise rot im Gesicht wird, von anderen Teilnehmern erfahre ich später, dass die Mitglieder dieses Badminton-Vereins für ihre "Teamführung" berüchtigt sind, es ist also kein Einzelfall.

Fairness? Überbewertet...

Kann es sein, dass wir bei der sozialen Kompetenz in den letzten Jahren, sagen wir mal, eine Delle zu beklagen haben? Sportvereinen wurden ja lange Zeit zwei Funktionen zugeschrieben: mit Spaß und Ehrgeiz den eigenen Sport betreiben und: Gemeinschaft erleben, Fairness trainieren. Das Letztere scheint nicht mehr so wichtig zu sein.

Vielleicht sollten wir uns nicht so oft über Herrn Trump oder die Russen oder die AfD aufregen, wenn die sagen, dass eins und eins eigentlich drei ergibt und die Ausländer an allem schuld sind. Schlimm genug. Aber die Verteidigung der Wahrheit beginnt eigentlich (sozusagen) in der Badminton-Halle.

Ein Trost: Das Gute siegt am Ende doch..

Ach so, die bessere Spielerin hat am Ende gewonnen, trotz aller Versuche der Fake-News-Abteilung, das anders darzustellen. Noch beim Eintrag des klares Ergebnisses auf dem Spielbogen wurden die Punkte der unterlegenden Spielerin frei erfunden nach oben gemauschelt, es geht ja ums Prinzip beim Lügen, also macht man auch weiter, wenn die Niederlage besiegelt ist.

Dennoch: Die Bessere hat gewonnen, die Realität war stärker, wie tröstlich. Es besteht also noch Hoffnung.