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Faktencheck: Waffen aus dem 3D-Drucker?

31. Juli 2018

3D-Drucker gibt es jetzt schon für wenige hundert Euro im Supermarkt. Wenn es nach einem US-Anarchisten geht, soll sich bald jeder eine Waffe ausdrucken können. Ist die Idee eine echte Gefahr oder Unsinn?

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USA Cody Wilson
Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Gay

Seit einigen Jahren verfolgt Cody Wilson eine große Idee: Jeder Mensch soll sich mit einem 3D-Drucker seine eigenen Waffen ausdrucken können - mit Hilfe sogenannter CAD-Dateien - frei verfügbar im Internet.

So will der Crypto-Anarchist die Gesellschaft vor Entscheidungen der Regierung schützen, die vielleicht eines Tages auf die Idee kommen könnte, den Bürgern den Waffenbesitz zu verbieten. 

Wie begründet Cody Wilson sein Ziel?

Der Gründer der Firma Defense Distributed stellt sich auf den Standpunkt, dass das reine Wissen über den Bau von Waffen ein Teil der Meinungs- und Informationsfreiheit ist. Das Wissen dürfe nicht von Seiten des Staates eingeschränkt werden.

Seine Vision ist eine Gesellschaft, die gegen obrigkeitsstaatliche Bevormundung wehrhaft ist. Und die ultimative Form des Paternalismus sei es, den Waffenbesitz zu verbieten. Wehrhaft hingegen ist seiner Ansicht nach eine Gesellschaft, die sich das Wissen nicht verbieten lässt.

In den USA ist das Recht Waffen zu tragen verfassungsrechtlich garantiert. Käme es irgendwann zu einer Verfassungsänderung, sei diese nicht durchsetzbar, weil jeder seine Waffe ausdrucken könne, argumentiert Wilson.

Auch sei das Wissen über Waffen im Internet praktisch nicht mehr kontrollierbar, die CAD-Dateien seien immer irgendwo verfügbar.

USA Cody Wilson
Nicht sehr vertrauenserweckend: Die Handfeuerwaffe von Cody Wilson. Bild: picture-alliance/dpa/E. Gay

Wie ist die Rechtslage dazu in den USA?

In den USA darf sich jeder eine Waffe kaufen und offen tragen. In verschiedenen Bundesstaaten gelten unterschiedlich scharfe Regeln für Waffenbesitz. In der Regel ist es verboten, Waffen versteckt zu tragen. Einige Staaten begrenzen die Kapazität der Magazine.

Wichtig ist: Nur der zentrale Bauteil eines Gewehrs oder einer Pistole gilt als Schusswaffe. In diesem inneren Rahmen der Waffe - dem "lower receiver" - wird die Patronenhülse geladen, hier trifft der Hammer auf die Patrone, hier wird der Schuss ausgelöst. Der "lower receiver" muss eine eingestanzte Registrierungsnummer haben. Damit können Ermittler Patronenhülsen der Waffe und dem Besitzer zuordnen. 

Andere Teile eines Gewehrs, etwa der Lauf, das Magazin oder der Stutzen, sind ohne Registrierung frei verkäuflich.

Wenn es also möglich wäre, einen "lower receiver" per 3D-Drucker zu erschaffen, könnte sich ein jeder ein unregistriertes Maschinengewehr zusammenbasteln.

Die Rechtlage in den meisten anderen Ländern der Welt ist anders: Meist gelten alle Teile der Waffe als Waffe. Insofern ist die Debatte, die Wilson angestoßen hat, vor allem für die USA relevant.

Wie zuverlässig schießt eine ausgedruckte Waffe?

Immerhin hat Cody Wilson mittlerweile eine ausgedruckte Kunststoff-Pistole hergestellt, mit der es möglich ist, einzelne Schüsse abzugeben.

Sehr präzise schießt diese Waffe nicht. Auch muss sie für jeden Schuss nachgeladen werden.

Noch problematischer wird es bei einem Maschinengewehr. Echte Tests mit einem von Wilson ausgedruckten Gewehrrahmen haben zwar grundsätzlich funktioniert, bei stärkerer oder längerer Belastung - insbesondere wenn mehrere Schüsse in kurzer Folge abgegeben werden - gibt der Kunststoff nach und bricht. Kenner raten daher von der Nutzung von Kunststoffteilen grundsätzlich ab. 

3D-Druck mit Kunststoff-Materialien ist also kein geeignetes Mittel, um sich eine Waffe zu bauen.

Was ist mit Metall-3D-Druck?

Das ist eine Kostenfrage. Die günstigsten Metall-3D-Drucker kosten ab 125.000 Euro. Solche Geräte können sich nur spezialisierte Metallverarbeitungs-Betriebe leisten. Sie erzeugen keine hochfesten Metallverbindungen sondern verkleben zunächst Metallstaub, der später im Ofen verbacken wird. Das ist nutzbar für Waffen, aber das Ergebnis ist nicht hochbelastbar.

Hochwertige Laserdrucker, die das Selektive Laserschmelzen (SLM) nutzen, kosten mindestens eine halbe Million Euro.

Waffe aus dem Copyshop?

Theoretisch könnte ein Waffenfanatiker natürlich auch versuchen, eine CAD-Datei an einen 3D-Druck Serviceanbieter zu schicken und sich sein Bauteil ausdrucken und zuschicken zu lassen. Das setzt allerdings voraus, dass der Dienstleister nicht erkennt, um welches Bauteil es sich handelt.

Der Geschäftsführer eines renommierten deutschen 3D-Druckbetriebes sagte der DW, dass der Kundenkreis für SLM-Bauteile durchaus überschaubar sei. Kunden kämen aus Industrie und Mittelstand und müssten sich mit all ihren Daten registrieren - bis hin zur Steuernummer.

Die Mitarbeiter des Druckbetriebs seien darauf geschult, problematische Bauteile zu erkennen - nicht nur aus Sicht der Waffenkontrollgesetze sondern auch in Bezug auf das Urheberrecht. Darüber hinaus landen alle Bauteile in einer Produktdatenbank, was eine spätere Untersuchung erleichtert. 

Auch gehöre eine Rücksprache mit dem Kunden bei aufwendigeren Anforderungen dazu. Dabei stellen die 3D-Druck-Experten üblicherweise sehr detaillierte Fragen zur Verwendung des Bauteils. Komme nun ein einzelner Kunde und verlange etwa den Ausdruck eines Waffenrahmens, liefe er große Gefahr, dass er entdeckt und angezeigt werde. 

Warum überhaupt drucken? Geht es nicht auch anders?

Um sich ein Maschinengewehr zu bauen, muss man aber gar nicht so viel Aufwand betreiben. Jeder gelernte Schlosser oder sogar ein Laie mit etwas Erfahrung schafft das, solange er Zugang zu einer Drehbank, Fräse, Bohrmaschine und anderen herkömmlichen Werkzeugmaschinen hat.

Die analogen Baupläne für Gewehrrahmen und andere Bauteile kursieren in einschlägigen Foren im Internet.

Auch lassen sich bereits jetzt jede Menge CAD-Dateien für einschlägige Waffentypen im Internet finden. Wer also Zugang zu einer CNC-Fräsmaschine hat, kann sich genausogut eine Waffe bauen, wie mit einem hochwertigen SLM-Laserdrucker. Zudem lassen sich selbst Dekowaffen vom Antiquitätenhändler mit etwas Geschick in echte Waffen verwandeln.

Ein besonders geschickter Bastler zeigt in einem Youtube-Video, wie er sich seinen Gewehrrahmen aus Coladosen gießt. Auf jeden Fall ist das Ergebnis stabiler und sicherer als die ausgedruckte Kunststoffversion von Cody Wilson. 

Warum dann die ganze Aufregung?

Ausgedruckte Kunststoffwaffen sind unsicher und kaum zu gebrauchen. Metalldruck ist für die meisten potentiellen Interessenten unerschwinglich. Die Beauftragung eines Herstellers viel zu riskant. 

Wer wirklich will, findet einfachere Wege, um sich insgeheim zu bewaffnen. In den USA und in fast allen anderen Ländern der Welt gibt es ohnehin riesige Mengen legaler Waffen und einen lebhaften Markt mit illegalen Waffen.

Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass sich Kriminelle oder potentielle Amokläufer ihre Waffen selbst ausdrucken, sie kommen auf herkömmlichen Wegen viel einfacher an bessere Waffen heran.

Am Ende bleibt bei der ganzen Debatte um gedruckte Waffen wohl vor allem eines übrig: Eine interessante aber akademische Diskussion für Jura-Studenten in einem Seminar über das US-Verfassungsrecht.

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen