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Schaeffler will Conti

14. Juli 2008

Die fränkische Industriegruppe Schaeffler hat den börsennotierten Weltkonzern Conti im Visier - und plant ein Übernahmeangebot von zehn Milliarden Euro. Die Conti-Arbeiter fürchten eine Zerschlagung des Unternehmens.

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Fahnen mit den Logos der unterschiedlichen Firmen der Schaeffler-Gruppe wehen am Haupteingang des Unternehmens in Herzogenaurach (AP Photo/Andreas Beil)
Fahnen mit den Logos der Schaeffler-Firmen am Haupteingang des Unternehmens in HerzogenaurachBild: AP

Die Schaeffler-Gruppe, zweitgrößter Wälzlagerhersteller der Welt, bestätigte am Montag (14.07.2008) grundsätzliches Interesse an einem Engagement beim Autozulieferer und Reifenhersteller Conti. "Es hat ein kurzes Gespräch gegeben, und es wird möglicherweise noch weitere Gespräche geben", sagte Schaeffler-Unternehmenssprecher Detlef Sieverdingbeck. Auch Conti bestätigte einen ersten Kontakt. Details nannten beide Seiten nicht.

Ein Crash-Test-Dummy winkt auf der IAA in Frankfurt am Stand von Continental Messebesuchern (AP Photo/Thomas Kienzle)
Ein Crash-Test-Dummy winkt auf der IAA in Frankfurt am Stand von Continental MessebesuchernBild: AP

Die Übernahme wäre die größte in Europa in diesem Jahr und die größte in der Autobranche mit deutscher Beteiligung seit der Chrysler-Übernahme durch Daimler vor zehn Jahren.

Conti-Kurs steigt

Der überraschende Vorstoß des "stillen Riesen" aus Herzogenaurach in Mittelfranken, der sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückhält, beflügelte die Börse. Conti-Aktien setzten sich an die Spitze des Leitindex DAX. Der Aktienkurs, der nach dem Kauf von Siemens VDO im Sommer 2007 um fast die Hälfte geschrumpft war, sprang zwischenzeitlich um fast ein Viertel auf rund 67 Euro.

Sorge um mögliche Zerschlagung

Befürchtungen wurden laut, Schaeffler könnte nach einer Übernahme den Konzern zerschlagen, um etwa durch den Verkauf der Reifensparte die Übernahme zu finanzieren. In diesem Fall müsste Schaeffler jedoch mit Widerstand rechnen, meldete Reuters. Denn dann würden Management und Arbeitnehmer sich wohl quer stellen. Conti-Sprecher Hannes Boekhoff erklärte: "Wir haben keine Berührungsängste gegenüber Investoren, die unsere langfristige Strategie unterstützen und das Unternehmen nicht zerschlagen wollen."

Haupteingang der Schaeffler Gruppe in Herzogenaurach (AP Photo/Andreas Beil)
Haupteingang der Schaeffler-Gruppe in HerzogenaurachBild: AP

Auch Conti-Chef Manfred Wennemer hatte in der Vergangenheit stets Offenheit gegenüber freundlich gesinnten Investoren signalisiert. "Sobald die Schaeffler-Gruppe ihre Überlegungen substantiiert hat, wird der Vorstand der Continental AG diese prüfen", hielt sich Conti am Montag die Antwort auf das Werben offen.

Wie die "Welt" aus Finanzkreisen erfuhr, soll Conti die Investmentbank Goldman Sachs mit der Beratung über eine Abwehrstrategie beauftragt haben. Eine Trennung von der Reifensparte hatte Conti-Chef Manfred Wennemer bisher abgelehnt. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) mahnte: "Wichtig ist, dass die Arbeitsplätze und das am Wirtschaftsstandort Niedersachsen vorhandene Know How des Unternehmens in vollem Umfang erhalten bleiben."

Eigentümer stehen auf Forbes-Milliardärsliste

Die von Maria-Elisabeth Schaeffler kontrollierte Schaeffler-Gruppe fertigt Wälzlager unter anderem für Maschinen, Anlagen, die Autoindustrie sowie die Luft- und Raumfahrt. Wälzlager sind Lager, bei denen zwei zueinander bewegliche Komponenten, der so genannte Innenring sowie der Außenring, durch rollende Körper getrennt sind. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" führt die Unternehmenseigentümer Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler auf Platz 104 der reichsten Menschen der Welt mit einem Vermögen von 8,5 Milliarden Dollar (5,4 Mrd. Euro).

2007 erwirtschaftete der Konzern mit seinen drei Marken INA, LuK und FAG sowie weltweit 66.000 Beschäftigten einen Umsatz von 8,9 Milliarden Euro. Der Conti-Konzern ist wesentlich größer und gehört mit einem anvisierten Umsatz von mehr als 26,4 Milliarden Euro 2008 weltweit zu den fünf führenden Automobilzulieferern. Zu den Produkten zählen hauptsächlich Bremsen, Systeme und Komponenten für Antrieb und Fahrwerk, Fahrzeugelektronik und Reifen. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 150.000 Mitarbeiter an nahezu 200 Standorten in 36 Ländern.

Analytiker: Preis zu niedrig

Der Autoexperte der Nord/LB, Frank Schwope, verwies darauf, dass Continental bereits seit einiger Zeit als Übernahmekandidat gehandelt werde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass noch ein anderer Interessent mit Schaeffler gemeinsam agiert, meint er. "Conti ist ja schon ein großer Brocken, an dem man sich leicht verschlucken kann und viele Überschneidungen zwischen Conti und Schaeffler gibt es auch nicht." Spekulationen, dass auch Bosch Interesse an Conti haben könnte, kommentierte das Stuttgarter Unternehmen nicht.

Einen Preis von 10 Milliarden Euro für Conti hält Schwope für unrealistisch. Nach seiner Einschätzung müssten es schon 80 bis 100 Euro pro Aktie sein, insgesamt also 13 bis 16 Milliarden.

Gewerkschafter mit unterschiedlichen Ansichten

Die Arbeitnehmervertreter befürchten vor allem eine Zerschlagung des Unternehmens. Angesichts der hohen Schulden von über zehn Milliarden Euro durch die VDO-Übernahme sei eine Übernahme kaum anders zu finanzieren, lautet die Sorge. Der niedersächsische IG-Metall-Bezirksleiter und Conti-Aufsichtsrat Hartmut Meine kündigte an: "Wir werden mit allen Mittel verhindern, dass ein völlig intransparentes Unternehmen möglicherweise die Continental AG übernimmt und zerschlägt." Auch industriepolitisch mache eine Spaltung keinen Sinn. "Automobilhersteller wollen Komplettanbieter, die den aktuellen Herausforderungen gewachsen sind."

Der Erlanger IG Metall-Chef Wolfgang Niclas, der Schaeffler seit vielen Jahren kennt, ist überzeugt davon, dass Schaeffler eine Conti-Übernahme stemmen kann: "Das ist keine unabgesicherte und spekulative Strategie. Frau Schaeffler begibt sich bestimmt nicht auf einen Hasardeursritt." Die Herzogenauracher seien auch auf eine harte Auseinandersetzung vorbereitet, glaubt der Gewerkschafter.

Nach dem Kauf der Siemens-Sparte VDO für rund 11,4 Milliarden Euro und dem Niedergang des Aktienkurses galt Conti schon länger an der Börse als günstige Gelegenheit.

Schaeffler hatte 2001 mit der Übernahme des damals im MDax gelisteten Wälzlagerherstellers FAG Kugelfischer Furore gemacht. Gegen den anfänglichen Willen des FAG-Managements setzte Schaeffler die Übernahme in einem fünfwöchigen Machtkampf durch. Damit war erstmals einem privat geführten Unternehmen aus Deutschland eine feindliche Übernahme gelungen. (mas)