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Hooligan-Problem lässt sich nicht eindämmen

Christoph Ricking18. Juni 2016

Randale bei den Spielen, Schlägereien und Schwerverletzte – bei der EM in Frankreich werden Hooligans zum Problem. Ex-Hooligan und Fan-Betreuer Heino Hassler sprach mit der DW über die Szene.

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Hooligan-Randale in Marseille - Foto: Carl Court (Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Court

DW: Bei der Fußball-EM kam es leider schon zu einigen Ausschreitungen von Hooligans aus Kroatien, Russland, Deutschland, England, warum ist die Hooligan-Problematik bei dieser EM offenbar so groß?

Heino Hassler: Das hat oft eine ganz lange Vorgeschichte. Zum Beispiel in Marseille. 1998 war die Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich, da haben die Engländer in Marseille gespielt. Damals kam es zu Konflikten vor allem mit maghrebinischen Migranten in Marseille. Und da hat man auf den Tag für die Revanche gewartet. Als dann die Auslosung kam und das Spiel in Marseille feststand, hat man gesagt: so, denen zeigen wir's jetzt. Sowas wird nicht vergessen. Deshalb sind auch sehr viele Engländer dahin gefahren und deshalb kam es zu diesen Auseinandersetzungen. Natürlich waren auch die einheimischen Fans darauf vorbereitet. Und dann kamen noch die Russen dazu, die sich im Nachhinein als der viel stärkere Gegner für die Engländer erwiesen haben und deshalb gab es da heftigste Ausschreitungen.

Insgesamt muss man sagen, die Engländer sind zwar immer noch bekannt für ihre schlagkräftige Hooligan-Truppe – aber das trifft inzwischen gar nicht mehr so zu, denn die englischen Fans haben sich zu einem ganz, ganz großen Teil geändert, da gibt es nur noch einen kleinen Teil am Rande, der in die Richtung harte Hooligans tendiert.

Es gab schwere Verletzungen, Bilder von Hooligans, die Menschen, die auf dem Boden liegen, gegen den Kopf treten – wird die Szene aggressiver?

Die Szene – da muss man ein bisschen differenzieren. Die Szene in Russland war schon immer sehr aggressiv, man kann sagen in den osteuropäischen Ländern insgesamt. Ich habe die Befürchtung, dass wir auch noch von diesem schwarzgekleideten ungarischen Block mit 500 Mann Einiges zu erwarten haben. Die Qualität der Gewalt ist im Osten eine andere als im Westen.

Heino Hassler - Foto: privat
Heino HasslerBild: privat

Liegt es auch daran, das zum einen Europa offene Grenzen hat, und zum anderen die französischen Sicherheitsbehörden als harmloser gelten als die russischen, die bei der WM 2018 vielleicht nicht so zimperlich sein werden? Auch die Strafen werden in Europa wohl geringer sein als in Russland.

Die offenen Grenzen spielen sicher eine Rolle – wobei: so offen sind die ja eigentlich gar nicht. Wenn ein normaler russischer Bürger nach Frankreich reisen will, ist das nicht so einfach. Aber wenn er als Fußball-Fan mit einem Ticket ausreist, ist das ganz einfach. Da gelten andere Regulierungen. Dann: wenn man die Aussagen eines Vertreters des russischen Fußball-Verbandes hört, „Macht weiter so, klasse“ und er verstehe das gut, dass man auch im Ausland kämpfen müsse, dann muss man sich sehr wundern. Man kann sagen, dass die Strafen nicht so streng sind, aber zum Beispiel die Pariser CRS, die Polizei-Spezialeinheit, die sind nicht zimperlich. In Marseille und anderen Städten höre ich immer so, ist das anders, da sind die nicht so drauf vorbereitet und auch nicht so gut organisiert.

Was sind das für Leute, die sich den Hooligans anschließen?

Das geht quer durch die Gesellschaft. Wir haben vom Arbeitslosen bis zum Rechtsanwalt und Arzt alles dabei. Die Hauptmotivation ist für viele, sie wollen eine hohe Aufmerksamkeit, die sie ja auch bekommen. Wenn die irgendwo ankommen, dann gibt es ein gigantisches Polizeitaufgebot mit Hubschrauber noch oben drüber. Und für viele ist das ein Abenteuer-Spielplatz: man weiß nicht: wo ist der Gegner, wie reagiert die Polizei, was wird passieren, wie gefährlich sind die anderen?

Hooligena-Ausschreitungen in Lille - Foto: Edouard Bride (La voix du nord)
Auf dem "Abenteuerspielplatz": Hooligans in LilleBild: picture-alliance/Maxppp/E. Bride/La voix du nord

Das sind alles Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Und wenn es dann zu einer Konfrontation kommt, erlebt man sicher auch so etwas wie einen Adrenalin-Schub und eine Dynamik, die bei Einigen Glückshormone freisetzt. Viele wollen auch ihre Stadt, ihr Land repräsentieren. Und bei den Russen ist es so, dass sie in den letzten Jahren den Eindruck haben, dass sie nicht mehr so ganz ernst genommen werden in der Welt, sage ich mal vorsichtig, und wollen auf diese Weise zeigen, wir sind immer noch eine Großmacht.

Was hat die französische Polizei jetzt falsch gemacht bei den Spielen, das das so schief gelaufen ist?

Es ist so: in den jeweiligen Ländern gibt es sogenannte Szene-Kontaktbeamte, Polizisten, die die Szene im Auge haben, die die Leute kennen, die wissen, wer ist wer. Es sind natürlich auch englische Polizisten vor Ort, aber für die französische Polizei ist es sehr schwer, die kennen die Leute nicht, können die nicht identifizieren. Das gibt es ja auch im normalen Liga-Alltag so nicht, denn da fahren die Fan-Gruppen los, werden beobachtet, kommen an, werden beobachtet, es wird ihnen der Weg vorgegeben bis ins Stadion und zurück. Das ist ja hier alles nicht der Fall, denn man will natürlich auch, dass sich die Fans in dem Land bei der EM frei bewegen können.

Mit Blick auf zukünftige Turniere, wie lässt sich das Problem mit den Hooligans eindämmen?

Aus meiner Sicht nicht – es lässt sich nicht eindämmen. Es wird schon viel gemacht, also in Deutschland und England gibt es zum Beispiel Ausreise-Verbote und Meldeauflagen für bekannte Hooligans. Da sagen jetzt manche zum Beispiel in England: unsere harten Hooligans durften nicht ausreisen, die normalen Fans aber schon und die wurden dann von den russischen Hooligans verprügelt. Das wird dann als „ungerecht“ empfunden. Aber diese ganzen Auflagen gibt es schon.

Heino Hassler war vor Jahren selbst ein Hooligan. Heute arbeitet er als pädagogischer Mitarbeiter im Fanprojekt des 1. FC Nürnberg.

Das Gespräch führte Christoph Ricking.