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Bestechung im Gesundheitswesen

Günther Birkenstock24. Mai 2012

Jede vierte Klinik in Deutschland zahlt angeblich Ärzten Prämien für die Überweisung von Patienten, so eine Studie. Das Grundproblem ist längst bekannt. Klare Regeln könnten die Korruption verhindern.

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Symbolbild Korruption: Ein Arzt hält ein Stethoskop sowie etliche 100-Euro-Scheine in der Hand. Gestellte Aufnahme (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Studie offenbart einen Skandal, ihre Ergebnisse sind aber im Grunde nicht neu. Pünktlich zum Start des Deutschen Ärztetages am 22. Mai 2012 hatte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, GKV, eine Untersuchung veröffentlicht, die zeigt, dass es in Deutschland ein System gibt, in dem Ärzte Prämien kassieren, wenn sie Patienten an bestimmte Krankenhäuser überweisen. "Zuweisungen gegen Entgelt sind in Deutschland gängige Praxis", so der Vorstand des GKV, Gernot Kiefer. Jede vierte Klinik bezahlt solche Prämien, jeder fünfte Arzt hält das für in Ordnung.

Es folgten ein großer Aufschrei von Politikern und Dementis von Ärztevertretern. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sprach von "Mafia-Verhältnissen, die einen Riesenschaden verursachen, vor allem für Patienten" und forderte Gesundheitsminister Daniel Bahr zum Handeln auf. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery hielt den Kritikern entgegen, die Studie sei unglaubwürdig und warf den Autoren Stimmungsmache gegen Mediziner vor.

Bestechung ist keine Ausnahme

Im Auftrag der GKV durchgeführt hatte die Untersuchung der Wissenschaftler Kai Bussmann vom Economy & Research Center der Universität Halle-Wittenberg. Grundlage waren Befragungen des Instituts Emnid von mehr als 1000 niedergelassenen Fachärzten, leitenden Angestellten stationärer Einrichtungen und sogenannten Leistungserbringern: Apotheken, Verkäufern von Sanitärprodukten oder Orthopädieschuhmachern. Diese anerkannten Forschungsinstitute sicherten die Unabhängigkeit der Studie und den repräsentativen Charakter der Ergebnisse, betonte GKV-Sprecher Florian Lanz im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Vorwürfe und Gerüchte gab es viele. Wir wollten Licht in das Dunkel bringen und fragen: Sind das nur Einzelfälle oder ist es ein grundsätzliches Problem?" Die Antwort ist eindeutig: Korruption ist ein grundsätzliches Problem, auch wenn die Mehrzahl der Mediziner sich korrekt verhalte, so Lanz. Einigen Ärzten fehle es schlicht an Unrechtsbewusstsein.

Leere Betten stehen in einem Zimmer in der chirurgischen Klinik in Heidelberg (Foto: picture-alliance/dpa)
Leere Betten bedeuten schlechte GeschäfteBild: picture-alliance/dpa

Einen ähnlichen Skandal hatte es bereits 2009 gegeben. Auch hier ging es darum, dass Kliniken Prämien dafür bezahlt haben sollten, dass Ärzte ihnen Patienten überweisen. Schon damals hatte man überlegt, eine "Delinquentenliste" zu erstellen, um die korrupten Ärzte und Klinikbetreiber an den Pranger zu stellen. Die damaligePatientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel von der SPD, warf den Ärzten "kriminelle Machenschaften" vor. Sogenannte Clearingstellen wurden eingerichtet, die helfen sollten, Korruptionsfälle zu vermeiden.

Zweierlei Maß schadet

Doch der Fall verschwand aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Warum, kann GKV-Sprecher Lanz sich nicht erklären. Eine klare Regelung sei notwendig, um derartige Bestechungen zu unterbinden: "Die Frage der Korruption ist ja eine juristische Frage: Wir haben im Gesundheitswesen die Besonderheit, dass ein niedergelassener Arzt im rechtlichen Sinne nicht "bestechlich" ist. Wenn jedoch ein angestellter Arzt Honorar kassiert für eine Überweisung, dann ist das strafbar." Dem liegt zugrunde, dass selbständige Ärzte als Freiberufler Geld für Leistungen nehmen dürfen, auch wenn sie medizinisch nicht notwendig sind. Zweierlei juristisches Maß also für dieselbe Sache.

Eine Patientin geht durch einen Krankenhaus-Flur (Foto: picture-alliance/dpa)
Patienten sind ein WirtschaftsfaktorBild: picture-alliance/dpa

Besseres Management verhindert Betrug

Für den Magdeburger Medizinökonom Peter Rudolph liegt die Korruption zum Teil auch im Gesundheitssystem selbst begründet. Ein Markt mit enormen 280 Milliarden Euro Umsatz, so Rudolph, locke Begehrlichkeiten. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er: "Im Gesundheitswesen gibt es seit einiger Zeit Bestrebungen, marktwirtschaftliche Elemente in ein nicht-marktwirtschaftliches System einzuführen. Das führt dazu, dass zwischen den Medizinern, den Leistungserbringern generell, den Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen zunehmend Wettbewerb besteht." Dadurch entstünden Spannungsfelder. Der Fall der sogenannten Fangprämien sei eine der Auswirkungen. Von einem ausgefeilten Management im Gesundheitssektor sei man in Deutschland noch weit entfernt. Das aber sei nötig, um rentabel zu wirtschaften. Anders gesagt: Niedergelassene Ärzte könnten durch bessere Organisation ihrer Praxis ihren Gewinn deutlich steigern. So seien sie dann auch weniger empfänglich für die verlockenden Klinikgelder.

Blick auf eine Operation (Foto: picture-alliance/dpa)
Besseres Management nützt Patienten und ÄrztenBild: picture-alliance/dpa

Gesichert ist dieser Effekt natürlich nicht. Mehr Verdienst hat bisher selten dazu geführt, nicht noch mehr haben zu wollen. Und auch heute schon gehören, anders als viele schlecht bezahlte Klinikärzte, etliche niedergelassene Mediziner zu den Spitzenverdienern. "160.000 Euro ist das durchschnittliche Einkommen eines Arztes mit eigener Praxis", so GKV-Sprecher Lanz.