1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Die Kunstwerke gehören dem Iran und den Iranern"

16. Januar 2017

Die persische Ex-Kaiserin baute eine grandiose Sammlung zeitgenössischer Kunst auf. Teile sollten jetzt in Berlin gezeigt werden, doch das Projekt scheiterte. Im Interview spricht sie über Kunst, ihr Exil und den Iran.

https://p.dw.com/p/2Vpne
Frankreich Interview mit Farah Diba Pahlavi
Farah Diba Pahlavi im Gespräch mit DW-Reporterin Yalda Zarbakch in ParisBild: DW/H. Kermani

Deutsche Welle: Auf Ihre Initiative hin wurde 1977 das Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst gegründet. Wenn man sich jetzt hier in Ihrer Wohnung umschaut, sieht man überall Kunstwerke. Sammeln Sie noch?

Farah Diba Pahlavi: Ich liebe Kunst und ich kaufe vor allem von jungen iranischen Künstlern, die mich hier besuchen kommen. Ich bewundere nicht nur ihre Werke, ihre Skulpturen und die Gemälde. Gleichzeitig fühlt es sich so an, als sei ich von Menschen umgeben, die ich liebe, von Freunden. So fühle ich mich nicht allein. Ich würde nicht sagen, dass ich Kunst sammle, aber wenn ich in Paris, New York oder London Kunstausstellungen und Galerien besuche und dort Werke sehe, die mir gefallen - ja, dann kaufe ich etwas. 

Kunst ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Es muss Künstler geben, damit sie ihre Botschaften in die Welt senden. Künstler sind unsterblich. Man vergisst vielleicht irgendwann die Namen von Führern, Königen oder Präsidenten, aber niemals die von Musikern, Sängern und Künstlern.

Der Iran ist eine der ältesten Zivilisationen der Welt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dort ein Museum für Moderne Kunst zu errichten?
Der Iran ist ein Land mit einer großartigen Kultur und Zivilisation. Ich bin stolz auf unsere Vergangenheit und unser kulturelles Erbe. Doch als ich meinen Mann, den Shah von Persien, heiratete und Kaiserin wurde, wollte ich auch die zeitgenössischen iranischen Künstler unterstützen. Als dann in den 1970er Jahren der Ölpreis anstieg und wir etwas reicher wurden, dachte ich, dass es schön wäre, einige Museen aufzubauen und damit kulturelle Arbeit zu leisten - neben dem, was das Kulturministerium ohnehin schon tat. Ich erinnere mich, wie ich einmal eine Kunstausstellung besuchte und Iran Darroudi, eine bekannte iranische Künstlerin, auf mich zukam und sagte: "Ich wünschte, wir hätten einen Ort, an dem wir unsere Werke dauerhaft ausstellen könnten." Und da entstand eigentlich die Idee, ein Museum für zeitgenössische iranische Künstler zu errichten. Und ich dachte mir dann: Warum sollen wir nicht auch internationale westliche Kunst ausstellen? Immerhin hat der Rest der Welt unsere Kunstwerke in ihren Museen, warum also nicht umgekehrt? Und klar, dass wir das Geld nicht hatten, alte westliche oder östliche Kunst zu kaufen, aber eben zeitgenössische.

Schah Reza Pahlavi und Farah Diba bei ihrer Hochzeit 1959 in Teheran
1959: Hochzeit von Farah Diba mit Schah Reza PahlaviBild: picture-alliance/dpa

Stichwort "leisten können" - wer hat diese Werke bezahlt? Gab es einen staatlichen Etat für Moderne Kunst?

Die Regierung und die staatlichen Ölunternehmen haben sie bezahlt. 

Es gab damals, so wie auch heute noch, viel Kritik seitens der iranischen Bevölkerung, dass die Öleinnahmen in wichtigere Dinge hätten investiert werden sollen. Was sagen Sie dazu?

Der Iran hat sich in vielen Bereichen entwickelt zu der Zeit. Menschen, die etwas kritisieren wollen, finden immer etwas. Das ist ein kulturelles und materielles Erbe, das dem Iran und dem iranischen Volk gehört. Der Wert ist enorm gestiegen - verglichen mit dem damaligen Preis.

Zu dieser Zeit gab es keine Kritik und die meisten Menschen waren zufrieden. Das Budget für das Museum war unerheblich im Vergleich zu anderen Entwicklungsprogrammen.

Farah Diba Pahlavi und Salvador Dali im Jahre 1969
1969: Farah Diba Pahlavi und Salvador Dali Bild: picture-alliance/United Archives

Aber im selben Jahr, als Sie relativ prunkvoll das Museum für Zeitgenössische Kunst eröffneten, begannen parallel die Demonstrationen gegen den Schah. Die Bevölkerung trug ihren Protest auf die Straße, aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus. Sozialisten, Studenten und linke Strömungen protestierten gegen soziale Ungleichheit und Folter von politischen Gefangenen unter dem Schah-Regime. Sie wollten politische und geistige Freiheit und ein Mehrparteiensystem. Gleichzeitig zogen islamische Gruppierungen durch die Straßen gegen die in ihren Augen "Verwestlichung" des Landes. Wie waren diese Entwicklungen vereinbar mit teuren Investitionen in westliche Kunst, Kultur und prunkvollen Luxus, den Sie verkörperten?

Ach i wo, Luxus! Welcher Luxus? Wir lebten zu der Zeit im Niavaran-Palast. Dieser war im Grunde nichts weiter als ein modernes Gebäude. Das war alles nur Propaganda, um die Menschen gegen uns aufzuhetzen und es hat funktioniert! Ich sage nicht, dass wir keine Fehler gemacht hätten. Aber die Fundamentalisten haben sowohl die Religion missbraucht als auch die Menschen, um an die Macht zu kommen. Und der andere Teil, der gegen uns war, das waren alles linke Bewegungen. So ging alles Hand in Hand und auch der Westen hat zu unserer Entmachtung beigetragen. Es gibt immer mehr Dokumente, die belegen, dass sie den Iran destabilisieren wollten.

Mit der Revolution kam 1979 der endgültige Wendepunkt: Der Schah wurde gestürzt, Sie mussten ins Exil fliehen. Und die Kunstsammlung wurde weggesperrt in die Katakomben des Museums - wo sie bis heute zum größten Teil unter Verschluss gehalten wird, da westliche Kunst als "unislamisch" gilt. Haben Sie das kommen sehen?

Nein, ich habe nie geglaubt, dass es so weit kommen würde. Auch nicht, was die Kunstsammlung betrifft. Sie sollte ein Geschenk an die iranische Bevölkerung sein, damit sie stolz sein kann, so wunderschöne Künste und Museen zu besitzen. Die Kunstwerke werden in einem Tresorraum aufbewahrt. Ein einziges Mal wurden 2005 einige von ihnen in Teheran gezeigt und es wurde ein Ausstellungskatalog gedruckt.

Sie haben eben erwähnt, dass Sie die Werke damals zu relativ niedrigen Preise erworben haben. Heute ist die Sammlung überaus wertvoll: Ihr Wert wird auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. Ist denn sichergestellt, dass sie auch dementsprechend gepflegt und geschützt wird?

Ich hoffe es sehr. Und soweit es mir bekannt ist, war das bislang auch der Fall. Ich war anfangs sehr besorgt, dass sie den Gemälden während der Revolution etwas antun oder sie zerstören würden. Aber glücklicherweise ist die Sammlung noch relativ vollständig - bis auf ein Porträt von mir von Andy Warhol, das im Foyer des Museums stand. Das wurde komplett zerstört und auch einige Skulpturen des Bildhauers Bahman Mohasses. Aber alles andere ist noch da. Immerhin - nach so langer Zeit. Es hat in der Zeit nur einen Austausch gegeben. Der Rest ist da, wenn auch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die ehemalige iranische Kaiserin Farah Diba Pahlavi
1977: Farah Diba Pahlavi und Andy Warhol vor den Portraits, die der Künstler von ihr machteBild: privat

Jetzt sollten zum allerersten Mal nach 37 JahrenTeile dieser Sammlung das Land verlassen und in Berlin ausgestellt werden. Welche Erwartungen hatten Sie persönlich an das Ausstellungsprojekt?

Ich fand es großartig, dass die Kunstwerke endlich ausgestellt und einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden sollten. Vor allem ja auch, weil es nicht nur um die westlichen Künstler ging. Die Hälfte der Ausstellung sollte Werke von zeitgenössischen iranischen Künstlern beinhalten. Und es wäre sehr schön und interessant gewesen, wenn die Menschen hier diese Kunst sehen hätten könnten.

Es wird viel darüber spekuliert, warum die Ausstellung nun vorerst abgesagt wurde und warum der Iran noch immer keine Ausfuhrgenehmigung für die Kunstwerke erteilt hat. Eines der Gerüchte ist, dass man befürchte, Sie könnten rechtlich Besitzansprüche erheben, sobald die Werke das Land verlassen.

Das ist lächerlich. Als ich das Museum bauen ließ, war das für den Iran und für die iranische Bevölkerung. Und wenn die Sammlung in Deutschland gezeigt wird, dann hoffe ich, dass die deutschen Institutionen sich darum kümmern, dass die Werke heil zurück in den Iran gehen. Und nebenbei: Genauso ist es schon vor ein paar Jahren mit einem Gemälde von Max Ernst aus der Kollektion des Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst geschehen: Es wurde im Centre Pompidou ausgestellt. Ich habe die Ausstellung auch besucht. 

Haben Sie Hoffnung, dass die Kunstsammlung doch noch in naher Zukunft im Ausland ausgestellt werden kann - wo auch immer?

Ja, vielleicht. Aber da können wir nur abwarten, was passiert. Aber meine persönliche Hoffnung ist eher, dass der Iran eines Tages ein freies Land ist. Dass er nicht zerrissen wird, sondern eins bleibt. Ein richtiges Land, das die Iraner verdient haben nach all den Jahren. Ein Land, das Frauenrechte und Menschenrechte achtet, und in dem vor allem die junge Generation nach so viel Leid und Unterdrückung ein besseres Leben führen kann. Vor allem die Frauen. Ich glaube fest an die iranischen Frauen. Sie sind so unfassbar mutig und stark. Trotz aller Rückschläge in den letzten 30 Jahren erkämpfen sie sich immer wieder ihren Weg. Ich bin sicher, dass sie einen großen Beitrag dazu leisten werden, die iranische Gesellschaft zu verändern. 

 Farah Diba Pahlavi schaut aus ihrem Fenster in Paris (Foto: DW/H.Kermani)
2017: Farah Diba Pahlavi in ihrer Wohnung in Paris Bild: DW/H.Kermani

Wenn Sie heute zurückblicken, wie schauen Sie auf Ihr erzwungenes Exil?

Es gibt einen iranischen Dichter, der gesagt hat: "Dieses Haus ist wunderschön, aber es ist nicht mein Haus." Natürlich ist es schwierig und schmerzhaft, fern von den eigenen Landsleuten und dem eigenen Land, der Heimat, zu sein. Und das, obwohl ich in Frankreich und den USA, also Ländern, die sehr offen und wunderschön sind, lebe. Aber sie sind nicht mein Land. Und wenn ich dann noch andauernd verfolge, wie sich meine Heimat entwickelt, wie es den Menschen dort ergeht. Das ist schon bitter und sehr schwer.

Farah Diba Pahlavi (78) ist die Witwe des letzten Schahs des Iran. Sie studierte in den 50er Jahren Architektur in Paris, wo sie den Shah, Mohammad Reza Pahlavi, kennen lernte und 1959 in Teheran heiratete. 20 Jahre lang regierte sie an seiner Seite bis zum Sturz des Shahs im Zuge der Islamischen Revolution 1979. Die damalige persische Kaiserin flüchtete mit ihrer Familie ins Exil und lebt seitdem im Ausland, wo ihr Mann 1980 starb. Während der Herrschaft ihres Mannes übernahm sie die Schirmherrschaft zahlreicher Stiftungen. Auf ihr Bestreben wurde das Tehran Museum of Contemporary Art (TMoCA) gegründet. Die Sammlung, die unter Farah Diba Pahlavi zusammengetragen wurde, gilt als eine der weltweit wertvollsten Kollektionen westlicher Kunst und umfasst Werke von Andy Warhol, Pablo Picasso, Mark Rothko und Francis Bacon. Farah Diba Pahlavi lebt heute abwechselnd in Frankreich und den USA.

Das Interview führte Yalda Zarbakhch.