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Fast jeder Siebte von Armut bedroht

20. Dezember 2012

Die Spaltung zwischen Arm und Reich in Deutschland vertieft sich. Zu diesem Ergebnis kommt der Paritätische Gesamtverband und fordert ein milliardenschweres Sofortprogramm zur Armutsbekämpfung.

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ARCHIV - Ein Teller Linsensuppe wird am 05.01.2010 an die Gäste der Suppenküche des Diakonischen Werks in Hannover ausgegeben. In Deutschlands Großstädten wächst die Armut. Dies ist das Fazit einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. In Leipzig, Dortmund, Duisburg, Hannover, Bremen und Berlin leben demnach inzwischen bis zu einem Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es gebe derzeit "Armut auf Rekordniveau", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, bei der Vorstellung des dritten Berichts zur regionalen Armutsentwicklung in Deutschland. Demnach kletterte die sogenannte Armutsgefährdungsquote im vergangenen Jahr auf 15,1 Prozent und damit auf den absoluten Höchststand seit der Wiedervereinigung. Als armutsgefährdet gilt danach, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens hat, das waren 2011 für einen Alleinstehenden 848 Euro im Monat.

Im bundesweiten Vergleich sind Bayern und Baden-Württemberg am besten dran. Im Mittelfeld bewegen sich neun Länder, Schlusslicht ist der Stadtstaat Bremen mit einer Armutsquote von 22,3 Prozent, knapp davor Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Als einziges Bundesland habe Thüringen noch eine sinkende Armutsquote zu verzeichnen, die aber mit 16,7 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Wohlfahrtsverband: Deutschland dreigeteilt

Die Spaltung verläuft der Studie zufolge nicht mehr zwischen Ost und West, sondern zwischen den wirtschaftsstarken Ländern im Süden, einem ost-west-gemischten Mittelfeld und den fast abgehängten Ländern und Stadtstaaten.

Als Ursachen für die Entwicklung nannte Schneider einerseits die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen. Zu einem Großteil sei dieses Problem durch die Hartz-IV-Gesetzgebung aber auch politisch hausgemacht, sagte der Verbandschef. Außerdem sei mit den Sparbeschlüssen von 2010 sehr viel im Sozialbereich abgebaut worden, etwa die öffentlich geförderte Beschäftigung.

Zur Armutsbekämpfung forderte Schneider ein sechs Punkte umfassendes Sofortprogramm. Dies beinhaltet die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, eine Mindestrente, ein Mindestarbeitslosengeld I, eine spürbare Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze auf 420 Euro, einen Ausbau der öffentlich geförderten Beschäftigung sowie eine Reform des Wohngeldgesetzes.

"Wir wissen, das kostet Geld. Das kostet sogar sehr viel Geld", sagte Schneider, der eine Summe zwischen zehn und 20 Milliarden Euro aufrief. Finanziert werden solle dies durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie die Erhöhung der Erbschaftssteuer.

Ulrich Schneider, aufgenommen am 07.10.2010 auf der 62. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main. (Foto:dpa)
Verbandschef Schneider: "Es gibt derzeit Armut auf Rekordniveau"Bild: picture-alliance/dpa

Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Er ist Dachverband von über 10.000 eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich.

GD/wl (kna, dapd, epd, dpa)