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Fastenaktion 7 Wochen ohne

Klaus Krämer26. Februar 2014

Seit gut 30 Jahren verzeichnet die evangelische Fastenaktion "7 Wochen ohne" eine stetig steigende Resonanz. Ihr Anliegen scheint jeweils den Nerv derer zu treffen, die Orientierung für ihr Leben suchen.

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7 Wochen ohne, Fastenkalender 2014
Bild: DW/K. Krämer

Erstaunlich ist das schon: Rund drei Millionen Menschen in Deutschland klinken sich jedes Jahr von Aschermittwoch bis Karsamstag aus bestimmten Alltagsabläufen aus - sie gehen damit mehr oder weniger bewusst auf Distanz zu dem, was Werbeindustrie und Lifestyle-Gurus für gewöhnlich in ihren Konsumpredigten anpreisen: Gönn dir doch mal was – man gönnt sich ja sonst nichts.

Diese drei Millionen genehmigen sich Alternativen innerhalb der Fastenaktion "7 Wochen ohne". Seit dem Auftakt im Jahr 1983 hat die zunehmenden Erfolg – auch bei Zeitgenossen, die keinen direkten Draht zu Kirche und Glaubensdingen haben. "Die Teilnehmer kommen aus allen Schichten der Bevölkerung und aus allen Altersgruppe", sagt Geschäftsführer Arnd Brummer im DW-Interview. Und weil der Vorbereitungskreis in den letzten Jahren die jeweiligen Mottos zugespitzt habe, sei die Teilnehmerschaft deutlich jünger geworden.

Abhängigkeiten entdecken

Das klassische Fasten hat in diesem Rahmen durchaus noch seinen Platz. Der Verzicht auf bestimmte Speisen, TV-Konsum, übermäßig viel Sex oder Genussmittel sind für zahlreiche Teilnehmer eine konkrete Herausforderung an die eigene Standhaftigkeit, um die Selbstdisziplin zu stärken. In der Regel wird dem Fastenden erst durch einen Verzicht auf bestimmte Genussmittel wie Alkohol oder Tabak bewusst, dass er bereits in eine Suchtfalle getappt ist.

Flash-Galerie TV Schäden
Zuviel Medienkosum kann Jugendlichen schadenBild: Fotolia/Marcito

"Zu schauen, was gibt es denn in meinem Leben für kleine Süchte, für Dinge, wo es sich mal lohnt drüber nachzudenken, um freier zu werden – das ist für mich ein Ansatz, der mich jedes Jahr herausfordert", sagt Christiane Birgden im DW-Interview. Die Pfarrerin der Martin-Luther-King-Kirche in Hürth bei Köln hat gemeinsam mit ihren Konfirmanden zahlreiche Suchtquellen und Zeitfallen ausgemacht: Handy-Gebrauch, Social Media, Computerspiele, Fernseh-Konsum. "Einer der Jungs sagte: 'Ich muss immer erreichbar sein.' Den Terror dieser ständige Erreichbarkeit mal infrage zu stellen, das muss sein." Für die Pfarrerin gehört das zum Fasten dazu.

Den Verstand aktivieren

"Selber denken!" - dieses Motto steht diesmal über den 46 Tagen. "Selber denken, das ist sehr protestantisch. Ich und mein Gott unmittelbar, mein Gewissen vor Gott, das finden wir klasse. Dazu gibt es dann noch den zweiten Satz: 'Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten' ", sagt die Pfarrerin, aus deren Kirche der Fernsehgottesdienst zum bundesweiten Auftakt der Fastenaktion gesendet wird. Zu falschen Gewissheiten gehöre möglicherweise vieles von dem, was ein Mensch im Laufe seines Lebens gehört, gelesen oder gesagt bekommen habe. Dinge, die sich ungeprüft im Kopf festgesetzt hätten.

Pfarrerin Christiane Birgden aus Hürth
Pfarrerin Christiane Birgden in ihrem StudierzimmerBild: privat

Und Geschäftsführer Arnd Brumme fügt hinzu, man wolle mit diesem Motto einen Anstoß dazu geben, nicht einfach Ratgebern und Weisheitsverkündern hinterherzulaufen. "Wir haben im 20. Jahrhundert ja einige Verkünder nationalsozialistischer oder realsozialistische Art gehabt, die uns das Paradies gezeigt haben, was dann in Massenmorden endete." Wenn die Menschen von ihrer individuellen Kompetenz Gebrauch machen, dann sei die Gefahr weniger groß, dass man totalitären ideologen hinterherlaufe. Es gelte, den gesunden Menschenverstand zu aktivieren.

Kalender als "Navi"

Natürlich ist es das Anliegen dieser evangelischen Fastenaktion, auch spirituellen Input zu vermitteln. Beim Strukturieren von Themen und Gedanken soll ein eigens konzipierter Kalender Navigationshilfe sein. Arnd Brummer ist es wichtig, "die Figur Jesus von Nazareth neu präsentieren zu können", der vielfach als Gottessohn mit erhobenem Zeigefinger präsentiert werde. "Viele Menschen wissen heute nicht, dass Jesus keineswegs abgehoben war, sondern dass der sich mit den Sündern an einen Tisch gesetzt hat." Deshalb solle mit Hilfe des Fastenkalenders "die Person Jesus Christus den Menschen des 21. Jahrhunderts näher gebracht werden". Zudem gebe es Texte und Standpunkte anderer Menschen, die seit 2000 Jahren in der 'Gott und Sohn GmbH' unterwegs waren, wie Paulus oder Franz von Assisi, die es sich erlaubt haben, selber zu denken.

Sieben Schritte hin zu neuen Perspektiven

Jede der sieben Wochen in der Fastenzeit hat noch mal ein Untermotto, etwa "Selber suchen", "Selber reden", "Selber handeln", "Sich selber prüfen" oder "Selber leuchten". An deren Ende solle nicht stehen, "dass wir uns vor Gott kasteien", sagt Pfarrerin Birgden", davon habe Gott überhaupt nichts. Damit könne ein Mensch bei Gott keine Pluspunkte sammeln. "Aber es ist eine Möglichkeit, mehr der Mensch zu werden, als den Gott mich angelegt hat, um dadurch glücklicher zu werden.

Arnd Brummer evangelische Kirche
Arnd BrummerBild: Arnd Brummer
7 Wochen ohne, Fastenkalender 2014
Anregend bis aufregend - der FastenkalenderBild: DW/K. Krämer

Die Zitate und Texte des Kalender sind zuerst zur persönlichen Reflexion bestimmt. Gleichzeitig können sie Diskussionspunkte werden, wenn Teilnehmer sie etwa in Gemeindegruppen oder im Internet diskutieren, so Geschäftsführer Brummer. Miteinander Nachdenken, miteinander reden und streiten – das sei der Idealfall für die Fastenaktion "7 Wochen ohne".