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Faustschlag der Verzweifelten

Rafael Heiling24. Juni 2003

Computer sind sooo gemein! Erst rechnen sie minutenlang herum, dann setzen sie einem eine Fehlermeldung vor, die man nicht versteht. Die Nutzer rächen sich mit Tritten und Schlägen: Nimm dies, Du dummes Ding!

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Mensch gegen MaschineBild: AP

Wenn der Computer mal wieder abstürzt, setzt auch im menschlichen Gehirn der schwere Ausnahmezustand ein. Es muss ja nicht gleich immer so enden wie in Colorado, wo im März ein Barbesitzer seinen widerspenstigen Rechner mit der Flinte erlegte. Aber dass frustrierte Menschen ihrem Computer mal eins aufs Gehäuse hauen, dafür haben Psychologen durchaus Verständnis.

Im Frust hört das Denken auf

"Da wird nicht mehr bewusst geplant, sondern es laufen einfache Verhaltensschemata ab", erklärt Kai-Christoph Hamborg von der Universität Osnabrück. Man denkt nicht mehr nach, was denn das Problem sein könnte – "wenn man etwas eintippen will und es geht nicht", sagt Robert Baggen, Softwareprüfer beim vom TÜV-Informationstechnik. "Dann hackt man eben noch fester – obwohl es gar nichts bringt."

Also zickt der Computer weiter. Und dann hat man den Technik-Blues. "Denn wenn Sie von Ihrem Ziel abgebracht werden, reagieren Sie frustriert", erklärt Baggen. Auch, weil man selber nichts tun kann, um die Sache zu beschleunigen, wie Bernad Batinic von der Universität Erlangen-Nürnberg sagt: "Das ist wie im Stau. Wenn die Leute ihren Handlungsspielraum verlieren, führt das generell zu Wutausbrüchen." Genauso, wenn das Ding etwas anderes macht als geplant. Das verstößt gegen die "Erwartungskonformität", erklärt Batinic. Was heißt: "Wenn etwas Unerwartetes passiert, ist das ganz schlecht." Dann verliert der Mensch die Kontrolle, und das mag er gar nicht.

Computer sind auch nur Menschen

Das Schlechte am Computer ist, dass er so gut ist. "Diese Maschinen bieten zu viele Freiheiten", findet Baggen. Auch Freiheiten, Fehler zu machen; zumal viele den PC überhaupt nicht verstehen. Das führt zu zweierlei: "Da gibt es die Idee, dass der Computer eine interaktive Maschine ist, mit der wir uns unterhalten können", erklärt Batinic – er soll nicht nur auf Tasten reagieren, sondern auch auf wüste Flüche. Wie Menschen – die versteht man wenigstens.

Zum andern tun PC-Besitzer bei Abstürzen alles Mögliche, ob es Sinn macht oder nicht. Der erste Faustschlag trifft immer die Tastatur oder den Monitor – die direkten Verbindungen zum Gerät und die vermeintlichen Verursacher, obwohl die für die Fehler gar nichts können.

Der Nutzer irrt, der Rechner muss büßen

Denn oft genug irrt der Nutzer selbst und erlebt dann, was Batnic eine "kognitive Täuschung" nennt: "Man denkt sich: 'Ich hab doch alles gemacht wie immer'" – hat man aber nicht. Bloß bemerkt man eigene Fehler nicht. Und wenn doch, dann bekommt der Computer die Schuld.

Psychologen haben die PC-Prügler schon in mehreren Studien untersucht. Noch nicht erwiesen sei allerdings, ob Männer häufiger zuschlagen als Frauen, sagt Hamborg. "Ich würde nur vermuten, dass es Experten weniger tun, weil die oft wissen, wo das Problem liegt."

Brüllen ist billiger

Wer den "unbekannten Anwendungsfehler 0E-36" gerne mit einem rechten Schwinger gegen den Bildschirm beantwortet, muss sich aber keine Sorgen um seine seelische Gesundheit machen. "Ich würde von so etwas nicht auf die Persönlichkeit schließen", betont Hamborg. Batinic kennt "sogar Theorien, die sagen, das ist positiv – Sie bauen damit Aggressionen ab". Es sei denn, man hat durch einen gezielten Tritt gerade die Festplatte vernichtet. Deshalb rät Batinic: "Machen Sie Ersatzhandlungen. Brüllen Sie!"