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Fed sorgt für "historischen Moment"

16. Dezember 2015

Die US-Notenbank Fed hat die Zinswende gewagt und mit ihrer ersten Leitzins-Erhöhung seit vielen Jahren das Kapitel "Finanzkrise" zugeschlagen. Die US-Notenbanker versprechen, weiterhin vorsichtig zu sein.

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USA, Washington, Eccles Building
Bild: DW/A. Passenheim

Die US-Notenbank Federal Reserve erhöht nach sieben Jahren extrem billigen Geldes erstmals wieder ihre Leitzinsen. Die kurzfristigen Zinsen steigen um zunächst 0,25 Prozentpunkte auf ein Niveau zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Dies teilte der Offenmarkt-Ausschuss der Fed nach seiner Dezember-Sitzung am Mittwoch in Washington mit.

Der Leitzins ist der Satz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld leihen können. Dies schlägt sich in den Zinsen nieder, die Unternehmen und Verbraucher für ihre Kredite zahlen müssen.

Für die Zentralbank ist der Leitzins ein Instrument, um die Entwicklung von Konjunktur und Preisen in einer Volkswirtschaft zu beeinflussen. Liegt die Wirtschaft am Boden, können die Zentralbanker über billiges Geld das Wachstum anschieben. Wenn die Konjunktur heiß läuft, können sie einer drohenden Inflation mit höheren Zinssätzen entgegenwirken.

Das billige Geld ist eine Folge der Krise

Zuletzt hatte es 2006 eine Erhöhung der Leitzinsen in den USA gegeben. Danach senkte die Notenbank den Zins schrittweise bis auf nahe Null, um den Folgen der Finanzkrise zu begegnen. Sie beließ ihn lange dort. Nach einer Erholung der US-Wirtschaft und der Vorlage stabiler Daten vom Arbeitsmarkt sah die Fed den Moment für eine Wende hin zu einer Normalisierung ihrer Geldpolitik gekommen.

Die Entscheidung war in aller Welt mit Spannung erwartet worden. Die Zinspolitik der USA hat weitreichende Bedeutung. Sie beeinflusst den Kurs des Dollars. In der US-Währung werden viele internationale Geschäfte abgewickelt. Zahlreiche Rohstoffpreise werden in Dollar errechnet, Finanzanlagen in Dollar gehalten.

Dank der stabilen US-Marktdaten

Der Offenmarktausschuss sei zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Situation auf dem US-Arbeitsmarkt dieses Jahr noch einmal erheblich verbessert habe, hieß es in einer Mitteilung der Notenbank. Die Arbeitslosenquote ist von über zehn Prozent inmitten der Finanzkrise auf zuletzt fünf Prozent gesunken, im November kamen über 200.000 neue Stellen hinzu.

Arbeiter in einer US-Fabrik (Foto: Landov pixel)
Der Arbeitsmarkt in den USA hat sich erholtBild: picture alliance/landov

Der Ausschuss sei auch überzeugt, dass sich die Inflation - derzeit durch niedrige Energie- und Lebensmittelpreise gedrückt - wieder der Zielmarke von zwei Prozent annähere.

Für die Geldpolitik in Europa werden von der US-Entscheidung keine unmittelbaren Konsequenzen erwartet. "Die Straffung der US-Leitzinsen markiert sicher einen historischen Wendepunkt, das allgemeine Zinsniveau wird sich dadurch aber kaum ändern", sagte der Chefvolkswirt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener, nach der Bekanntgabe des Fed-Beschlusses. "Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren."

Gute Nachricht für Europas Exporteure

Auch wenn die Währungshüter die geldpolitischen Zügel nur sanft angezogen haben, hat das an den internationalen Finanzmärkten große Effekte. In Europa etwa dürfte die Gemeinschaftswährung tendenziell weiter abwerten, da in der Euro-Zone der Nullzins noch für längere Zeit festgeschrieben ist.

Hiervon profitieren die Exporteure aus der Euro-Zone, da ihre Produkte im Dollar-Raum günstiger werden. BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels erwartet, dass der Euro unter die im März erreichten Jahrestiefstände von rund 1,05 Dollar rutschen wird. Andere Börsianer sehen den Euro sogar erstmals seit 2002 wieder unter der Marke von einem Dollar, der sogenannten Parität. Aktuell kostet die Gemeinschaftswährung rund 1,09 Dollar.

Schwellenländer werden unter Druck geraten

"Höhere US-Zinsen bedeuten höhere Finanzierungskosten für Firmen, die sich in Dollar verschuldet haben", betont Thomas Gerhardt vom Vermögensverwalter Edmond de Rothschild und weist auf Schwierigkeiten hin, die durch die Zinserhöhung entstehen können.

Eine zusätzliche Belastung sei es für jene Unternehmen, die keine oder nur geringe Dollar-Einnahmen hätten. Firmen in China halten Schätzungen zufolge ein Viertel ihrer Unternehmenskredite in Dollar, machen ihre Gewinne aber in Yuan.

Die Regierungen der Schwellenländer müssen sich darauf einstellen, dass verstärkt Geld aus ihren Ländern abfließt. Sie gehörten zu den Profiteuren der bisherigen Fed-Politik, da sie lange ausländische Anleger mit hohen Zinsen und starkem Wirtschaftswachstum anlockten. Nun ziehen Investoren ihr Geld wieder ab und stecken es in US-Papiere, weil diese jetzt weiter steigende Renditen versprechen und als weniger riskant gelten.

Containerschiffe werden an einem Containerterminal im Hafen von Hamburg be- und entladen. (Foto: dpa)
Europäische Waren werden im Dollar-Raum billigerBild: picture-alliance/dpa

Die Zinserhöhung wird aber kaum zu einem Boom an der US-Börsen führen, meinen einige Experten. Nach Einschätzung von Stefan Kreuzkamp, dem Chef-Anlagestrategen des Vermögensverwalters der Deutschen Bank, hat die Wall Street kaum noch Luft nach oben. Dazu seien die dortigen Aktien bereits zu teuer.

Gelassene Reaktionen auf deutscher Seite

Die deutschen Privatbanken erwarten keine direkten Auswirkungen der Fed-Entscheidung auf ihre Geschäfte. "Die Ertragsunterschiede zwischen US-Banken und deutschen Instituten sind nicht auf die Geldpolitik in beiden Ländern zurückzuführen", sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Die Hauptgründe für die geringere Profitabilität der hiesigen Häuser sieht er im harten Wettbewerb und in der schwächeren Konjunktur in Europa. Die Fed sei beim Ankurbeln der Wirtschaft erfolgreicher gewesen.

dk/wen (dpa/rtr/afp)