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Feilschen bis zur letzten Minute

Vanessa Fischer <br> Oliver Schilling23. Juli 2002

Das albanische Parlament hat ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Präsident wird der Ex-General Alfred Moisiu. Regierung und Opposition rangen zuvor tagelang um die Personalie.

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Vom General zum Präsidenten:<br>Alfred MoisiuBild: AP

Die Szene erinnerte an das Ritual der Papstwahl, bei der die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans so lange von der Außenwelt abgeschottet beraten, bis ein neuer Papst gefunden ist.

Tage lang und ohne Unterbrechung verhandelten die Vorsitzenden der beiden großen Parteien Albaniens über einen Kandidaten für das Amt des albanischen Präsidenten, denn am Montag (24.6.2002) lief die Amtszeit des amtierenden Staatsoberhauptes, des parteilosen Rexhep Mejdani, ab. Mejdani stellte sich zwar wieder zur Wahl, doch sein Rückhalt im Parlament war zu schwach. Nun wird der frühere Armeegeneral Alfred Moisiu (67) neues Staatsoberhaupt.

Poker um das Präsidentschaftsamt

Der Machtpoker um den Präsidentenposten war so verwirrend, wie die politischen Verhältnisse des Landes, das seit dem Kosovo-Krieg vom Armenhaus Europas zum strategisch wichtigen Partner des Westens in der Region avancierte.

Der noch amtierende Präsident Mejdani sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Welle, Albanien sei in seiner Amtszeit, zu einem Stabilitätsfaktor auf dem Balkan geworden. Das Land pflege inzwischen gute Beziehungen zu den Nachbarländern und treibe die Zusammenarbeit in der Region voran, etwa bei der Etablierung einer Freihandelszone.

Trotz wirtschaftlicher Erfolge ist es Mejdani jedoch nicht gelungen, sich im Parlament genügend Rückendeckung zu verschaffen. Denn der studierte Physiker gilt zwar als kluger, aber wenig charismatischer Pragmatiker, der im Machtgeflecht der sozialistischen Regierung und der Opposition zerrieben wurde.

Für die Wahl des Präsidenten, der ähnlich wie im politischen System Frankreichs direkten Einfluss auf das politische Tagesgeschäft seines Landes hat, ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, der Kuvendi Popullor, erforderlich.

Folglich musste sich die von Fatos Nano geführte Sozialistische Partei mit ihrem größten politischen Gegner, der Demokratischen Partei von Ex-Präsident Sali Berisha über einen Kandidaten einigen. Die Wahl durch das Parlament gilt dann nur noch als Formsache.

Bluffen und Feilschen: Wer hat den besten Joker?

Moisiu ist bereits der zweite Präsidentschaftskandidat binnen weniger Tage, auf den sich die führenden Parteien Albaniens verständigten. Am Freitag (21.6.2002) war zunächst der Botschafter bei der Europäischen Union, Artur Kuko, als Kandidaten nominiert worden. Dieser hatte am Samstag 22.6.2002) jedoch überraschend mitgeteilt, dass er für das Amt des Staatspräsidenten nicht zur Verfügung stehe.

Die Europäische Union verstärkte den Druck auf die politischen Kräfte des Landes: Wenn sich Sozialisten und Demokraten nicht auf einen gemeinsamen Präsidenten einigen, will die EU umfangreiche Hilfsprogramme für die Region aufkündigen.