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Die fiktive Biografie

Aygül Cizmecioglu21. April 2012

Fußballer, Politiker - sie alle drängen mit ihren echten Lebensgeschichten auf den Buchmarkt. Ganz anders die deutsche Autorin Felicitas Hoppe. Ihr neuer Roman ist eine fiktive Biografie.

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Baustellen, Verkehrslärm, elegante Anzugträger, die eilig über den Bürgersteig huschen. Berlin-Mitte ist wahrlich kein Ort der Ruhe. Hier wird Politik gemacht, Geld verdient. Hier gibt die knallharte Realität den Takt an. Aber irgendwo zwischen Reichstag und Hauptbahnhof, in einem unscheinbaren Altbau, regiert die Fantasie.

Traumfluchten

In diesem Haus schrieb einst Erich Kästner seinen Kinderbuchklassiker “Emil und die Detektive“. Und hier lebt heute eine andere große Erzählerin - Felicitas Hoppe. Eine zierliche Frau mit raspelkurzem Haar. Eine kindliche Neugier strahlt aus den Augen dieser 51-Jährigen.

Laut Wikipedia ist sie 1960 in Hameln/Westfalen geboren, als drittes von fünf Kindern. Sie studierte unter anderem Russisch und Italienisch, arbeitete als Deutschlehrerin am Goethe-Institut und lehrte Poetik an amerikanischen Unis. Soweit die Fakten. Die viel spannendere Geschichte zu ihrem Leben, liefert die Autorin nun selbst. Mit ihrer fiktiven Biografie “Hoppe“. “Was wäre gewesen, wenn…das kennt doch jeder“, sagt sie mit einer glasklaren Stimme. “Ich wollte über diese Träume schreiben. Darüber, was ich gerne geworden wäre.

Abenteuerlustige Erfinderin

Ein Einzelkind zum Beispiel, das fließend Polnisch spricht und eine begnadete Eishockeyspielerin ist. Die “Hoppe“ im Roman wächst in Kanada auf, erfindet fast nebenbei den leuchtenden Dirigierstab und wird später zu einer gefeierten Musikerin in Australien. Immer auf ihrem Rücken: ein riesiger Rucksack voller Geschichten. So prall gepackt, dass sie oft hinten über zu fallen droht.

Buchcover Hoppe (Foto: S. Fischer-Verlag)
Hoppe über Hoppe: "Was wäre gewesen wenn..."Bild: S. Fischer-Verlag

Eine Abenteurerin ist sie, die durch eine Wunderwelt zieht. So als gäbe es keine Grenzen und als sei nichts unmöglich. “In diesem Buch sind alle Fakten geändert und trotzdem ist die Geschichte viel authentischer als jede Autobiografie, die ich hätte schreiben können“, gesteht Felicitas Hoppe.

Spiel mit Perspektiven

Und genau deswegen erzählt sie so wenig über ihr wahres Leben. Dabei ist sie eine der wichtigsten deutschen Schriftstellerinnen ihrer Generation, ausgezeichnet mit vielen Literaturpreisen und Stipendien. Ihre Bücher sind in mehr als zehn Sprachen übersetzt. In ihrem neuen Roman tritt Felicitas Hoppe als Autorin aber ganz bewusst einen Schritt zurück. Sie zitiert echte Kritiker, die ihre Bücher verrissen haben, lässt fiktive Schulfreunde zu Wort kommen und analysiert in der dritten Person ihre eigenen Bücher.

Zitat An fast jeder Stelle ihres Werkes wird deutlich, wie wenig Hoppe das Konzept des Alltags insgesamt mochte, wie sehr ihr Routinen und Wiederholungen verhasst waren.“

Einige mögen das eitel nennen, als Pirouetten um die eigene Literatur kritisieren. Doch tatsächlich verbirgt sich hinter dem Werk von Felicitas Hoppe eine riesige literarische Spielwiese. Mithilfe von Worten schrieb sich die Schriftstellerin schon als Kind aus der Enge der Provinz heraus.

Zwischen Realität und Fantasie

Immer wieder kreisten ihre Geschichten um historische Figuren, z.B. um Johanna von Orleans oder um den Entdecker Antonio Pigafetta. Deren Lebensgeschichte nahm Felicitas Hoppe als literarischen Steinbruch, verwob Dichtung mit Wahrheit. Eine Biografie – auch die eigene – zu einer phantastischen Geschichte umzuschreiben, gehört zu ihrem literarischen Prinzip.

“Für mich ist der Unterschied gar nicht so groß. Ich glaube, die meisten Menschen sind tagtäglich in vielen Welten auf einmal unterwegs“, so Felicitas Hoppe. “Das Fantastische und das Reale sind nur zwei Seiten einer Medaille.“

Felicitas Hoppe mit ihrem aktuellen Buch (Foto: DW/Aygül Cizmecioglu)
Bild: Aygül Cizmeciogl

Pinocchio als Lieblingsfigur

Fragt man Felicitas Hoppe nach ihrer Lieblingsfigur in der Literatur, schmunzelt sie und antwortet: Pinocchio. “Ich liebe dieses Buch, weil es nicht nur um einen großen Träumer geht, sondern auch um eine Schöpfungsgeschichte“, erklärt sie.

Ein Mann schnitzt aus Holz eine Puppe und plötzlich beginnt die Figur zu sprechen, bekommt ein Eigenleben. “Sie entzieht sich der Kontrolle seines Schöpfers. Und das passiert im besten Falle auch beim Schreiben. Diese Unberechenbarkeit der Literatur finde ich großartig.“

Genau dieser Wagemut durchzieht die Texte von Felicitas Hoppe. Es ist keine Literatur, die den Leser auf sichere Pfade führt, die Richtung vorgibt. Vielmehr verirrt man sich auf wunderbare Weise zwischen ihren Sätzen, entdeckt unverhofft phantastische Nischen. Ein Narr, wer sich da nicht auf dieses literarische Abenteuer einlässt.

Felicitas Hoppe: „Hoppe“. Roman. S. Fischer Verlag 2012. 330 Seiten. ISBN 978-3-10-032451-1. 19,90 Euro