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Silvester ohne Feuerwerk wegen Corona?

20. November 2020

Silvester ohne Feuerwerk? Polizei und Politiker fordern wegen Covid den Verzicht auf die Knallerei zum Jahreswechsel. Die Niederlande machen es vor.

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Ein Feuerwerk ist während Deutschlands größter Silvesterparty hinter dem Brandenburger Tor zu sehen.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Das Corona-Jahr 2020 endlich laut und bunt zu verabschieden, das wünschen sich wohl viele Deutsche. Aber aus buntem Feuerwerk am Silvesterhimmel und Knallern am Boden wird möglicherweise nichts; jedenfalls nicht überall. Der Grund, mal wieder: Covid. Große öffentliche Feuerwerke führten zu riskanten, unkontrollierten Menschenansammlungen, wird gewarnt. Zudem würde Feuerwerk zu Verletzungen führen und Atemwegsschwierigkeiten verursachen. Argumentiert wird, dass in Corona-Zeiten die Krankenhäuser ohnehin schon am Anschlag arbeiteten. Da sollten Ärzte und Pfleger nicht noch zusätzlich belastet und jede Infektionsgefahr gebannt werden. Deshalb solle zu Silvester ganz auf Feuerwerk verzichtet werden.

Arut und Patient auf Intensivstation Krankenhaus Bethel Berlin
Volle Kliniken nicht zusätzlich belasten: Die Idee hinter einem BöllerverbotBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Silvester ohne Feuerwerk?

Das jedenfalls will unter anderen der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Kuffer. Der Innenexperte der konservativen Partei aus Bayern sagte der Bild-Zeitung "Silvester-Böllerei und Feuerwerk" müssten verboten werden. Dem schließt sich auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach an. In der Welt erläuterte er: "Silvesterfeuerwerke mit privaten Feiern wären ein unangemessener, denkbar schlechter Start in das neue Jahr."

Für Feuerwehr, Krankenhäuser und Polizei ist Silvester bereits in normalen Zeiten eine Nacht mit Hochbetrieb. Immer wieder verursacht unsachgemäßer Umgang mit Feuerwerk für schwere Verletzungen. Der oft in Strömen fließende Alkohol sorgt ebenfalls für volle Stationen, ganz direkt oder auch wegen Unfällen.

"Ich sage das klipp und klar: Das Silvesterfeuerwerk muss in diesem Jahr coronabedingt ausfallen", stimmt deshalb auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, in der BILD zu. Seine Begründung: "Zu Silvesterböllern gesellen sich rasch Alkohol, Personengruppen und Partystimmung." Genau das sei aber nicht angesagt.

Debatten um die Gefährlichkeit von Böllern und Raketen, Diskussionen um die Umweltverträglichkeit der Knallkörper angesichts der Feinstaubbelastung, die gibt es jedes Jahr. In Pandemie-Zeiten werden die Diskussionen um lieb gewonnene Traditionen noch einmal heftiger geführt. Dabei machen andere Länder es längst vor: Es geht auch anders!

Die Niederlande machen es vor

Als erstes Land in Europa hat die Regierung der Niederlande vor einer Woche ein vollständiges Verbot von Feuerwerkskörpern verfügt. Raketen und Böller dürfen nicht verkauft oder gezündet werden. Beim letzten Jahreswechsel waren rund 1500 Menschen in den Niederlanden wegen Verletzungen mit Böllern in Notaufnahmen eingeliefert worden oder haben Ärzte aufgesucht. Zuviel in einer Lage, wo die Krankenhauskapazitäten in den Niederlanden an ihre Grenzen kommen, findet die Regierung. Auch London plant schon um. Das traditionelle Feuerwerk an der Themse hat Bürgermeister Sadiq Khan absagen lassen. Wegen zu hoher Infektions- und Unfallgefahr.

Böllerbann auch in deutschen Städten?

Städte und Gemeinden stecken rund sechs Wochen vor Silvester noch mitten in den Planungen für einen sicheren, Corona-konformen Jahreswechsel. Im Vordergrund steht natürlich die Frage: Wie kann man mögliche Infektionen in einer Nacht des Feierns verhindern? In manchen Kommunen wird da auch ein generelles Böller-Verbot erwogen. Großstädte wie München, Köln und Berlin haben schon im vergangenen Jahr in bestimmten Zonen der Innenstädte Böller ganz verboten, um Menschen und historische Gebäude zu schützen.

Hannover: Beamte stehen am Steintor, wo das Zünden von Feuerwerk verboten ist, und beobachten ein Feuerwerk in der Ferne
Seit zwei Jahren schränkt Hannover das Silvesterfeuerwerk einBild: picture-alliance/dpa/C. Heidrich

Das gilt seit zwei Jahren auch in Hannover. Anruf in der Pressestelle der Landeshauptstadt von Niedersachsen. Sprecher Udo Möller erklärt gegenüber der DW: "Das Thema Böllerverbot ist noch in der Diskussion." Auf jeden Fall würden die Beschränkungen, die Hannover für die letzten Jahreswechsel erlassen hatte, wieder gelten. Ein generelles Böllerverbot werde bei großen Teilen der Bevölkerung sicherlich nicht auf "größere Begeisterung" stoßen, vermutet Möller. Dennoch glaubt der Sprecher, "es ist ein wichtiges Thema bei der Belastung der Krankenhäuser, die man momentan hat, dass man alles Mögliche unternimmt, um durch Unfälle nicht noch eine zusätzliche Belastung zu provozieren."

In Köln hat am Freitag Oberbürgermeisterin Henriette Reker angekündigt, das bereits letztes Jahr geltende Feuerwerksverbot um den Dom herum dieses Silvester auf die gesamte Altstadt auszudehnen. Damit sollten Menschenansammlungen vermieden werden. Ein Böllerverbot für die ganze Stadt machte Reker von einer Entscheidung der Landesregierung abhängig. 

Pyrotechnikbranche vor Ruin? 

Zwar haben die Deutschen im vergangenen Jahr etwas weniger Geld für Feuerwerk ausgegeben als im Jahr zuvor. Die Branche verzeichnet aber immerhin 122 Millionen Euro Umsatz. Feuerwerk zu Silvester ganz zu verbieten, hält der Branchenprimus WECO aus Eitorf bei Bonn deshalb nicht für einen tollen Knaller, sondern für einen Rohrkrepierer.

Im DW-Interview erklärt das Unternehmen: "Ein Verbot würde vermutlich zur Insolvenz unseres Unternehmens und auf Gesamtebene zu einem dauerhaften Wegfall der gesamten pyrotechnischen Branche in Deutschland führen." Bei WECO arbeiten rund 400 Mitarbeiter. Die Notaufnahmen "sehen sich jedoch - wie jedes Jahr - gut vorbereitet", erklärt das Unternehmen weiter. Und überhaupt, fragt der WECO Mann weiter: "Wer möchte dieses wirklich entbehrliche Jahr nicht farbenfroh und bunt, im engsten Kreise der Familie verabschieden?".

Nicht jeden Spaß verbieten

Viele Deutsche sind schon länger gegen ausufernde Silvester-Knallerei. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov vom Ende des vergangenen Jahres ergab: 57 Prozent sind aus Umwelt- und Sicherheitsgründen für einen Böllerbann. Das war vor Corona. Derzeit dürfte die Ablehnung wohl eher noch höher ausfallen.

Doch aus der Politik kommt auch viel Unterstützung für das "Silvestervergnügen". Gerade angesichts insgesamt eher spaßfreien Zeiten. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Frank Sitta, sagte der DW, dass er das Gefühl habe "als müsse die Corona-Pandemie nun für so manch' griesgrämige Verbotsforderung herhalten". Eine Politik des "erhobenen Zeigefingers" helfe nicht weiter. Deshalb sei ein generelles "Böllerverbot überflüssig".

Auch der Grünen-Politiker und Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, ist dagegen: "Entscheidend ist, ob Feuerwerk zum Pandemiegeschehen beiträgt. Das sehe ich erstmal nicht." Ebenso lehnt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein Verbot ab.

Im Ergebnis werden vermutlich noch mehr Städte und Gemeinden in bestimmten Zonen die Knallerei verbieten. Ein generelles Böllerverbot aber ist unwahrscheinlich.

Vielleicht setzt sich ja ein weiterer Trend aus dem Ausland durch: Licht- und Lasershows statt Feuerwerkssause. Paris und New York machen es vor.

 

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online