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Politik

Fillon vor politischem Scherbenhaufen

3. Februar 2017

Die Affäre um François Fillon stellt die Republikaner vor eine Geduldsprobe. Erste Kritiker fordern Fillons Rücktritt. Doch nicht nur die politische Zukunft der Partei, sondern die des ganzen Landes steht auf dem Spiel.

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Frankreich François Fillon | konservativer Präsidentschaftskandidat
Bild: Getty Images/AFP/T. Samson

Fünfzehn Tage noch. So lange, bat François Fillon seine Parteifreunde, sollten diese doch warten. Dann würde die Finanzstaatsanwaltschaft wohl erste Ergebnisse ihrer Untersuchung vorlegen. Auf deren Grundlage sollten die Republikaner dann entscheiden, ob er, Fillon, zurücktreten solle oder nicht. Fillon spricht weiterhin von einer gegen ihn losgelassenen Kampagne, legte aber bislang keine Dokumente vor, die die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eindeutig widerlegen. So steht er weiterhin im Verdacht, seine Frau und zwei seiner Kinder nur zum Schein angestellt zu haben. Die Summe der ihnen überwiesenen Honorare beläuft sich auf knapp eine Million Euro.

Zwei weitere Wochen Geduld, und das nicht einmal drei Monate vor dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen: Das, sagt Georges Fenech, republikanischer Abgeordneter aus dem Département Rhône, sei der Partei nicht zuzumuten. "Man kann sich in einer großen politischen Familie wie der unseren (der republikanischen Partei, Anm. d. Red.), die regieren will, nicht in die Hände eines Richters oder eines Staatsanwalts begeben." In anderen Worten: Fillon solle zurücktreten.

Die Präsidentschaftswahl in Geiselhaft

Das sehen auch immer mehr Franzosen so. Sieben von zehn fänden es richtig, wenn er zurückträte, ergab dieser Tage eine Umfrage. So sieht es auch Nicolas Dupont-Aignan, Präsident des für nationale politische Autonomie werbenden Bündnisses "Debout la France" und ebenfalls Präsidentschaftskandidat: Fillon und seine Partei nähmen die Präsidentschaftswahl und das gesamte rechtskonservative Wählerbündnis "als Geisel". Andere teilen diese Befürchtung: Solange die Sache Fillon nicht geklärt sei, könnten die Republikaner nicht in den Wahlkampf ziehen. Viele Wähler seien während dieser Blockadezeit verunsichert. Und der mutmaßliche Attentatsversuch am Louvre zeigt, wie wenig das Land sich politischen Stillstand leisten kann.

Bereits jetzt habe der Skandal erheblichen Schaden angerichtet, sagt der Politikwissenschaftler Jérôme Jaffré der französischen Tageszeitung Le Figaro: "Ein Front National an der Spitze des ersten Wahlgangs, ohne dass das jemanden aufregt. Die Justiz im Herzen der Politik. Die Präsidentschaftswahl, dieser Moment der großen demokratischen Wahl, wird zu einem fröhlichen Jahrmarkts-Massaker."

Frankreich Paris Louvre - Attentäter angeschossen
Krise in aufgewühlten Zeiten: Französische Polizisten sichern den Louvre nach dem mutmaßlichen Attentat Bild: Reuters/C. Hartmann

Desaströser "Plan B"

Das größte Problem für die Republikaner besteht darin, dass sie keinen überzeugenden Ersatzkandidaten anbieten können. Der ehemalige Premierminister und derzeitige Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, der Fillon in den Vorwahlen unterlag, ziert sich noch. "Er will von allen gekrönt und zudem von Fillon offiziell zu dessen Nachfolger erklärt werden", erklärt ein namentlich nicht genannter Vertrauter in der Tageszeitung Le Monde die Haltung Juppés.

Frankreich UMP Alain Juppé
Ziert sich noch: der zuletzt unterlegene Präsidentschaftskandidat Alain Juppé (links) Bild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

Dabei ist es keineswegs ausgemacht, dass Juppé die Republikaner tatsächlich zum Sieg führen könnte. Das Image der Partei ist beschädigt und dürfte sich, so die Sorge führender Mitglieder, vor der Wahl kaum mehr reparieren lassen. Ein so genannter "Plan B" existiert zwar in vielerlei Varianten, aber keine von ihnen erscheint den Verantwortlichen derzeit überzeugend. "Das Heilmittel Plan B wäre noch schlimmer als das derzeitige Übel", sagt der Abgeordnete Benoist Apparu. "Der Plan B ist ein Plan vom Bazar." Ähnlich sieht das die Zeitung Le Monde. Sie variiert ein Wort Winston Churchills: "Derzeit ist François Fillon der schlechteste der Kandidaten auf Seiten der Rechten … Wenn man von allen anderen absieht."

Front National profitiert kaum

Allerdings geht es bei dieser Wahl nicht nur um Wohl und Wehe der Republikaner. Vielmehr steht das Land vor einer grundlegenden Richtungsentscheidung. Die wird durch Marine Le Pen herbeigeführt, die Vorsitzende und Präsidentschaftskandidatin des rechtsextremen Front National. Le Pen liegt in den derzeitigen Umfragen in Führung. Einer am 30. und 31. Januar, also nach Bekanntwerden der Affäre Fillon, erhobenen Befragung zufolge käme sie derzeit auf 26 bis 27 Prozent. An zweiter Stelle, mit 22 bis 23 Prozent, folgt der unabhängige Liberale Emmanuel Macron. Erst an dritter Stelle folgt Fillon, der auf 19 bis 20 Prozent kommt.

Die Zahlen zeigen aber ein weiteres: Marine Le Pen hat von dem Skandal um Fillon kaum profitiert. Anfang Januar, als der Wahlkampf noch im regulären Modus verlief, kam sie in Umfragen auf genau denselben Stimmenanteil.

Wahlkampf à la Trump? Nein danke!

Le Pen, von der Verwaltung des Europäischen Parlaments ebenfalls eines Scheinarbeitsverhältnisses beschuldigt, gibt sich optimistisch. In einem Interview mit der Zeitung Le Monde zeigte sie sich zuversichtlich, aus den Wahlen als Siegerin hervorzugehen. Seit Jahren habe der FN Personen aus den unterschiedlichsten politischen Richtungen um sich versammelt, erklärte sie. "Viele andere Personen werden sich uns anschließen - vor dem ersten Wahlgang, in der Zeit vor dem zweiten und danach."

Es könnte aber auch anders kommen, sagt der Politologe Jérôme Jaffré. Le Pen verfüge zwar als einzige Kandidatin über eine breite Verankerung in den unteren Gesellschaftsschichten. Wenn sie nach dem Erfolg des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nun dessen Wahlkampfstil imitieren wolle, könnte das einen Teil ihrer möglichen Wähler abschrecken. "Sie bedenkt nicht, dass der Bezug auf Trump einen Stil mit sich bringt, der allein schon genügt, sie in den Augen vieler zu diskreditieren."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika