1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

FinCEN Files: Verdächtige Deutsche Bank

Pelin Ünker
20. September 2020

Die Deutsche Bank ist schon öfter durch Skandale aufgefallen. Auch in der weltweiten Recherche zu den FinCEN Files spielt sie eine wichtige Rolle.

https://p.dw.com/p/3ilE8
Symbolbild Geldwäsche
Bild: Iris Kaczmarczyk/chromorange/picture-alliance

Die Deutsche Bank ist mal wieder Spitzenreiter: 62 Prozent aller geleakten Verdachtsmeldungen des US-Finanzministeriums, die in den FinCEN Files enthalten sind, entfallen auf sie. Hinter dem Kürzel FinCEN verbirgt sich das "Financial Crimes Enforcement Network". Diese Abteilung des amerikanischen Finanzministeriums ist zuständig für den Kampf gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität

Das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) hat die durchgesickerten FinCEN-Dokumente in den vergangenen 16 Monaten ausgewertet. Insgesamt waren mehr als 400 Journalisten aus 88 Ländern beteiligt. Den geleakten Datensatz hatte zuvor das amerikanische Medienunternehmen BuzzFeed News zugespielt bekommen.

Der Fluss des schmutzigen Geldes    

Die Recherchen stützen sich hauptsächlich auf bankinterne Berichte über verdächtige Finanztransaktionen, sogenannte "Suspicious Activity Reports", kurz SARs. Sie sind nicht unbedingt ein Beweis für kriminelles Verhalten. Vielmehr sind alle in den USA tätigen Banken verpflichtet, solche Verdachtsmeldungen beim Finanzministerium einzureichen. Tun sie es nicht, machen sie sich strafbar.

Was sind SARs? (englisch)

Zwischen 1999 und 2017 meldeten die Compliance-Beauftragten der Banken verdächtige Transaktionen im Wert von zwei Billionen Dollar. Über die Hälfte der Summe (1,3 Billionen Dollar) entfiel auf die Deutsche Bank.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen auffällig wird: Im Jahr 2015 stimmte Deutschlands größte Bank einer Geldstrafe von 258 Millionen US-Dollar für die Verletzung von US-Sanktionen zu – weil sie zwischen 1999 und 2006 im Namen iranischer, libyscher, syrischer, burmesischer und sudanesischer Kunden insgesamt fast elf Milliarden Dollar transferiert hatte. 

Die US-Ermittler beschuldigten die Deutsche Bank, intransparente "Clearing-Transaktionen" durchzuführen, um mögliche Sanktionsbrüche ihrer Kunden zu verschleiern. "Seitdem haben wir alle Geschäfte mit Partnern aus den betroffenen Ländern eingestellt", sagte eine Sprecherin der Deutschen Bank damals.

Anhaltende Beteiligung an verdächtigen Geldtransfers

Die Investigation des ICIJ legt aber nahe, dass die Deutsche Bank auch nach 2015 weiterhin Geld für auffällige Personen und Unternehmen bewegte, die Sanktionen umgehen wollten – darunter der türkisch-iranische Goldhändler Reza Zarrab und sein Netzwerk. Reza Zarrab wurde im März 2016 in den USA verhaftet und bekannte sich 2017 vor einem US-Bundesgericht schuldig, weil er dem Iran geholfen hatte.

Reza Zarrab Geschäftsmann Goldhändler
Der Goldhändler Reza Zarrab gab zu, schmutziges Geld gewaschen zu habenBild: picture-alliance/AA/S. Coskun

In diesem Fall spielte die Deutsche Bank Trust Company Americas (TCA) eine Rolle, die US-Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Sie schickte im März 2017 ein SAR an das FinCEN. Darin heißt es, dass mehr als 28 Millionen Dollar im Namen von Nadir Döviz überwiesen wurden - ein Unternehmen, das nachweislich enge Verbindungen zu Reza Zarrab unterhielt und ebenfalls im Goldhandel tätig ist. Die Transaktionen für Nadir Döviz fanden zwischen März 2016 und Februar 2017 statt. Zarrab war bereits verhaftet.

Nach dem Bekanntwerden eines örtlichen Medienberichtes über eine Untersuchung der Antikorruptionskommission (ACC) im Jahr 2016 entstand bei der Deutschen Bank TCA der Verdacht, dass Nadir Döviz in einen Geldwäscheskandal rund um die Sonali Bank in Bangladesch verwickelt sein könnte. In ihrem SAR stellte Deutsche Bank TCA selber fest: "Diese Verdachtsmeldung wird eingereicht, weil die Transaktionen aus einem Hochrisikoland [Türkei – Anmerkung der Redaktion] stammten, es mehrere Überweisungen großer, glatter Dollar-Beträge gab und anhand der Transaktionsdetails kein kommerzieller Zweck erkennbar war."

Die Antwort der Deutschen Bank

Das ICIJ hat der Deutschen Bank einen detaillierten Fragenkatalog geschickt, doch ein Unternehmenssprecher beschränkte sich auf eine allgemeine Antwort: Die FinCEN Files seien "keine neuen Informationen für uns oder unsere Aufsichtsbehörden". Die fraglichen Vorgänge stammten aus den Jahren vor 2016, die Deutsche Bank sei "jetzt eine andere Bank".

Symbolbild Deutsche Bank
Wer wusste was bei der Deutschen Bank?Bild: Christoph Hardt/Geisler/picture alliance

In seiner Erklärung vom 9. September 2020 betonte der Sprecher außerdem: "Wir haben frühere Schwächen in unserem Kontrollsystem erkannt, uns dafür entschuldigt und unsere jeweiligen Geldbußen akzeptiert. Vor allem aber: Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und sind die Probleme systematisch angegangen. Wir haben Änderungen an unserem Geschäftsumfang, unseren Kontrollen und unserem Personal vorgenommen."

Wie viel die Deutsche Bank über die Verbindung ihres Kunden Nadir Döviz zu Reza Zarrab und über das mögliche Unterlaufen der Sanktionen gegen den Iran wusste oder wissen wollte, bleibt wie viele andere Fragen auch unbeantwortet.

Reza Zarrabs Milliarden-Spiel

Als die iranischen Banken 2012 vom globalen SWIFT-Transaktionssystem abgeschnitten wurden, konnten die Unternehmen des Landes für ihre Öl- und Gasexporte keine internationalen Banküberweisungen mehr nutzen. Also brauchten sie Bargeld und Gold als Zahlungsmittel, um die Sanktionen zu umgehen. In diesem Milliarden-Dollar-System spielte Reza Zarrab eine Schlüsselrolle. 

Zarrab wurde erstmals im Dezember 2013 in der Türkei verhaftet und angeklagt, und zwar im Zuge größerer Korruptionsermittlungen, die sich gegen Minister der regierenden AKP richteten. Er wurde der Bestechung von Ministern, der Geldwäsche und des Goldschmuggels angeklagt. 

Nach einem Bericht der damaligen türkischen Staatsanwaltschaft benutzte Zarrab das Istanbuler Unternehmen Nadir Döviz für den Ankauf von Gold. Ein Kurier gestand der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet später, mit Cash von Dubai in die Türkei und von Dubai in den Iran gereist zu sein. Eines der Unternehmen, von denen er das Geld erhalten hatte, war Nadir Gold LLC in Dubai, das zu der Zeit ein Partnerunternehmen der Turkish Nadir Metal Refinery war. Damals war Nadir Döviz ein Tochterunternehmen dieser Raffinerie - was eine Verbindung nahelegt. Und es sind diese beiden Firmen, die die Deutsche Bank in ihrem SAR vom März 2017 erwähnt.

Was sind die FinCEN Files? (englisch)

Die Regierung Erdogan wies 2013 alle Vorwürfe gegen Reza Zarrab zurück und verglich die Ermittlungen mit einem Putschversuch. Die Staatsanwälte, die sie eingeleitet hatten, wurden entlassen oder verhaftet. Nach zweieinhalb Monaten im Gefängnis wurde der Goldhändler freigelassen. Doch seine Freiheit währte nur ein paar Jahre.

Im März 2016 wurde Zarrab erneut verhaftet, diesmal in den USA, als er mit seiner Familie auf dem Weg in den Freizeitpark Disney World war. Die US-Behörden beschuldigten ihn, Geldwäsche zu betreiben und der iranischen Regierung beim Sanktionsbruch zu helfen. Zarrab bekannte sich schuldig, ging einen Deal ein und sagte später als Kronzeuge in einem Prozess gegen einen Manager der türkischen Halkbank aus.

Während dieses Prozesses im November 2017 behauptete Zarrab, türkische Politiker, darunter auch Präsident Erdogan, hätten der Halkbank erlaubt, dem Iran mit Geld und Gold zu helfen.

Recep Tayyip Erdogan und Berat Albayrak
Auch der türkische Präsident Erdogan kennt Goldhändler Zarrab Bild: picture-alliance/dpa/TASS/M. Klimentyev

Auch das türkische Unternehmen Nadir Döviz lehnte es ab, konkrete Fragen zu beantworten. Dennoch zeigt der Fall, dass die Deutsche Bank weiterhin Verbindungen mit auffälligen Kunden pflegt.

Eine Bank weigerte sich, die Deutsche Bank nicht

Aus den FinCEN-Files geht auch hervor, dass die Deutsche Bank Geld für eine Ölraffinerie in Turkmenistan transferierte, obwohl diese möglicherweise gegen die Iran-Sanktionen verstieß. Die US-Tochtergesellschaft der Deutschen Bank reichte deswegen im Oktober 2014 und im Februar 2015 zwei Verdachtsmeldungen ein.

In diesen Dokumenten berichtet sie selber, dass der "Turkmenbashi Oil Processing Complex immer noch an kommerziellen Aktivitäten beteiligt ist, die durch EU-Sanktionen eingeschränkt sind". Turkmenbashi ist der größte Öl- und Gasproduzent in Turkmenistan.

Nach den geleakten SARs führte die Deutsche Bank zwischen April und September 2014 Überweisungen im Wert von 168,5 Millionen US-Dollar für Turkmenbashi Oil aus. Zwischen September 2014 und Januar 2015 kamen weitere Transaktionen im Wert von fast 113 Millionen Dollar hinzu. Im gleichen Zeitraum weigerte sich die New Yorker Bank BNY Mellon, Geld für Turkmenbashi zu bewegen.

Russische Oligarchen unter Sanktionen

Die FinCEN Files deuten außerdem darauf hin, dass die Deutsche Bank möglicherweise auch russischen Kunden half, Sanktionen zu umgehen.

Surgutneftegas ist eine der größten Ölgesellschaften Russlands. Die USA setzten sie im September 2014 auf die Sanktionsliste. Als Korrespondenzbank war die Deutsche Bank TCA zwischen Anfang März und Mitte Mai 2015 - also lange nach der Ankündigung der Sanktionen - an 47 Überweisungen in Höhe von fast 430 Millionen US-Dollar für Surgutneftegas beteiligt.

Rusal russischer Aluminiumhersteller Oleg Deripaska
Oleg Deripaska, ein Kunde der Deutschen Bank Bild: Reuters/R. Sprich

Zwischen 2003 und 2017 wickelte die Deutsche Bank auch Transaktionen in Höhe von 11 Milliarden Dollar für Unternehmen aus dem Netzwerk von Oleg Deripaska ab – obwohl gegen ihn ermittelt wurde. Der russische Milliardär gilt als Verbündeter Wladimir Putins.

Die Deutsche Bank selbst reichte im November 2016 einen SAR ein, in dem es wörtlich heißt: "Deripaska wird von den US-amerikanischen und britischen Behörden im Zusammenhang mit einer Überweisung in Höhe von 57,5 Millionen US-Dollar im Jahr 2007 untersucht. In der Vergangenheit haben die US-Behörden Deripaska beschuldigt, Verbindungen zum organisierten Verbrechen zu haben." Deripaska selbst bestreitet, Gelder gewaschen oder Finanzverbrechen begangen zu haben.

Die Deutsche Bank unterläuft mit solchen Geschäften eigene Standards. Tim White von AML Right Source, einer Beratungsfirma zur Bekämpfung von Geldwäsche, betont, dass "die Banken durch die Fortsetzung dieser verdächtigen Transaktionen viel mehr Geld verdienen als sie mögliche Verstöße kosten".

Anmerkung der Redaktion:

Dieser Artikel wurde aktualisiert, nachdem die Deutsche Welle ein Schreiben der Rechtsanwälte von Nadir Döviz erhalten hatte.

Die Anwaltskanzlei behauptet, dass ihre "Mandantin, die Firma Nadir Döviz nie Gegenstand einer Geldwäscheuntersuchung war oder unter jeglichem Verdacht nationaler oder internationaler Behörden zur Untersuchung von Wirtschaftskriminalität, wie FinCen oder MASAK stand und nicht über Geldwäscheuntersuchungen irgendeiner Einrichtung, gegenwärtig oder in der Vergangenheit kontaktiert oder informiert worden ist". In ihrem SAR an FinCEN im März 2017 erwähnte die Deutsche Bank jedoch einen Bericht örtlicher Medien, der sich angeblich auf eine Untersuchung eines Geldwäschefalles in Bangladesch durch die Antikorruptionskommission (ACC) bezog, in dem Nadir Döviz und die Sonali Bank im Jahr 2016 eine Rolle gespielt hätten.

Die Kanzlei stellt außerdem fest, dass Nadir Gold in Dubai "nie eine Tochterfirma von Nadir Döviz gewesen sei, dass es keine organische Verbindung zwischen Nadir Döviz und Nadir Gold LLC gebe" und dass, "wenn es einen Transfer von Nadir Döviz an eine Firma in Dubai gegeben habe, es sich um Zahlungen eines Preises für Edelmetall oder Edelmetallverkäufe handele". Darüber hinaus betont die Kanzlei, dass angesichts der Tatsache, dass das SAR auf Daten aus dem Jahr 2016 beruhe, "die Mandantin keine organischen Verbindungen mit derartigen Vorgängen und Personen auf ihrer Agenda habe". Nach Recherchen der DW und älteren Firmenveröffentlichungen hatten sowohl Nadir Döviz als auch Nadir Gold Verbindungen mit der Nadir Metal Refinery.

Die Kanzlei behauptet auch, dass DW-Reporter nie Kontakt mit Nadir Döviz aufgenommen hätte. Die DW hatte Nadir Döviz jedoch am 4. September per Email einen Fragenkatalog zugeschickt.