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'We wish we can'

13. November 2008

"Irak-Krieg beendet" - "George W. Bush angeklagt" - das verkündet in den USA eine fingierte "New York Times". Inititiiert wurde die Aktion von "The Yes Man". Die echte "New York Times" reagierte nicht verschnupft.

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Mann mit Sonnebrille, der die Fake-Ausgabe liest Quelle: ap
Wie könnte die Welt künftig aussehen? Das erfuhren die Leser der Fake-AusgabeBild: AP

Man stelle sich einmal vor, überall auf der Welt würden an einem einzigen Tag alle großen Tageszeitungen unter dem Motto produziert "We wish we can" - "Wenn wir uns was wünschen könnten". Undenkbar? Nein. So geschehen in den USA am Mittwoch (12.11.2008).

Pendler in mehreren amerikanischen Großstädten bekamen eine kostenlose Sonderausgabe der renommierten "New York Times" in die Hand gedrückt - nur dass dies nicht die echte, sondern eine täuschend ähnlich aussehende Ausgabe war. Den Lesern etwa in New York, Los Angeles, San Francisco, Chicago, Philadelphia und Washington wurde verkündet:

"Der Krieg im Irak und Afghanistan ist beendet", "US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba geschlossen", "George W. Bush wegen Hochverrats angeklagt", "Gesetzentwurf für eine nationale Gesundheitsversorgung verabschiedet". Auch Berichte über eine Ölsteuer zur Finanzierung von Umweltsünden sowie über den Ausbau von Fahrradwegen in New York fanden sich auf den insgesamt 14 Seiten wieder.

De Beers-Werbeplakat in Hongkong zeigt eine Frau mit Diamantenkette. Quelle: dpa
De Beers-Werbeplakat in Hongkong. Der Konzern will 2008 weiter expandieren.Bild: picture-alliance/ dpa

Existierende Fotos wurden neu untertitelt, wie etwa eines, das einen Hubschrauber zeigt, der Soldaten aus dem Irak wegbringt. Auch Werbung blieb nicht verschont. In einer gefälschten Anzeige des Diamantenkonzerns De Beers ist zu lesen: "Der Kauf eines Diamanten hilft, eine Prothese für einen Afrikaner herzustellen und anzupassen, dessen Hand bei einem bewaffneten Konflikt über die Kontrolle des Diamantenhandels abgerissen wurde".

Eine Biertisch-Idee

Urheber der Aktion ist die Gruppe "The Yes Man", die bereits vor knapp zehn Jahren durch eine andere spektakuläre Aktion über Nacht bekannt wurde: 1999 erschien sie im Internet mit einer gefälschten Seite der Welthandelsorganisation WTO. Als vermeintliche WTO-Vertreter nahmen die "The Yes Man"-Aktivisten Einladungen zu Vorträgen und Konferenzen an, bei denen sie dann ihre Sicht der Dinge vertraten.

Die Idee, eine gefälschte Zeitung zu veröffentlichen, so die Initiatoren, wurde in geselliger Runde beim Bier entwickelt. Ein halbes Jahr sei an der Verwirklichung gearbeitet worden. Rund 30 Autoren waren beteiligt, unter ihnen auch einige Mitarbeiter der echten "New York Times".

Ermunterung Obamas, "We Can" umzusetzen

Der Mitbegründer von "The Yes Man", Igor Vamos, sagte der "Albany Times Union": "Ich denke, es ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Diskussion über das, was wir erreichen wollen". Er selbst leistete nach eigenen Angaben mit einem Bericht über das weltweite Verbot von Massenvernichtungswaffen seinen Beitrag.

Mitbegründer von "The Yes Man", Igor Vamos (links) und Jacques Servin
Mitbegründer von "The Yes Man", Igor Vamos (l.) und Jacques ServinBild: cc-by: Tavis-2.0

Bertha Suttner, eine der Autorinnen, erklärte, die Initiatoren wollten die künftige Regierung von US-Präsident Barack Obama ermuntern, ihre Wahlversprechen zu halten. Ein weiterer, der seinen Namen nicht nennen wollte, gab an, das mit Spenden finanzierte Projekt solle "Druck auf die Leute auszuüben, die wir gewählt haben, das zu tun, wofür wir sie gewählt haben".

Voller Erfolg

Der New Yorker Kunsthochschullehrer Steven Lambert bezeichnete die Aktion als vollen Erfolg. "Die Zeitung zeigt eine Vision dessen, was möglich ist, wenn wir alle zusammenarbeiteten".

Vonseiten der echten "New York Times" kam zunächst nur der knappe Kommentar, dass es sich "eindeutig um eine gefälschte Ausgabe handelt". Man versuche nun, mehr darüber herauszufinden. Auf der Webseite des Blattes wurde aber Humor bewiesen. In einem Artikel wurde über die Parodie berichtet. Die einleitenden Sätze lauteten: "Sorry Leute, diese Zeitung ist nicht kostenlos. Und der Irak-Krieg ist noch nicht vorbei".

Ob sich die Vision der Initiatoren bewahrheitet - wie Bertha Suttner unter Anspielung auf die Regierungszeit George W. Bushs schreibt "Nach acht Jahren Hölle ... wollen wir beginnen, uns das Paradies vorzustellen" - wird sich am 4. Juli 2009 zeigen, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag. Auf dieses Datum ist die gefälschte Ausgabe datiert. (hy)