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Unternehmensanleihen

12. Oktober 2011

Die Bankenkrise hat unter den mittelständischen Unternehmen zu einem Umdenken bei der Fremdfinanzierung geführt. Immer mehr Firmen entdecken Unternehmensanleihen als Alternative zu Bankkrediten.

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Blick in den Handelssaal der Börse Stuttgart (Foto: dpa)
Börse Stuttgart gilt als Vorreiter für UnternehmensanleihenBild: picture-alliance/dpa

Das Familienunternehmen Reiff produziert Räder und Reifen. Um einen Konkurrenten zu übernehmen, hat die Firma aus Baden-Württemberg Unternehmensanleihen in Höhe von 30 Millionen Euro platziert. Das heißt, die Anleihekäufer geben Reiff Geld. Sie bekommen über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich über sieben Prozent Rendite ausgezahlt. "Aber sie haben keinerlei Einfluss auf die Unternehmensführung, ganz im Gegensatz zu den Banken", sagt Firmenchef Eberhard Reiff zu DW-TV.

Bei Bankkrediten fordert die Bank als einziger Gläubiger allerlei Sicherheiten vom Unternehmen. Umgekehrt ist man auch von der wirtschaftlichen Situation der Bank abhängig. Gerade während der jüngsten Finanzkrise hätten die Unternehmen die Zurückhaltung der Banken deutlich gespürt, wenn es darum ging, Kredite verlängert oder gar neue Zusagen zu bekommen, sagt Dirk Elberskirch, Vorstandsvorsitzender der Börse Düsseldorf: "Viele waren damals sehr enttäuscht von ihren Banken und suchen heute nach einem Stück Unabhängigkeit bei der Fremdkapitalfinanzierung", so Elberskirch gegenüber DW-WORLD.DE.

Lukratives Geschäft für die Börsen

Dirk Elberskirch, Chef der Börse in Düsseldorf (Foto: Börse Düsseldorf)
Dirk Elberskirch, Chef der Börse in DüsseldorfBild: Börse Düsseldorf

Und die kann man am öffentlichen Markt finden. Dieser Markt ist so attraktiv, dass die Börse Stuttgart im Mai 2010 ein eigenes Segment für Mittelsstandsanleihen eröffnet hatte. Andere Börsen zogen nach. Allein an der Börse Düsseldorf wurden zwischen April und Juli Firmenanleihen in Höhe von 170 Millionen Euro platziert. Bundesweit haben in den vergangenen zwölf Monaten 33 Unternehmen über den öffentlichen Markt knapp zwei Milliarden Euro eingenommen. Einige lösten damit zu teure Bankkredite ab, doch "in erster Linie sehen wir derzeit Wachstumsfinanzierungen. Das heißt, Unternehmen haben vor, ins Ausland zu gehen oder ihre Produktpalette zu erweitern", sagt Börsenchef Elberskirch aus Düsseldorf.

Für ihn spielt die Größe des Unternehmens auch eine wichtige Rolle. So seien Firmenanleihen nur für solche interessant, die einen Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro hätten. Zudem müsse das Unternehmen eine Vorbereitungszeit von vier bis sechs Monaten einkalkulieren. Ein Prospekt muss in dieser Zeit erstellt werden. Damit aus haftungsrechtlicher Sicht alles sauber läuft, ist ein Rechtsanwalt unverzichtbar. Er sorge dafür, "dass der Prospekt richtig und vollständig ist und dass das Billigungsverfahren bei der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) durchgeführt wird", erläutert Tobias Gressinger, Rechtsanwalt bei der Kanzlei CMS.

Ein Rating ist notwendig

Kurse zweijähriger Staatsanleihen Griechenlands (Foto: DW)
Staatsanleihen gelten teilweise als hochspekulativ

Um den Kapitalmarkt anzuzapfen, muss das Unternehmen zudem ein Rating einholen, beispielsweise bei der Euler Hermes GmbH, die sich auf die Bewertung der Unternehmen spezialisiert hat. Geschäftsführer Ralf Garrn: "Wir beurteilen das Unternehmen, indem wir erstmal versuchen, das Geschäftsmodell zu verstehen." Dann werde überprüft, welche Geschäftsrisiken das Unternehmen eingehe und ob es über Eigenkapitalpuffer verfüge, um diese Risiken abzufangen, sagt Ralf Garrn zu DW-WORLD.DE.

Dazu besuchen seine Mitarbeiter das Unternehmen zwei Tage lang und beschäftigen sich einen Monat lang mit der Bewertung. Das Rating muss jährlich erneuert werden. Das alles ist natürlich nicht umsonst zu haben. Dirk Elberskirch von der Börse Düsseldorf: "Mit Einmalkosten rechnen Unternehmen heute zwischen drei und fünf Prozent des Anleihebetrages, den man aufnimmt." Hinzu komme die jährliche Zinszahlung.

Hohe Rendite, hohes Risiko

Dr. Tobias Gressinger, Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle (Foto: privat)
Dr. Tobias Gressinger, Rechtsanwalt bei CMS Hasche SigleBild: privat

Und die ist nicht zu knapp. Der übliche Zinssatz für Unternehmensanleihen bewegt sich im Moment zwischen sieben und acht Prozent. Das lockt auch Privatanleger an, zumal die Mittelstandsanleihen bereits ab einer Stückelung von 1000 Euro zu haben sind. Dass die Staatsanleihen inzwischen ihren Status als sicheren Hafen eingebüßt haben, dürfte den neuen Trend bei den Unternehmensanleihen noch verstärkt haben.

Rechtsanwalt Gressinger rät Anlegern, sich das Risiko bewusst zu machen: "Der hohe Zinssatz, der versprochen wird, kommt natürlich auch vom Risiko, das mit den Anleihen einhergeht." Schließlich sei eine Firmenanleihe kein Sparbuch, sondern eine Risikoanleihe. Man investiere in das Unternehmen mit sämtlichen Risiken, die darin stecken, auch mit Ausfallrisiken. "Das ist eine reine Relation zwischen Ausfallrisiko und Zins. Je höher der Zins ist, desto höher ist auch sicher das Ausfallrisiko", sagt Gressinger im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

Das Familienunternehmen Reiff verspricht den Anlegern, den Zins von über sieben Prozent jährlich zu zahlen, auch wenn es mit der Konjunktur bergab geht: "Wir rechnen mit einer Abkühlung, aber mit keiner Rezession. Die Realwirtschaft ist wesentlich stabiler, als viele Leute wohl meinen."

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme