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Politik

Seehofer gegen Aufnahme von Jugendlichen

Barbara Wesel
24. Januar 2020

Innenminister Seehofer lehnt die Aufnahme von unbegleiteten Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern weiter ab. Er will, dass andere EU-Länder mitmachen. Eine Einigung ist aber in weiter Ferne.

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Griechenland Migration l Flüchtlingslager auf Lesbos
Bild: picture-alliance/dpa/A. Tzortzinis

Eine Klärung der Flüchtlingsfrage in den nächsten Monaten ist nach dem Zagreber Treffen der EU-Innenminister nicht wahrscheinlicher geworden. Der Kroate Davor Bozinovic, der derzeit den Vorsitz der Gespräche führt, ließ Fragen dazu schlichtweg unbeantwortet. Er versprach mehr Maßnahmen für die Grenzsicherung und sagte, man müsse den Griechen zuhören, wenn sie ihre Sorgen vortragen. Es war noch weniger konkret als bei früheren Sitzungen zu dem umstrittenen Thema.

Seehofer will keine Jugendlichen aufnehmen

Innenminister Horst Seehofer wies die Forderungen der Grünen in Berlin zurück, aus humanitären Gründen wenigstens unbegleitete Minderjährige aus Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Mehrere Bundesländer hatten sich dazu bereit erklärt; allerdings müsste das Bundesinnenministerium zustimmen. Und da sagt Seehofer nein. Er will zuvor Zusagen einer nennenswerten Zahl anderer EU-Länder, die dabei mitmachen.

Horst Seehofer in Zagreb anläßlich des Treffens der EU-Innenminister
Bundesinnenminister Horst Seehofer: Zustimmung nur, wenn andere sich beteiligenBild: DW/M. Luy

Es würden derzeit bilaterale Gespräche unter anderem mit Frankreich geführt, die Erfolg versprächen, hieß es aus seinem Ministerium. Die Sorge in Berlin sei, dass Deutschland wie 2015 ein Signal geben könnte, dass es erneut zur unbeschränkten Aufnahme - und sei es auch von Minderjährigen - bereit ist. Erst wenn sich eine Koalition der Willigen zusammen findet, will Seehofer den Weg frei machen. Die einzige, die in Zagreb konkret zusagte, umgehend einige Jugendliche aus griechischen Lagern aufzunehmen, war die Vertreterin der Schweiz, die sich in Flüchtlingsfragen beteiligt.

Abgesehen davon erwartet Berlin auch Leistungen von griechischer Seite: Die neue Regierung müsse die Verfahren deutlich beschleunigen, um Flüchtlinge mit Asylberechtigung von Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden und entsprechend zu behandeln. Am Donnerstag hatte Athen angekündigt, man wolle die Lager auf den Inseln bis Ende des Jahres schließen, die Flüchtlinge in geschlossene Einrichtungen bringen und den Rückstau bei den Asylprüfungen abarbeiten. Allerdings ist unklar, inwieweit die Türkei tatsächlich bereit sein wird, Migranten ohne Aufenthaltsrecht in größerer Zahl zurückzunehmen, wie es der Flüchtlingsdeal vorsieht.

Griechenland volle Migrantenlager
Protest auf der Insel Lesbos: Die Lager auf fünf Ägäis-Inseln sollen geschlossen werdenBild: picture-alliance/dpa/A. Tzortzinis

Horst Seehofer aber mahnt weiter eine europäische Lösung bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU an: "Die Bevölkerung versteht immer weniger, dass ein Thema, das unbestritten nur europäisch gelöst werden kann, nicht vorwärts kommt." Er sei weiter offen für die sogenannte "flexible Solidarität", wonach Mitgliedsländer, die eine Aufnahme total ablehnen, sich mit Geld oder Personalleistungen beteiligen könnten. Er mahnt aber: "Die Mehrheit muss mitmachen, es können sich nicht alle einfach freikaufen." Da kann er allerdings seinen neuen österreichischen Kollegen Karl Nehammer gleich auf die Liste setzen, der für den harten Kurs der neuen schwarz-grünen Regierung steht. Nehammer lehnt es ab, Menschen aufnehmen. Sie seien sowieso alle nur Wirtschaftsflüchtlinge, behauptet der Hardliner aus Wien.

Kein "Taxiservice" im Mittelmeer

Der Bundesinnenminister stellt sich nicht gegen eine Neuauflage der Mission "Sophia" vor der libyschen Küste. Und er sieht auch keine Anzeichen, dass sie wegen der Frage der Seenotrettung von den Innenministern blockiert werden könnte. "Sophia" war vor einem Jahr auf Druck der damaligen italienischen Regierung eingestellt worden, weil gerettete Flüchtlinge regelmäßig in italienische Häfen gebracht wurden. Die EU-Außenminister wollen die Schiffe jetzt wieder ausfahren lassen, um die Kontrolle des Waffenembargos vor Libyen zu unterstützen.

Horst Seehofer bekannte sich zu der Mission und erklärte, dass weiter Flüchtlinge aus Seenot gerettet werden müssten. Eine Übereinkunft zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta würde die Verteilung der Geretteten regeln. Allerdings dürfe aus dem Einsatz kein "Taxiservice" werden.

EU Militäroperation Sophia im Mittelmeer Boote der italienischen Marine
Eine Neuauflage für "Sophia"? Italienische Marine im Einsatz (2015)Bild: picture-alliance/dpa/G. Lami

Fraglich ist noch, ob das alte Mandat für "Sophia", das nicht nur den Kampf gegen Schlepperbanden in Libyen, sondern auch die Kontrolle von Waffenschmuggel umfasst hatte, einfach wiederbelebt werden kann, oder ob es neu beschlossen werden muss. Entsprechend kann die Mission schneller oder erst deutlich später wieder im Mittelmeer ausfahren.

EU-Kommission nimmt neuen Anlauf

Mit der neuen EU-Kommission nimmt auch eine neue Innenkommissarin einen Anlauf in der festgefahrenen Flüchtlingspolitik. Die Schwedin Ylva Johansson appelliert an die "Kompromissbereitschaft" der Mitgliedsländer, um den "inakzeptablen Stillstand" zu beenden. Sie habe bereits mit 15 Ländern geredet; die übrigen werde sie in den nächsten Wochen besuchen, sagte die Kommissarin. Die Positionen seien sehr "unterschiedlich", eine diplomatische Umschreibung für "unvereinbar". Dennoch will sie im Frühjahr einen neuen Vorschlag für die Migration vorlegen, der "von den Mitgliedsländern wenn nicht begrüßt, so doch akzeptiert werde".

EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson: Für eine Deeskalation der DebatteBild: AFP/K. Tribouillard

Johansson will die Debatte deeskalieren, die in den letzten Jahren zunehmend vergiftet erschien. Wenn die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen unmöglich sei und die freiwillige nicht ausreiche, dann müsse es eine Lösung irgendwo dazwischen geben. In anderen umstrittenen Politikbereichen könne sich die EU schließlich auch auf Kompromisse einigen. Sie hat nach dem Arbeitsplan der neuen Kommission allerdings nur noch zwei Monate Zeit, um hier den Stein der Weisen zu finden.

Über eine mögliche Neuauflage des Flüchtlingsdeals mit der Türkei und weitere Milliardenzahlungen sagt die Kommissarin, dass es noch zu früh sei, darüber zu reden. Derzeit werde der zweite Teil der sechs Milliarden aus der letzten Vereinbarung ausgeben, und die Kommission sei bereit, mit der Türkei zu reden, wie man weiter macht. Präsident Erdogan beklagt sich immer wieder über die schleppende Abwicklung von EU-Projekten zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei. Aus der Bundesregierung wird angedeutet, dass man zu weiteren Zahlungen bereit wäre.