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Flüchtlingen ein Studium ermöglichen

Kay-Alexander Scholz, Berlin14. November 2015

Integration durch Bildung: Die Bundesregierung will Universitäten dabei unterstützen, Flüchtlinge aufzunehmen. Dafür will sie im kommenden Jahr 27 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Doch viele Hürden bleiben.

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Ansicht eines deutschen Hörsaals (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Nein, eine Absenkung von Standards an deutschen Hochschulen und Universitäten werde es nicht geben, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in Berlin. Viele Studiengänge in Deutschland setzen eine bestimmte Abiturnote voraus. Das soll auch so bleiben. Denn die sogenannten Numerus-Clausus-Beschränkungen gebe es schließlich nicht überall. Großstädte wie Hamburg oder Berlin wendeten solche Verfahren an, weil es zu viele Studienbewerber gebe. In vielen kleinen Städten sei das aber anders, es gibt keine Zugangsbeschränkungen. Der deutsche Staat wolle aber, so Wanka, kräftig dabei mithelfen, Geflüchteten den Übergang in ein Studium zu ermöglichen.

Genaue Zahlen gebe es nicht, wie viele der Flüchtlinge zum Beispiel aus Syrien ein Abitur in der Tasche haben oder bereits akademisch vorgebildet sind. Aber es gebe Schätzungen, so Wanka: Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sei jünger als 25. Von diesen könnte wohl jeder Dritte theoretisch ein Studium beginnen.

Studierfähigkeit ermitteln

Doch bevor es soweit ist, müssen die vorhandenen "Gratifikationen" erfasst werden. Das betrifft zunächst die formale Ausbildung. Was ist ein syrisches Abitur eigentlich wert im Vergleich zu den Anforderungen in Deutschland? Es gibt eine Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, die genau darüber Auskunft gibt - oder auch erfahrene Bildungspolitiker: Wer beim syrischen Abitur 70 von 100 Punkten erreicht habe, sei auf deutschem Abitur-Niveau, erklärte Christian Thimme vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der weltweit größten Organisation dieser Art. Das syrische Abitur habe also ein vergleichsweise hohes Niveau. Anders sei die Situation beispielsweise für Flüchtlinge aus Eritrea: Erst wenn dort jemand in der Regel zwei Jahre studiert habe, sei er auf deutschem Abitur-Niveau.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (Foto: dpa)
Wanka: Numerus-clausus-Beschränkungen sollen bleibenBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Darüber hinaus werden derzeit spezielle Testverfahren - auch in den Sprachen Arabisch und Dari - entwickelt, um die Kompetenzen und die "Studierfähigkeit von geflüchteten Studienanfängern" zu ermitteln. Die Informationen aus den Asylverfahren, die das Bundesamt für Migration durchführt, reichen dazu in der Regel nicht aus. Die Kosten dafür, rund 80 Euro pro Person, werden vom Bund bezahlt, das müssen die Hochschulen oder Bundesländer also nicht selbst schultern. Insgesamt will der Bund den Hochschulen für die Integration von Flüchtlingen im kommenden Jahr 27 Millionen Euro zur Verfügung stellen - und bis zu 100 Millionen in den folgenden Jahren.

Finanzielle Hilfen vom Bund soll es auch für studentische Hilfsprojekte geben: So hätten sich Jurastudenten zusammengefunden, die Flüchtlinge juristisch beraten.

1000 Stunden Deutschunterricht

Doch neben dem formalen Bildungsniveau spielt die Sprachbarriere eine große Rolle. Wer in Deutschland studieren möchte und noch kein Deutsch kann, brauche rund 1000 Stunden Deutschunterricht, bevor er die Aufnahmetests bestehen könne, so Thimme. Ein Ausweichen auf englischsprachige Studiengänge gestalte sich schwierig, weil es bei den Bachelor-Studiengängen solche Angebote nur selten gebe.

In manchen Bundesländern werden an sogenannten Studienkollegs Sprach- aber auch schon Fachkenntnisse als Vorbereitung auf ein Studium vermittelt. Das Bundesbildungsministerium fördert jährlich 2400 zusätzliche Plätze dafür. Genaue Auskunft darüber und über spezielle Studienangebote bietet die Website des DAAD und das Angebot "study-in.de".

"Akademische Familie"

Wer diese Hürden genommen hat, kann mit finanzieller Hilfe rechnen. Anerkannte Flüchtlinge - auch solche mit subsidiärem Schutzstatus - können das sogenannte Bafög beantragen, einen staatlichen Studienkredit, der später nur zur Hälfte zurückgezahlt werden muss. Derzeit sind das maximal 670 Euro pro Monat - ab kommendem Sommer steigt der Satz auf 735 Euro. Dazu können rund 200 Euro Zuschuss für die Wohnung kommen. Davon können auch Asylbewerber Gebrauch machen, die nur den Status einer "Duldung" haben - allerdings erst nach einer Wartefrist von 15 Monaten.

Mit großen Zahlen von Flüchtlingen an deutschen Hochschulen und Universitäten rechnen die Experten erst zu Beginn des Wintersemesters 2016/17. An der Technischen Universität Berlin habe man dafür bereits einen eigenen Flüchtlingskoordinator eingesetzt, sagte Uni-Präsident Christian Thomsen. Die Menschen gehörten doch zur akademischen Familie, beschrieb er seine Interpretation der Willkommenskultur. Seiner Erfahrung nach verbreite sich unter den Flüchtlingen durch die sozialen Medien und Smartphones in Windeseile, wo man in Deutschland was machen kann - eben auch, was akademische Ausbildungsmöglichkeiten betrifft.