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Erdogan verspricht der EU nichts

5. Oktober 2015

Dass die Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Erdogan schwierig würden, hatten Diplomaten in Brüssel schon erwartet. Eine schnelle Lösung für das Flüchtlingsproblem gibt es auch mit türkischer Hilfe nicht.

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Der türkische Präsident Tayyip Erdogan in Brüssel
Bild: Reuters/F. Lenoir

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und EU-Spitzenpolitiker haben bei ihren Unterredungen in Brüssel auch die Einrichtung einer sogenannten Sicherheitszone in Nordsyrien erörtert. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan, es sei "unbestritten", dass Europa seine Grenzen "besser handhaben" müsse. Auch über eine "mögliche Pufferzone in Syrien" sei gesprochen worden. Ankara und die von ihr unterstützten Gegner der Regierung in Damaskus fordern seit langem eine Flugverbotszone in Syrien, um die Luftüberlegenheit der syrischen Armee zu beenden.

Kein "Mantel der Legitimität" für die PKK

Erdogan ist bekanntermaßen ein entschiedener Gegner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Zur Lösung des Flüchtlingsproblems sei außer einer Flugverbotszone auch eine "Sicherheitszone zum Schutz vor Terrorismus" erforderlich, führte Erdogan in Brüssel aus. Die EU müsse die Türkei außerdem nicht nur gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), sondern auch beim Kampf gegen die Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützen. Es sei "traurig zu sehen", dass einige Staaten die PKK in der Praxis nicht als Terrororganisation behandelten. Er setze kurdische Kämpfer und Verbände mit dem IS gleich. Der Kampf der Kurden gegen den "Islamischen Staat" dürfe der kurdischen Organisation keinen "Mantel der Legitimität" verleihen.

Der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte vor dem Treffen mit Erdogan angekündigt, er werde seinem "Freund" eine gemeinsame Flüchtlingsagenda vorschlagen. Die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hatte über einen Aktionsplan berichtet, der den Bau von sechs neuen Flüchtlingslagern auf türkischem Boden vorsehe. Die EU solle sich demnach im Gegenzug verpflichten, bis zu eine halbe Million Flüchtlinge nach Europa zu holen. Darüber hinaus soll es gemeinsame Patrouillen der türkischen und griechischen Küstenwache geben. Diplomaten sprachen in Brüssel davon, dass Erdogan die Bereitschaft zur Einrichtung weiterer Flüchtlingslager gezeigt habe.

Vor den Unterredungen mit der EU-Spitze hatte sich der türkische Präsident noch unzufrieden mit der europäischen Flüchtlingspolitik gezeigt. "Während wir 2,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, nimmt Europa als Ganzes weniger als insgesamt 250.000 auf", erklärte Erdogan. Die Türkei sei nunmehr seit vier Jahren gastfreundlich zu Menschen aus Syrien, ohne Ansehen der Religion.

Türkei: Flüchtlingslager für syrische Flüchtlinge
Millionen von Flüchtlingen aus Syrien sind zunächst in der Türkei angekommenBild: picture-alliance/AA/I. Erikan

Moralische Bankrotterklärung?

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wandte sich gegen Überlegungen zu einer europäisch-türkischen Vereinbarung in der Flüchtlingspolitik. Sollten türkische und griechische Grenzschutzeinheiten künftig gemeinsam mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Seegrenze im Mittelmeer abriegeln, dann wäre das "eine moralische Bankrotterklärung Europas", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Frontex-Chef Fabrice Leggeri forderte hingegen eine koordinierte Überwachung der Außengrenzen Europas. Frontex könnte den Kern eines schnell aktionsfähigen europäischen Netzwerkes bilden, sagte Leggeri der französischen Regionalzeitung "Dernières Nouvelles d'Alsace". Von Januar bis Ende September sind nach seinen Angaben an den EU-Außengrenzen etwa 630.000 illegale Einwanderer registriert worden.

Im September hatten die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen, den Vereinten Nationen eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung zu stellen, um Flüchtlinge aus Syrien etwa in der Türkei, in Jordanien und im Libanon besser versorgen zu können. In diesen Nachbarländern ist das Gros der vor dem Bürgerkrieg geflohenen Menschen untergebracht. Wegen Geldmangels der Hilfsorganisationen wird ihre Versorgung zunehmend schlechter.

ml/stu (rtr, dpa, afp)