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Flieg Drache, flieg!

Frank Sieren26. November 2014

Die Fortschritte sind langsam und mühevoll. Aber klar ist: Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing bekommen einen Wettbewerber, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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ARJ21-700 im Hangar des chinesischen Herstellers Comac (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei Airbus war der Jubel groß, als Anfang des Monats ein neuer Großauftrag unterschrieben wurde. 100 Mittelstreckenjets aus der A320-Modellfamilie für insgesamt 8,2 Milliarden Euro wurden bestellt. Eigentlich sind solche Aufträge für einen Flugzeugkonzern wie Airbus nichts Außergewöhnliches. Denn schon lange gilt: Wann immer internationale Airlines neue Flugzeuge bestellen, freuen sich bisher die beiden Flugzeugbauer-Platzhirsche Boeing oder Airbus über die Aufträge. Das wird zwar noch eine Zeit lang so bleiben. Doch das Ende des bisherigen Duopols zeichnet sich am Horizont ab. Genauer gesagt in China, dem Zukunftsmarkt der Flugzeugbauer.

Denn das Land ist groß. Und gerade der aufsteigenden Mittelschicht in China wird es langsam aber sicher zu mühsam, stundenlang im Zug unterwegs zu sein. Auch wenn die chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge mittlerweile Weltspitze sind, und chinesische Zugbauer der internationalen Konkurrenz das Fürchten lehren. Doch in China können sich nun auch immer mehr Menschen ein Flugticket leisten und mit mehr als 2,2 Milliarden Inlandsreisen pro Jahr ist der chinesische Markt wohl einer der attraktivsten – auch für den Westen.

Marktzugang im Tausch gegen Technologie

Und genau das haben sich die Chinesen bisher auch gut bezahlen lassen - nach altbekanntem Muster: Zugang und Anteile am heimischen Markt gegen Technologie. Während Boeing Flugzeugteile in chinesisch-amerikanischen Gemeinschaftsunternehmen herstellt und Airbus sogar ganze Flugzeuge zusammenbaut, schauen ihnen ihre Gastgeber geduldig über die Schulter und lernen. Doch irgendwann will der Lehrling seinen Meistern Konkurrenz machen. Und diese Phase beginnt nun. Chinas Fluglinien werden in den nächsten 20 Jahren Schätzungen zufolge neue Maschinen im Wert von 870 Milliarden Dollar bestellen. Und diese Aufträge will Peking nicht nur ins Ausland vergeben.

Frank Sieren (Foto: Frank Sieren/DW)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Außerdem will Chinas Führung der Welt zeigen, dass man in der Lage ist, anspruchsvolle Hightech-Produkte nicht nur in den Fabriken des Landes für ausländische Auftraggeber herzustellen, sondern auch für seinen eigenen Markt zu entwickeln und zu exportieren. Das Ergebnis dieser Bemühungen war letzte Woche auf der Flugzeugmesse in der südchinesischen Stadt Zhuhai zu sehen. Der staatliche Flugzeugbauer präsentierte dort gleich zwei Modelle, mit denen man sich gegen die Konkurrenz aus dem Westen positionieren will: die ARJ21, ein Jet für die Kurzstrecke mit Platz für bis zu 90 Passagieren, und die C919, mit einer Kapazität von bis zu 168 Passagieren. Damit setzen die Chinesen klar auf das Brot- und Buttergeschäft der Konkurrenz, nämlich die Mittelstreckenflieger A320 und die Boeing 737.

Hunderte Vorbestellungen für chinesisches Flugzeug

Aktuell gibt es bereits 430 Vorbestellungen für den großen Flieger. Der C919 soll seinen Jungfernflug im kommenden Jahr haben. Der ARJ21 fliegt schon, ist aber weder national noch international zertifiziert. Weil zu viele verschiedene Zulieferer beteiligt sind, gibt es Probleme, das Flugzeug dicht zu kriegen. Dass von den Aufträgen bislang kaum welche aus dem Ausland kommen, wird Peking nicht beunruhigen. Das Konzept, zuerst im eigenen Land zu wachsen und dann international den Markt abzuräumen, hat schließlich schon mit Schnellzügen geklappt. Und das Fliegen ist nicht nur in China, sondern auch weltweit nicht weniger gefragt. Und wie es aussieht, können Airbus und Boeing künftig nicht mal mehr den Kampf um den dicksten Jumbo im Hangar alleine austragen.

Wie nun auch auf der Flugmesse durchsickerte, plant der chinesische Passagier-Flugzeugbauer Comac gemeinsam mit Russlands United Aircraft ebenfalls ein ähnliches Spitzenmodell, das in den nächsten zehn Jahren auf den Markt kommen könnte. Und sollten sich die Chinesen beim Flugzeugbau genauso geschickt anstellen wie beispielsweise bei Smartphones, Computern oder Zügen, dann ist das nächste Ziel schon deutlich am Himmel zu sehen: China will auch den internationalen Markt in der zivilen Luftfahrt erobern. Schätzungen zufolge werden in den nächsten 15 Jahren knapp 100.000 neue Flugzeuge ihre Runden um den Globus ziehen. Damit wäre der Markt über 4,5 Billionen US-Dollar schwer. Von diesem Kuchen will China etwas abhaben.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.