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Ferrari - zwischen angefressen und aufgefressen

Sarah Wiertz
30. August 2020

Die Situation ist nicht nur ernst, sie ist hoffnungslos. Das siebte Rennen der Formel-1-Saison in Spa beenden die Ferrari auf Platz 13 und 14. Ein Ergebnis, symbolhaft für die verkorkste Saison. Hoffnung? Erst mal nicht.

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F1 Grand Prix of Belgium | Sebastian Vettel
Teaminterner Kampf statt mit der Konkurrenz: Sebastian Vettel (5) und Charles LeclercBild: Getty Images/R. Carezzevoli

Die 19. Runde auf der prestigeträchtigen Motorsportrennstrecke in Spa: Ferrari-Pilot Charles Leclerc versucht, aus dem Windschatten heraus in der Les Combes-Kurve seinen Teamkollegen Sebastian Vettel zu überholen. Es gibt eine leichte Berührung, letztlich muss Leclerc zurückstecken. Ein Prestigeduell - bei dem es aber nur um Platz zwölf geht. 

Platz zwölf - auf diesem Niveau fährt derzeit der Traditionsrennstall aus Italien. Die Szene steht symbolhaft für die bisherige Ferrari-Saison. Am Ende fahren Vettel und Leclerc als 13. Und 14. ins Ziel. Der Ferrari SF1000 ist nicht konkurrenzfähig, die Taktik der Roten mal wieder nicht aufgegangen. Davon, mit den einmal mehr überlegenen Mercedes, die mit Lewis Hamilton und Valtteri Bottas einen Doppelsieg feierten, kann Ferrari nur träumen. Momentan reicht es nicht einmal, Alpha Tauri und Alfa Romeo in Schach zu halten.

"Wir haben uns schwer getan, die Reifen ans Arbeiten zu kriegen", meinte Vettel gegenüber RTL: "Aber auch, wenn es besser gelaufen wäre, hätten wir hier nicht auf Platz fünf gestanden."

Ferrari mit falscher Taktik

Denn selbst das Wetter spielt nicht mit für die Scuderia. Die hatte auf Regen am Rennsonntag gesetzt und war am Samstag beim Qualifying extra mit höheren Flügeln gefahren, um dann beim Rennen auf regennasser Strecke einen aerodynamischen Vorteil zu haben. 

Der Nachteil war, dass Ferrari mit dieser Aktion laut Teamchef Mattia Binotto "ein wenig Quali-Zeit geopfert" hatte und die beiden Piloten Charles Leclerc und Sebastian Vettel nur von Platz 13 und 14 ins Rennen starten konnten. 

Formel 1 Belgien 2020
Wie lange darf Mattia Binotto die sportlichen Geschicke der Scuderia Ferrari noch steuern?Bild: picture-alliance/DPPI/A. Vincent

Zwar zogen Mitte des Rennens Wolken auf, die Rennstrecke blieb jedoch trocken. Der vermeintliche Vorteil war damit dahin, der Nachteil mit den hinteren Startplätzen wog doppelt schwer. Denn auch wenn Leclerc beim Start noch fünf Plätze gut machen konnte - dank seiner weichen Reifen - musste er kurz darauf doch wieder die (mittelmäßige) Konkurrenz an sich vorbeilassen.  

Vor einem Jahr Sieger, jetzt großer Verlierer

Einer gewissen Ironie entbehrte das Rennen nicht: Vor einem Jahr war Ferrari hier mit rätselhaft überlegenem Motorenpower zum Sieg gerast, später kamen Schummelvorwürfe auf, Ferrari musste kurzfristig den Motor umbauen - seitdem ist der Rennstall nur noch mittelmäßig - wenn überhaupt.

"Ich habe solche Probleme auf den Geraden", funkte Leclerc, der nach dem Start von Rang 13 auf Platz acht vorgeschossen war, im ersten Drittel hilflos an die Box. Ein Konkurrent nach dem anderen überholte ihn, und so tauchte bald wieder Vettel, gestartet mit den mittelharten Reifen, hinter ihm auf. 

Symbolbild Sebastian Vettel enttäuscht
Seit Wochen frustriert bei seinem Noch-Arbeitgeber: Sebastian VettelBild: picture-alliance/dpa/HOCH ZWEI

Durch eine Safety Car Phase - ein Doppelunfall von Antonio Giovinazzi im Alfa Romeo und Williams-Pilot George Russell - zog Vettel nach einem Reifenwechsel an Leclerc vorbei, Der versuchte anschließend seinerseits wieder vorbeizukommen, seine Überholmanöver blieben aber - wie in Runde 19 - erfolglos. 

Reifenprobleme allüberall

Wenig später holte Ferrari Leclerc erneut an die Box, gab ihm schnellere Reifen, er nahm vom Ende des Fahrerfeldes erneut Anlauf - eine Taktik, die sich auch Vettel gewünscht hätte. "Die Typen vor mir", funkte er mit Blick etwa auf Alfa-Pilot Kimi Räikkönen an die Box, "werde ich sowieso nicht mehr überholen. Vielleicht denkt ihr mal über einen Stopp nach. Ich sage euch, ich werde aufgefressen."  

Der Ferrari-Kommandostand sah das anders, Vettel musste auf seinen alten Reifen draußen bleiben. "Ich mag das Gefühl im rechten Vorderreifen nicht”, funkte auch Spitzenreiter Lewis Hamilton an die Box. Nach seinem Reifenplatzer in Silverstone wollte der Titelverteidiger in der Schlussphase kein allzu großes Risiko mehr eingehen. Musste er auch nicht, weil sein Teamkollege Valtteri Bottas und Max Verstappen im Red Bull ebenso mit schwindenden Reifen zu tun hatten passierte an der Spitze nichts mehr. Auch Vettel konnte sich vor Leclerc behaupten. Das einzige Positive für den Deutschen an diesem Wochenende: Immerhin hat er das teaminterne Duell gewonnen.

Und wie sieht die Zukunft von Ferrari aus? Teamchef Binotto sieht da erstmal Rot: "Wir müssen nun geduldig bleiben und in die Zukunft blicken. Unser Fokus liegt auf 2021 und speziell 2022." Ferrari setzt alle Hoffnungen vor allem in das neue Reglement, das in zwei Jahren eingeführt wird - bis dahin ist es noch eine lange Fahrt.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online