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Eintracht-Fans: "Barca gezeigt, was sie verloren haben"

Felix Tamsut
22. April 2022

Ein Jahr nach der gescheiterten Gründung der Super League standen sich beim Frankfurter Gastspiel in Barcelona mit 30.000 mitgereisten Fans nicht nur zwei Klubs, sondern auch zwei Fan- und Vereinsphilosophien gegenüber.

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Europa-League I  Barcelona - Frankfurt
Mehr als 30.000 Fans begleiteten Eintracht Frankfurt zum Viertelfinal-Rückspiel in Barcelona Bild: Matthias Oesterle/ZUMA/IMAGO

Gut eine Woche ist es her, dass mehr als 30.000 Fans von Eintracht Frankfurt den Sensations-Sieg und das Weiterkommen ihres Teams beim großen FC Barcelona feierten. Dabei waren die SGE-Fans akustisch in der Übermacht, von einer "Übernahme" des Camp Nou war gar die Rede. 

In katalanischen Medien wurde die "deutsche Invasion" kritisiert, woraufhin Klub-Präsident Joan Laporta ankündigte, künftig nur noch personalisierte Tickets für Heimspiele verkaufen zu wollen. Einige Barca-Fangruppierungen hatten zuvor angekündigt, die kommenden Spiele boykottieren zu wollen - aus Protest gegen die Umstände, die zu ihrer Unterlegenheit im eigenen Stadion geführt hatten. 

Die Schuldfrage

"Viele haben sich nicht sicher gefühlt", sagte Marc Rossel Ricart, langjähriges Barca-Mitglied, gegenüber der DW. Nicht, weil die Fans aggressiv waren, sondern weil man es gewohnt sei, ausschließlich von Barca-Fans umgeben zu sein. Ricart sieht die Verantwortung dafür beim eigenen Klub, der wiederum die Schuld den Fangruppierungen zuschiebt: Sie sollen angeblich Tickets weiterverkauft haben. Das hält Ricart für "unmöglich": "Die Deutschen haben die Karten größtenteils vom Verein gekauft. Und der Verein hat das Geld genommen."

"Wir haben nicht erwartet, dass all diese Leute auch ins Stadion kommen würden", sagte Barcelonas Sicherheitschef Lluis Venteo. Doch Drohnen-Videomaterial zeigten laut Venteo, "dass alle Tickets hatten, obwohl die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt uns versichert hatten, dass die meisten keine hätten."  

Gegensätzliche Kulturen 

Dass Bundesliga-Klubs wie Frankfurt international von abertausenden Fans begleitet werden, ist nicht neu. Vor vier Jahren kamen zum Europa-League-Spiel des 1. FC Köln bei Arsenal rund 25.000 Kölner Fans nach London. 2011 machten sich rund 10.000 Fans von Hannover 96 mit auf den Weg zum Auswärtsspiel beim FC Kopenhagen. Eintracht Frankfurt wurde in der Europa-League-Saison 2018/19 bei Auswärtsspielen regelmäßig von 10.000 und mehr Fans begleitet.

"Ich glaube, die Frankfurt-Fans sind schon ein bisschen verrückt", sagt Cettina Kramer, die die beim Spiel in Barcelona dabei war. Ein Grund für die unglaubliche Masse an mitgereisten Fans sei aus ihrer Sicht die Befürchtung gewesen, dass dies das letzte internationale Spiel der Eintracht für längere Zeit sein könnte. "Es ist noch nicht so lange her, da haben wir gegen den Abstieg gespielt. Aber natürlich will jeder, dass die Eintracht in Europa spielt und deswegen wollen das alle mitnehmen", erklärt die 27-Jährige. 

Das Spiel in Barcelona war mehr als nur ein Europa-League-Viertelfinalrückspiel: Rund ein Jahr nach dem gescheiterten Versuch, eine europäische Super League zu gründen, war das Aufeinandertreffen des katalanischen Großklubs und des Bundesligisten auch ein Zusammenprall von Kulturen. "Die deutschen Fans haben eine völlig andere Kultur", sagt auch Lluis Venteo. "Sie kommen sehr früh ins Stadion und feuern ihre Mannschaft während des Spiels stehend und lautstark an, während unsere Fans dazu neigen, das Spiel eher sitzend zu verfolgen.

Bis auf kleinere Vorkommnisse seien beide Fanlager sehr friedlich miteinander umgegangen - in diesem Punkt sind sich Rossell Ricart und Cettina Kramer einig. Viele Frankfurt-Fans feierten vor und nach dem Spiel gemeinsam mit Barca-Anhängern - Einigkeit durch Fußball. Doch wenn man sich die Beziehung beider Klubs zu ihren eingefleischten Fans genauer ansieht, könnten die Unterschiede kaum größer sein. 

Europa-League I  Barcelona - Frankfurt
Frankfurt-Anhänger im Camp Nou: Ein großer Abend für Klub und FansBild: Lluis Gene/AFP

Finanzielle Probleme 

Eintracht Frankfurt ist aufgrund der 50+1-Regel, wie die meisten deutschen Klubs, mehrheitlich von Mitgliedern bestimmt, die gegenüber den meist in Gesellschaften ausgegliederten Profi-Abteilungen stimmenmäßig überlegen sind. Auch der FC Barcelona ist ein Verein mit stimmberechtigten Mitgliedern, doch in Angelegenheiten der Profi-Abteilung fehlt es den Mitgliedern an Einfluss und Kontrolle.

Bei Barca wählen rund 144.000 Mitglieder alle sechs Jahre den Präsidenten, der in der Folge aber kaum rechenschaftspflichtig ist und die Geschicke bei den Profis weitgehend autark bestimmen kann. Dass hier Interessen von Sponsoren und anderen Geldgebern über die der Mitglieder gestellt werden, liegt im globalen Geschäft Fußball, in dessen Spitze Barca um Milliarden spielt, auf der Hand.        

Man sei es natürlich gewöhnt, international zu spielen und wahrgenommen zu werden, erklärt Rossel Ricart: "Aber es ist wichtig, dass Barcelona dabei immer ein katalanischer Klub bleibt. Das ist etwas nicht Verhandelbares." Seit einigen Jahren hat der große Klub aus Katalonien allerdings auch große finanzielle Probleme. In Spanien kann ein eingetragener Verein ohne - wie in Deutschland üblich - ausgelagerte Kapitalgesellschaft kein Kapital durch Anteilsverkäufe oder private Investitionen generieren.

Astronomische Ausgaben

Ein Problem für Barca, das nach Jahren des Missmanagements schwer angeschlagen ist. Die gigantischen Kosten für Spielergehälter und immer neue, millionenschweren Transfers, die traditionell zu den Wahlversprechen der Barca-Präsidenten gehören, haben den Klub in finanzielle Schieflage gebracht. Als dann noch die finanziellen Ausfälle aufgrund der Pandemie dazu kamen, war der Klub gar gezwungen sein jahrelanges Aushängeschild zu verkaufen: Der argentinische Weltstar Lionel Messi verließ den Klub 2021 in Richtung Paris St. Germain.

Die großen finanziellen Probleme, aber vor allem die Suche nach neuen Einnahmenquellen waren die Hauptmotivation für Klubs wie Barcelona oder den Erzrivalen Real Madrid, den Super-League-Vorstoß zu wagen. Doch die Pläne der insgesamt zwölf europäischen Spitzenklubs aus Spanien, England und Italien - die deutschen Spitzenklubs Bayern und Dortmund waren nicht mit von der Partie - scheiterten. Die Drohung der UEFA, die "Abtrünnigen" zu sanktionieren und aus der Champions League auszuschließen, zeigte Wirkung. Neun Klubs erklärten ihren Rückzug aus dem Projekt, Barca gehörte nicht dazu.  

Super League - "si" oder "nein"

"Für uns würde eine Super League niemals in Frage kommen - unter keinen Umständen", sagt Frankfurt-Fan Kramer. "Für mich ist ein Auswärtsspiel in Bochum im Regen unter Flutlicht viel mehr wert, als sich ständig wiederholende Duelle zwischen den europäischen Top-Klubs, die die Super League wollten." Barca-Mitglied Rossell Ricart steht, wie viele Fans in Spanien, nach wie vor hinter den Super-League-Plänen seines Klubs. "Ob es uns gefällt oder nicht: Fußball ist Geschäft. Und im Geschäftssinne ist eine Super League irgendwann nötig."  

Finanzielle Stabilität, Fankultur oder die Unterstützung der Super League: Barcelona und Eintracht Frankfurt repräsentieren zwei verschiedene Versionen des modernen Fußballs. Die Ereignisse der vergangenen Woche im Camp Nou haben die Gegensätze für alle deutlich gemacht. Für Cettina Kramer steht fest, welche Philosophie überlegen ist: "Indem wir den Fans von Barcelona gezeigt haben, wie viel dieses Spiel für uns bedeutet hat, haben wir ihnen gezeigt, was sie verloren haben." 

Aus dem Englischen adaptiert von David Vorholt