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Frankreich bietet den Müttern viel

Nadine Baier2. Dezember 2008

In Deutschland sind die Fronten verhärtet: hier die "Glucken", dort die "Rabenmütter". In Frankreich schließen sich Karriere und Kinderwunsch nicht aus. Es gilt als selbstverständlich, dass Mütter wieder arbeiten.

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Kinder spielen zusammen (Foto: dpa/11.10.2001)
Den Umgang mit anderen Kindern lernen die Kleinen in der KitaBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Das 18. Arrondissement in Paris ist ein ruhiges Viertel mit Einfamilienhäusern, gepflegten Vorgärten und Spielplätzen. Florence le Corre schlendert am Sandkasten vorbei – heute ohne ihren dreijährigen Sohn Simon. Er ist bei ihren Eltern im Süden Frankreichs. Normalerweise gehört das Wochenende ihrem Kind, unter der Woche spielen Babysitter und Erzieher mit Simon.

Mit neun Monaten kam Simon in die Kinderkrippe. So konnte Florence arbeiten. Und auch für ihren Sohn sei es gut, sagt sie. "Ich habe Kinder in seinem Alter gesehen, die den ganzen Tag mit ihrer Mutter verbrachten. Ich fand es viel besser, dass er von anderen Kindern umgeben ist und von Damen betreut wird, die ausgebildet sind", erklärt sie. Deshalb sei ihr Sohn ein extrem aufgeweckter Junge.

Babysitter und Kinderkrippe

Zuhause genießt Florence die Ruhe. Ihr Lebensgefährte Stefan arbeitet am Computer. Sie leben in einer für Pariser Verhältnisse geräumigen Dreizimmerwohnung. Florence ist Schauspielerin. Kind und Job kann sie nur mit einem dicken Adressbuch mit Babysittern und Kinderkrippe vereinen.

Eine Frau arbeitet im Labor (Foto: AP/01.09.2005)
Die Woche gehört dem Job...Bild: AP

Stefan ist Musiker, arbeitet aber in einem Finanzbüro. Dass seine Frau zu Hause bleibt und sich um die Kindererziehung kümmert, kam für Stefan nie in Frage. "Wenn eine Frau daran gewöhnt ist, ein unabhängiges Leben zu führen und plötzlich verbannt wird, zu Hause zu bleiben, dann ist das wirklich schlimm", sagt er. Für Florences Freunde und Familie ist das ganz normal.

Ruf als Rabenmutter

Dass es nicht überall so sei, habe eine Freundin erlebt, die in Deutschland gearbeitet habe, erzählt Florence. Sie sei von ihrem Freund als Rabenmutter bezeichnet worden – weil sie als Regieassistentin gearbeitet und ihren Sohn so lange bei Oma gelassen habe.

Diese Anekdote hat Florence inspiriert. Sie schreibt in ihrer Freizeit an einem Theaterstück über Mutterschaft. Der Titel: "Mère de corbeaux" - Rabenmutter. Ein eigenartiger Titel in Frankreich, denn dieses Wort existiert in der französischen Sprache nicht.

Heimliche Bewunderung

Eine Mutter zieht ihr Kind an (Foto: www.ruhr-photo.com)
... die Wochenenden gehören den KindernBild: das-fotoarchiv.com

Auch die deutsche Journalistin Tanja Kuchenbecker, die seit 15 Jahren mit ihrem Mann in Paris lebt, erzieht ihre zwei Kinder auf die französische Art. Für ihre deutschen Bekannten ist das keine Erziehung. Das Wort "Rabenmutter“ ist der Autorin des Buches "Glucken gegen Karriere-Hühner“ nicht unbekannt. "Da habe ich schon gehört: 'Du hast die Kinder ja nur gekriegt, um sie abzugeben. Man muss sich doch selber um die Kinder kümmern, man kann sie doch nicht den ganzen Tag in die Schule geben'", sagen ihre Bekannten. Sie fänden es nicht gut, wenn sich der Staat um die Kinder kümmere.

Doch insgeheim bewundern sie ihre kinderlosen Freundinnen aus Deutschland. Denn dank Kinderkrippen und Ganztagsschulen hatte Tanja Kuchenbecker Zeit, ihr Buch zu schreiben. Und so nutzt praktisch jede Mutter in Frankreich die vielfältigen Betreuungsangebote des Staates: Dazu gehören Beihilfe zur häuslichen Kinderbetreuung, Beihilfe zur Beschäftigung einer Tagesmutter oder Erziehungsgeld. Außerdem muss seine Mittelschichtfamilie mit drei Kindern in Frankreich praktisch keine Steuern zahlen – dank der Einkommenszuschüsse des Arbeitgebers.