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Frankreichs mühsamer Kampf gegen die Polygamie

Genevieve Oger1. August 2005

Polygamie ist illegal - auch in Frankreich. Trotzdem schätzt man, dass dort 400.000 Menschen polygam leben. Die Anti-Polygamie-Initiativen der Regierung fruchten wenig.

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Viele Kinder von vielen FrauenBild: dpa Zentralbild

Im Pariser Vorort Cergy sieht man viele Menschen, die das traditionelle afrikanische Gewand, die Djellabah, tragen. Aber nicht nur die Kleidung ist hier traditionsverbunden. Viele Familien in den vielen Sozialwohnungen leben polygam. Das bedeutet, dass ein Mann mit mehreren Frauen verheiratet ist.

Polygamie ist seit 1993 in Frankreich verboten. Trotzdem schätzt die französische Regierung, dass sich zwischen 150.000 und 400.000 Menschen in Frankreich in einer polygamen Beziehung befinden. Dabei lebten diese Menschen entweder schon polygam, bevor das Gesetz gegen Polygamie in Kraft trat - oder es handelt sich um Afrikaner, die weitere Ehen in Afrika schlossen und ihre neuen Frauen illegal nach Frankreich brachten.

Organisationen machen sich stark

Der "Verband Afrikanischer Frauen" (AFAVO) ermutigt Frauen, die das polygame Eheleben hinter sich lassen möchten. Die französische Regierung unterstützt seit 2001 die Zweit- oder Drittfrauen mit einem Programm: Sie sollen in eine eigene, staatlich subventionierte Wohnung ziehen.

Frauen müssen selbst Entscheidung treffen

Die Berufsbezeichnung von Mamalea Bapuwa, die bei der AFAVO arbeitet, ist "Interkulturelle Vermittlerin". Sie versteht ihren Job darin, polygamen Frauen zu helfen - sie aber zu nichts zu zwingen. Denn nach Bapuwas Auffassung handelt es sich beim Thema Polygamie um etwas sehr Persönliches. Deshalb würde die AFAVO auch niemals eine Frau unter Druck setzen. "Erst wenn eine polygame Frau sich dazu entschlossen hat, aus ihrer Ehe auszubrechen und alleine leben will, kommt sie zu uns", erklärt Bapuwa.

Beschränkte Rechte

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Bild: dpa

Nach Ansicht der französischen Regierung hält ein polygames Leben Ausländer davon ab, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Außerdem verstoße Polygamie gegen Frauenrechte und somit gegen die französische Verfassung.

Deshalb will die Regierung Frauen stärker dazu drängen, ihre Ehemänner zu verlassen. Um dies zu beschleunigen, werden stark subventionierte Wohnungen zur Verfügung gestellt. Auch erteilt der französische Staat polygamen Familien keine zehnjährigen Aufenthaltsgenehmigungen, die Ausländern gewöhnlich zusteht. Die Aufenthaltsgenehmigung für polygame Familien ist auf ein Jahr beschränkt, kann aber erneuert werden.

Polygame Vorzüge

Die 39-jährige Fatima Camara aus Mali hat fünf Kinder und ist die zweite Ehefrau in einer polygamen Beziehung. Als ihr Cousin sie und ihre Familie 1987 aus Frankreich besuchen kam, wusste Fatima, dass ihr Cousin bereits verheiratet war. Obwohl Fatima sich gegen eine Heirat hätte wehren können, beugte sie sich dem Wunsch ihrer Eltern und wurde die zweite Frau ihres Cousins.

Nach Fatimas Aussage verlief die Beziehung gut, bis die Kinder älter wurden. Da die erste Frau und Fatima zusammen zehn Kinder haben, wohnten sie mit 13 Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Mit der Zeit wurde die Situation so kompliziert, dass Fatima schließlich in ein staatlich unterstütztes Appartment zog. Dort genießt sie es, alleine zu wohnen - lebt aber weiterhin in der Beziehung mit ihrem Mann. "Wir sind nicht alleine und können uns über Probleme austauschen. Es gibt viele Aspekte, die mir in dieser Beziehung gefallen", erzählt Fatima.

43 Geschwister

Der französischen Regierung reicht es jedoch nicht, dass Fatima "nur" ausgezogen ist. Sie soll sich nun auch scheiden lassen. Aber das kommt für Fatima nicht in Frage, lieber nehme sie einmal im Jahr den Papierkram in Kauf, um ihre Aufenthaltsgenehmigung zu erneuern.

Eine Haltung, die nicht von jedem vertreten wird: "Auch wenn ich Afrikaner bin - ich bin strikt dagegen", sagt Kofi Jumeau. "Und ich weiß wovon ich spreche: Mein Vater hatte zwischen neun und elf Frauen." Jumeau hat deshalb 43 Geschwister. "Es war schrecklich für uns."

Bemühungen bisher erfolglos

Trotz intensiver Bemühungen und großzügiger Unterstützungshilfen sind die Initiativen der französischen Regierung gegen Polygamie bisher nicht sonderlich erfolgreich. Es gibt keine offiziellen Statistiken über die Anzahl der polygamen Familien, die sich getrennt haben.

Eine Behörde aus der Region um Paris zum Beipspiel berichtete, dass sich 81 Frauen in den letzten fünf Jahren eine eigene Wohnung zugelegt haben und sich 24 von ihnen haben scheiden lassen. Insgesamt gibt es laut Statistik insgesamt 500 Familien in dem Verwaltungsgebiet, die polygam leben. Und die Dunkelziffern sei noch viel höher.