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Frauen erobern das Cockpit

Saskia Guntermann / Michael Marek23. August 2013

Am 23. August 1988 war es soweit: Die erste Frau trat ihren Dienst als Pilotin bei der Lufthansa an. Heute haben Frauen freien Zutritt zu der einstigen Männerdomäne - und sind im Cockpit doch noch immer eine Minderheit.

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Eva Hetzmanseder geb. Lausmann und Nicola Lisy, geb. Lunemann , die ersten von Lufthansa ausgebildeten Pilotinnen im August 1988 vor einer Boeing 737
Bild: Roland Fischer, Lufthansa

"Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Deutschen Lufthansa". Der Satz war Maxime. Jahrzehntelang. Doch Alfred Vermaaten, der ehemalige Leiter der Lufthansa-Verkehrsfliegerschule, täuschte sich. Die erste Boxweltmeisterin triumphierte 1994, Lufthansa-Pilotinnen gab es jedoch schon 1988.

Nicola Lisy und Evi Hetzmannseder machten den Anfang. Nach zweijähriger Berufsausbildung saßen sie mit gerade einmal 23 Jahren am Steuerknüppel einer Boeing 737 - zunächst als Kopilotinnen. "Natürlich mit ganz viel Stress, wir waren ja noch Neulinge. Zum ersten Mal mit Passagieren an Bord, ich hatte weiche Knie", erzählt Evi Hetzmannseder rückblickend. Im Jahr 2000 wurde sie Kapitänin, eine Berufsbezeichnung, die Lufthansa extra für Hetzmannseder und ihre Nachfolgerinnen einführte.

Immer noch Männersache

Was vor 25 Jahren eine Revolution war, gehört mittlerweile zum Alltag. Dennoch sind heute nur etwa sechs Prozent der Lufthansa-Piloten weiblich. Und damit liegt die deutsche Fluggesellschaft noch vor ihrer Konkurrenz Air France und British Airways. Bei Singapore Airlines gibt es bis heute keine einzige Pilotin, bei Sri Lanka Airlines zumindest eine. In den USA sind auch nur lediglich sechs Prozent der Piloten weiblich.

Eva Hetzmanseder geb. Lausmann (links) und Nicola Lisy, geb. Lunemann , die ersten von Lufthansa ausgebildeten Pilotinnen, im August 1988 im Cockpit einer Boeing 737
Stolze Pilotinnen: Evi Hetzmannseder (links) und Nicola Lisy 1988 im Cockpit einer Boeing 737Bild: Roland Fischer, Lufthansa

Dass heute nur rund 300 Pilotinnen bei der Lufthansa angestellt sind, liegt nicht etwa an einer geringeren Leistungsfähigkeit von Frauen gegenüber Männern, die diesen Berufswunsch haben. Der Anteil der Bewerberinnen, die den Auswahltest der Lufthansa besteht, ist bei beiden Geschlechtern proportional gleich hoch. "Weder beim Eignungstest noch beim fliegerischen Können sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erkennen", erklärt Lufthansa-Kapitän und Ausbilder Rolf Müller. Nur nehmen eben immer noch viel weniger Frauen überhaupt an dem Test teil.

Weder Einstein noch Top Gun

Viele Frauen trauten sich den Beruf nicht zu, meint Riccarda Tammerle, die seit 13 Jahren Kopilotin bei der Lufthansa ist. Dabei würden neben körperlicher und geistiger Fitness lediglich durchschnittliche mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten gefordert.

Der 154. Nachwuchsflugzeugführer-Lehrgang der Lufthansa 1988 mit Evi Hetzmannseder , geb . Lausmann (links) und Nicola Lisy, geb. Lunemann
Zwei von Sechzehn: Evi Hetzmannseder (links) und Nicola Lisy mit ihrem AusbildungsjahrgangBild: Roland Fischer, Lufthansa

"Früher habe ich gedacht, man müsse Elektroingenieur sein oder Zuhause selber Stromkreise aufgebaut haben." Aber das Gegenteil wäre der Fall, so Tammerle, die vor ihrer Pilotinnen-Laufbahn zwei Jahre als Flugbegleiterin arbeitete. Viel wichtiger sei es, dass man "multitaskingfähig ist und sich über lange Zeit konzentrieren kann." Im Cockpit zählten Eigenschaften wie Flexibilität und Teamfähigkeit. Fliegen sei heute eine Managementaufgabe. Deshalb lautet ihre Forderung: "Mehr Frauen ins Cockpit!"

Flexible Arbeitszeitmodelle

Dass es Frauen in der männerdominierten Flugbranche schwerer hätten, glaubt Evi Hetzmannseder aber nicht. "Akzeptanz kommt durch Leistung", sagt sie selbstbewusst. Vier goldene Streifen schmücken die Ärmel ihres marineblauen Jacketts, das Rangabzeichen der Kapitänin. "Frauen bevorzugen eher kreative und soziale Berufe. Deshalb braucht es Anreize, um Frauen ins Cockpit zu bringen."

Riccarda Tammerle
Seit 13 Jahren Co-Pilotin: Riccarda TammerleBild: Michael Marek

Lufthansa spricht ganz gezielt junge Frauen an. Der Luftfahrtkonzern wirbt mit einer Vielzahl von Arbeitszeitmodellen, damit Pilotinnen Beruf und Familie besser vereinbaren können. Das gelte im Übrigen auch für Männer, sagt Michael Lamberty. Außerdem gelte der Grundsatz "Gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit", so der Unternehmenssprecher. Das Einkommen richte sich ausschließlich nach dem Dienstalter. Trotzdem: Der Ansturm von Nachwuchsfliegerinnen auf die konzerneigene Pilotenschule ist bislang ausgeblieben.

Nicola Lisy, geb. Lunemann (links) und Evi Hetzmannseder, geb. Lausmann, wurden von April 1986 bis April ^1988 als erste Frauen in der Lufthansa-Verkehrsfliegerschule zu Pilotinnen ausgebildet.
Vor 25 Jahren waren sie die ersten, noch immer sind Pilotinnen weltweit in der MinderheitBild: Roland Fischer, Lufthansa

Kapitän Müller weist noch auf einen historischen Grund hin: "In den USA haben sich die großen Fluggesellschaften aus der Armee rekrutiert." In der Armee sei es ungeschriebenes Gesetz gewesen, dass Frauen nicht an der Waffe dienten. "Flugzeuge sind nicht nur Transport-, sondern auch Waffensysteme gewesen". Dadurch seien Frauen relativ spät ins Cockpit gekommen. "Heute haben wir Frauen als Kampfpiloten. Das belegt, dass Frauen genauso gut ihre Aufgaben erledigen wie Männer."

Die weltweit erste Frau im Cockpit eines Kampflugzeuges war aber keine Amerikanerin, sondern die Türkin Sabiha Gökcen. Sie war die vierte der acht Adoptivtöchter Mustafa Kemal Atatürks, des ersten Präsidenten der türkischen Republik.

Töchter des Ikarus

In Deutschland machte 1928 Marga von Etzdorf den Anfang als erste Lufthansa-Pilotin. Ein kurzes Intermezzo - danach vergingen 60 Jahre, ehe wieder eine Frau im Lufthansa-Cockpit Platz nehmen durfte. Auch bei der ehemaligen DDR-Fluggesellschaft Interflug waren keine Pilotinnen erwünscht.

Evi Hetzmannseder
Ist stolz, in einer Männerdomäne zu arbeiten: Evi Hetzmannseder heuteBild: Michael Marek

Evi Hetzmannseder sieht sich keineswegs als Vorbild für andere Frauen: "Mein Ziel war es nicht, anderen etwas zu beweisen oder irgendetwas Tolles darzustellen." Sie sei keine Vorkämpferin gewesen, sagt die Kapitänin. Ihrer Anstellung bei Lufthansa sei auch kein jahrelanger Kampf vorausgegangen. Es sei einfach immer ihr Traum gewesen, im Cockpit zu sitzen.

Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Bis 1991 flogen die ersten Pilotinnen bei der Lufthansa in Männeruniformen. Inzwischen sind auch Haarspangen, Haargummis, Damenkrawatten, Nikkituch und Handtasche Bestandteile der Uniform. Evi Hetzmannseder, Mit-Initiatorin der Uniform und Accessoires für Lufthansa-Pilotinnen, legt auf Rock oder Kleid aber keinen Wert. Sie trägt gern Krawatte.