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Frauen erobern sich die Berufswelt

Rayna Breuer1. Mai 2014

Sie ist Projektmanagerin, Bundeskanzlerin, Ärztin oder Professorin: Die Frau drängt in die Berufswelt. Der Weg an die Spitze ist oft schwer. Vorurteile und Klischees dominieren in der Gesellschaft.

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Frau zeigt auf eine Grafik (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung", so schrieb es das Bürgerliche Gesetzbuch vor. Übersetzt bedeutete das: Putzen, kochen, bügeln, Kinder betreuen gehörten ausschließlich zum Aufgabenbereich der Frau. Und wenn sie doch arbeiten gehen wollte, dann musste sie zuerst ihren Ehemann um Erlaubnis fragen.

Doch die Zeiten haben sich geändert - zu Gunsten der Frauen. Und einen Weg zurück gibt es nicht mehr. 1977 wurde der Paragraph geändert: "Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen", hieß es fortan. Immerhin ein kleiner Fortschritt - zumindest auf dem Papier.

Heute, fast vier Jahrzehnte später, ist eine berufstätige Frau keine Exotin mehr, sondern die Norm in der Berufswelt. "Frauen sind die Gewinnerinnen der Bildungsexpansion. Mehr noch: Sie möchten ihre Bildung in Erwerbstätigkeit umsetzen", sagt Jutta Allmendinger, Professorin für Soziologie und Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung. Doch trotz größter Anstrengungen der Politik, Versprechungen der Wirtschaft und langsamen Umdenkens in der Gesellschaft - die absolute Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern liegt immer noch in weiter Ferne.

Prof. Dr. Jutta Allmendinger (Foto: David Ausserhofer)
Jutta AllmendingerBild: David Ausserhofer

Die Zeit ist nicht stehen geblieben

Laut einer aktuellen Studie der Beratungsfirma PriceWaterhouseCoopers gehen etwa 72 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter einer Beschäftigung nach. Fast zehn Prozentpunkte mehr als vor zehn Jahren: "Die Politik hat das Thema auf die Agenda gesetzt und die Unternehmen haben reagiert. Deutschland ist auf einem guten Weg, eine vollständige Gleichberechtigung von Frauen im Berufsleben zu erreichen", sagt Petra Justenhoven von der Beratungsfirma PriceWaterhouseCoopers (PwC). Deutschland ist laut der Studie in der Rangliste nach oben geklettert und liegt derzeit auf Rang acht und damit über dem OECD-Durchschnitt. Im Jahr 2000 lag Deutschland noch auf dem 18. Platz.

Aber die neue Bundesfamilienministerin will es offenbar nicht bei dem achten Platz belassen. Mit viel Ehrgeiz wirbt Manuela Schwesig um ihre Pläne: "Viele Frauen stehen immer noch vor der Wahl zwischen Familie und Beruf. Leider ist es nicht selbstverständlich, beides haben zu können", sagt Manuela Schwesig der DW. Mit neuen Konzepten will sie junge Eltern darin unterstützen, ihre Vorstellungen von einer guten Vereinbarkeit umzusetzen. Leicht wird sie es nicht haben, denn beim Koalitionspartner stoßen die Pläne nicht auf breite Zustimmung.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (Foto: dpa)
Bundesfamilienministerin Manuela SchwesigBild: picture-alliance/dpa

Noch nicht am Ziel

Und so wird Deutschland bei Statistiken noch lange Zeit hinter den skandinavischen Ländern liegen. Die Aufholjagd ist aber eingeläutet: "Es hat sich vieles verbessert. Aber eine Gleichberechtigung ist noch lange nicht eingetreten", sagt Jutta Kutz-Kadereit vom Internationalen Frauenzentrum Bonn. "In die typischen Männerberufe kann eine Frau nur noch durch eine Quote reinkommen. Sie ist erforderlich, denn die gläserne Decke nach oben besteht für Frauen nach wie vor."

Nachholbedarf gibt es vor allem beim Thema Geld. Die Gehaltsunterscheide zwischen Männern und Frauen in Deutschland sind immer noch beträchtlich - sie liegen bei 16 Prozent. "Beim Spitzenreiter Irland liegt der Unterschied nur bei vier Prozent", sagt Justenhoven von PwC. "Und auch der Anteil von Frauen in Vollzeitbeschäftigung ist mit 62 Prozent in Deutschland unterdurchschnittlich. Spitzenreiter wären da Ungarn und die Slowakische Republik mit 94 Prozent."

Mehr noch: Frauen in Spitzenpositionen sucht man in Deutschland wie die Nadel im Heuhaufen. Nach wie vor sind sie stark unterrepräsentiert. Der weibliche Anteil in DAX30-Konzernen ist im Jahr 2013 sogar von acht auf sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Die Politik will auch hier eingreifen: "Ein Gesetz soll dafür sorgen, dass künftig mehr Frauen in Führungspositionen gelangen, etwa mit der 30-Prozent Quote für Aufsichtsräte", sagt Bundesfamilienministerin Schwesig und rechnet mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen ab.

Frauen mit Migrationshintergrund

In Deutschland haben es Frauen mit Migrationshintergrund besonders schwer, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Bürokratische Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen, mangelnde Sprachkenntnisse und die fehlende Unterstützung im Familienkreis führen oft dazu, dass die Frauen nie eine Chance bekommen, einen Beruf zu ergreifen: "Wir haben viele Fälle, wo Frauen, die seit zehn, 20 Jahren in Deutschland leben und einen mathematisch-naturwissenschaftlichem Hintergrund haben, den Sprung zurück in die Arbeitswelt nicht geschafft haben und stattdessen Zuhause bleiben, bis die Kinder groß sind. Dann ist es oft zu spät, irgendwo wieder anzufangen", hat Jutta Lutz-Kadereit vom Frauenzentrum Bonn beobachtet.

Umdenken in der Gesellschaft notwendig

Auch wenn sich die Politik und die Unternehmenswelt gewisse Mühe geben, den Frauen die Rahmenbedingungen zu bieten, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, sie befördern und steuerliche Vorteile gewähren - eins müsste sich vor allem ändern, meint Jutta Lutz-Kadereit: "Ich wünsche mir, dass sich unsere Gesellschaft mehr öffnet - wie in Frankreich oder Schweden, wo es selbstverständlich ist, dass Frauen arbeiten gehen."

Soziologin Jutta Allmendinger sieht es ähnlich: "Es ist ein Umdenken notwendig und zwar weit mehr, als wir es bislang geschafft haben. Wir haben es soweit geschafft zu denken, dass der Mann nicht mehr 100 Prozent und für alle erwerbstätig sein muss, sondern wir haben uns zu einem Modell weiterentwickelt, wo der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet", sagt Allmendinger. Doch das entspreche nicht den Wünschen von Frauen und auch nicht ihren finanziellen Notwendigkeiten.