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Politik

MSC: Mehr Frieden durch mehr Frauen

Rosalia Romaniec | Matthias von Hein
14. Februar 2020

Wenn über Krieg, Kampf und Konflikte diskutiert wird, sind Frauen meist in der Minderheit. Das gilt auch für die Münchner Sicherheitskonferenz MSC. Frauennetzwerke wollen das ändern.

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Bundeswehrsoldaten in der Knüll Kaserne, Schwarzenborn
Bild: picture-alliance/dpa/F. May

Dunkle Anzüge und ordensbesetzte Uniformen dominieren wieder das Bild beim Beginn der vielleicht wichtigsten Sicherheitskonferenz der Welt. Aber in den Sälen, Hallen und Fluren des Konferenzhotels "Bayrischer Hof" in München mischen sich vermehrt Frauen unter die weit überwiegend immer noch männlichen Konferenzteilnehmer. Vor Konferenzbeginn freute sich Wolfgang Ischinger, in diesem Jahr erstmal gut 20 Prozent weiblicher Teilnehmer zu haben. "Wir haben uns sehr bemüht, die Gender-Balance zu verbessern. Das ist uns gelungen", bilanzierte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Frauen bestenfalls als Begleitung der Ehemänner

Wenn schon ein Gender-Verhältnis von 4 oder 5 zu 1 als Erfolg gefeiert wird, kann man sich vorstellen, welch langen Weg die Sicherheitskonferenz gegangen ist. Sicherheitspolitik war mehr noch als andere Politikbereiche lange eine reine Männerdomäne. In den 1960er und 70er Jahren, als die Sicherheitskonferenz noch "Wehrkundetagung" hieß, waren Frauen bestenfalls als begleitende Ehefrauen oder Servicekräfte dabei. Und noch Anfang der 2000er Jahre waren Frauen in der Sicherheitspolitik - zumindest in Deutschland - die große Ausnahme. Geändert hat sich das erst in den vergangenen zehn Jahren.

Wolfgang Ischinger
MSC-Chef Ischinger: "Gender-Balance verbessert"Bild: Ren Ke/dpa/picture-alliance

Aber von Geschlechterparität in der Sicherheitspolitik kann noch lange keine Rede sein. Vor allem, wenn es um reale Verhandlungen, wenn es um Krisen- und Konfliktlösung geht, bleiben Männer meistens unter sich. An Verhandlungstischen ist statistisch gesehen nur jeder neunte Stuhl von einer Frau besetzt. Dabei funktionierten Friedensprozesse, an denen Frauen beteiligt sind, nachweislich besser, erläutert die Grünen-Abgeordnete Agnieska Brugger gegenüber der DW. 

Weibliche Perspektive für die Hälfte der Menschheit

Deshalb "geht es nicht darum, Frauen zu zählen", so Brugger weiter. "Es geht um die Perspektiven und Potentiale von Frauen". Die verteidigungs- und sicherheitspolitische Expertin nennt ein Beispiel: "Wenn ich mit der Brille der traditionellen Politik auf die Konflikte schaue, dann sehe ich nicht, dass sexualisierte Gewalt in vielen Krisen dieser Welt systematisch als Waffe eingesetzt wird". Und dann könne man auch nicht die richtige Antwort finden, kritisiert Brugger.

Frauen an Verhandlungstischen berücksichtigen eher die Nöte von Frauen in Krisenregionen. Zum Beispiel sichern UN-Soldaten bei Friedensmissionen in Afrika zwar die Hauptverkehrsstraßen einer Krisenregion. Frauen gehen aber andere Wege. Um Wasser und Nahrung zu holen, müssen sie oft unwegsames Gelände, Steppe und Büsche durchqueren: Dort droht Vergewaltigung. Auch weiß man:  Frauen in Krisenregionen fühlen sich sicherer, wenn weibliche Sicherheitskräfte vor Ort sind.

Als Frau allein auf weiter Front

"Frauen müssen mitentscheiden, damit ihre Perspektive berücksichtigt wird", fordert deshalb Armgard von Reden. Von Reden ist Vorsitzende der deutschen Sektion von WIIS, das steht für "Women in International Security", einem weltweiten Frauennetzwerk. "Wir setzen uns dafür ein, dass wichtige Gremien mit ausreichend Frauen repräsentiert werden und dass die geschlossenen Gruppen von Männern, die wichtige Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik treffen, der Vergangenheit angehören", führt von Reden am Rande des Münchner Sicherheitskonferenz kämpferisch aus.

Engagiert für WIIS ist auch die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller, in der Vergangenheit sogar einmal als Vorsitzende der deutschen Sektion. Als Grund für ihren Einsatz nennt sie ihre Erfahrungen als junge Redakteurin, die versuchte in der Sicherheitspolitik Fuß zu fassen. Damals in den 1990er Jahren, erinnert sich Stelzenmüller, war sie in "diesem Bereich als Frau allein auf weiter Front". Und erlebte so viel Herablassung und Demütigung, dass sie dachte: "Man muss Strukturen schaffen, wo Frauen sichtbarer werden, auch miteinander reden können, Erfahrungen austauschen."

Angela Merkel und Ursula von der Leyen
Frauen in der Sicherheitspolitik: Kanzlerin Merkel und Ex-Verteidigungsministerin von der LeyenBild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

20 Jahre UN-Resolution 1325

Dass der Frauenanteil bei der Sicherheitskonferenz inzwischen bei gut 20 Prozent liegt, wertet Stelzenmüller mit Blick auf die früheren Zustände durchaus als Erfolg: "Militärsoziologen haben immer gesagt, die kritische Masse für Frauen in den Streitkräften liegt zwischen acht und 14 Prozent. Wenn das auch für die Sicherheitspolitik gilt, dann haben wir tatsächlich etwas erreicht."

Rückenwind gab es von den Vereinten Nationen. Die haben das Thema seit dem Jahr 2000 auf der Agenda. Damals hatte Namibia gerade einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Und warb mit einer Initiative für mehr Beteiligung von Frauen bei der Krisen- und Konfliktbewältigung. Die damalige namibische Frauenministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah sorgte dafür, dass die internationale Gemeinschaft dies als Ziel formuliert. Die entsprechende Resolution 1325 wurde einstimmig im UN-Sicherheitsrat beschlossen.

Agnieszka Brugger von den Grünen wertet das als historischen Meilenstein. "Das öffnete die Tür dafür, dass man die Perspektive der Frauen einnimmt". Seither sieht Brugger das Thema Gender bei den Vereinten Nationen stark verankert.

Gender Balance als deutscher UN-Schwerpunkt

Bis sich allerdings Deutschland der Resolution anschloss, dauerte es ganze 13 Jahre. Jetzt sitzt die Bundesrepublik selbst für zwei Jahre im Sicherheitsrat und erklärt Gender-Balance in der Außen- und Sicherheitspolitik zu einem seiner thematischen Schwerpunkte. Auf deutsche Initiative wurde jetzt die Nachfolgeresolution 2467 verabschiedet. Die stellt die Opfer sexueller Gewalt noch stärker in den Mittelpunkt - übrigens nicht nur weibliche, sondern auch Jungen und Männer.

Agnieszka Brugger Abgeordnete des Deutschen Bundestages
Agnieszka Brugger fordert mehl als nur WorteBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Agnieszka Brugger ist das noch zu wenig. "Es darf nicht nur bei schönen Worten oder hippen Instagram-Stories des Auswärtigen Amtes bleiben", beklagt sie. "Man muss auch bereit sein, seinen politischen Einfluss dafür zu nutzen, dass Frauen in relevanten politischen Prozessen vertreten sind und ihre Themen nicht weg gelächelt werden, sondern Aufmerksamkeit bekommen", sagt die 35-jährige Politikerin.

Da machen ja inzwischen die Frauen Netzwerke Druck: WIIS, oder Women Political Leaders oder auch das Womens Experts Network WOX. Sie sind übrigens alle auf der Münchner Sicherheitskonferenz vertreten.

Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein