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Freundschaft unter neuen Vorzeichen

Daniel Scheschkewitz, Washington23. Februar 2005

Zum ersten Mal seit knapp drei Jahren besucht mit George W. Bush wieder ein US-Präsident Deutschland. Es ist die erste Visite seit die deutsch-amerikanischen Beziehungen wegen des Irak-Krieges in eine Krise gerieten.

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Treffen in Mainz: Bush und SchröderBild: AP

Präsident Bush wird sein Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Mainz auch dazu nutzen, um mit deutschen Bürgern über die Fundamente in den transatlantischen Beziehungen zu sprechen. Außerdem will er mit Schröder über gemeinsame Strategien bei der Lösung globaler Probleme sprechen.

"Bush braucht Freunde und Partner"

Das "alte Europa" und damit auch Deutschland und Frankreich als Gegner des Irak-Krieges haben wieder mehr Aufmerksamkeit in Washington. Vorbei sind die Zeiten, da ein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Deutschland mit Kuba und Libyen verglich und Condoleezza Rice die Franzosen bestrafen und Deutschland wegen seiner Haltung zum Irak-Krieg ignorieren wollte.

Die Regierung von US-Präsident George W. Bush, so meint Ivo Daalder vom Brookings Institute, habe dazu gelernt: "Bush hat in seiner ersten Amtszeit erkennen müssen, dass es Grenzen gibt, im Hinblick darauf, was die USA alleine ausrichten können. Da braucht er sich ja nur den Irak ansehen, wo 85 Prozent der Truppen, 90 Prozent der Opfer und 95 Prozent der Mittel für den Wiederaufbau des Landes aus Amerika kommen", sagte Daalder und ergänzte: "Auch im Kampf gegen den Terrorismus wäre man bei der Suche nach El Kaida-Unterstützern nicht so erfolgreich gewesen, wenn man nicht zusammen gearbeitet hätte. Außerdem braucht er nur nach Nordkorea oder in den Iran zu schauen, um zu erkennen, dass er mit diesen Problemen nur fertig werden kann, wenn er Freunde und Partner hat."

Gemeinsamkeiten und Meinungsunterschiede

Das Tauwetter in den deutsch-amerikanischen Beziehungen wird von der deutschen Regierung mitgetragen. Beim Berlin-Besuch von US-Außenministerin Condoleezza Rice Anfang Februar empfing sie der Bundeskanzler in prächtiger Laune, und auch Innenminister Schily sah sich kürzlich durch eine Überraschungsaudienz bei Präsident Bush geschmeichelt. Neu ist jedoch, dass man auch angesichts der jüngsten Charme-Offensive aus Washington die Meinungsverschiedenheiten offen anspricht.

Doch auch wenn die Liste der gemeinsamen Positionen durchaus beachtlich ist, auffällig sind auch hier die Meinungsunterschiede im Detail. Beide, Deutschland und die USA wollen einen nukleare Bewaffnung des Iran verhindern. Doch über die Mittel dazu haben beide Regierungen unterschiedliche Vorstellungen: Berlin glaubt an direkte Verhandlungen mit Teheran und Angebote zur Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Kernenergie. Washington lehnt jeden Kontakt mit den Mullahs ab und möchte am liebsten einen Regime-Wechsel.

Berlin und Washington wollen eine Stabilisierung der Demokratie im Irak - aber die deutsche Hilfe bei der Ausbildung von Polizisten soll sich außerhalb des Irak vollziehen. Amerikaner und Deutsche wollen den Klimaschutz aber das jetzt in Kraft getretene Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, lehnen die USA nach wie vor ab.

Europäischer Behauptungsdrang

Meinungsunterscheide gibt es zudem bei der Frage nach der Rolle von multilateralen Institutionen wie dem Internationalen Gerichtshof und in der Frage des Waffen-Embargos gegenüber der Volksrepublik China.

Phillip Gordon, ehemaliger Direktor für europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat des Präsidenten, sieht hier einen neuen europäischen Behauptungsdrang, bei dem Deutsche und Franzosen die Motoren seien: "Wenn man sich daran erinnert, wo wir unterschiedlicher Meinung waren, dann haben die Europäer ja nicht unbedingt nachgegeben", sagt er und nennt das Kyoto-Protokoll als Beispiel: "Bush hat das Klimaschutzabkommen vor drei Jahren für tot erklärt und in dieser Woche ist es in Kraft getreten. Oder der Internationale Strafgerichtshof. Wir haben ihn nicht für sinnvoll erachtet und ihn verhindern wollen. Heute existiert er aber. Oder der Irak: Einige europäische Länder wollten keine Truppen schicken und das tun sie nach wie vor nicht und sie zahlen auch nicht für diesen Einsatz."

Post-Nine-Eleven-Zeitalter

Nach einer Erhebung des BBC World Service glauben 77 Prozent aller Deutschen und 75 Prozent der Franzosen, dass Bushs Wiederwahl sich negativ für den Frieden in der Welt auswirken wird. Dabei gerät in Deutschland häufig in Vergessenheit, dass die Außenpolitik der USA sich nicht ohne Grund geändert hat. US-Präsident Bush weist gerne darauf hin, dass der 11. September 2001 für einige in Europa nur ein schrecklicher, aber vorübergehender Moment gewesen sei. "Für uns war es der Grund, unsere Außenpolitik zu ändern."

An dieser veränderten Grundkonstellation wird auch der Besuch Bushs in Europa wenig ändern. Der Lackmustest, ob sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen mehr als der Ton geändert hat, wird später kommen. Dann, wenn sich zeigen muss, ob die transatlantische Wertegemeinschaft auch im Post-Nine-Eleven-Zeitalter zur gemeinsamen politischen Konfliktlösung taugt.