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Kunst

Rekordpreis für Selbstporträt erzielt

Suzanne Cords
17. November 2021

Frida Kahlos Gemälde "Diego und ich" ist Symbol einer leidenschaftlichen Beziehung. Für 30,7 Millionen Euro kam es bei Sotheby's unter den Hammer.

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Gemälde "Diego und ich" von Frida Kahlo zeigt ein Selbstbildnis Kahlos, auf ihre Stirn hat sie Deigos Kopf gemalt Diego
"Diego y yo" ("Diego und ich") stammt aus dem Jahr 1949Bild: Tolga Akmen/AFP

Ihre Selbstporträts sind legendär. Frida Kahlo blickt dem Betrachter tief in die Augen, ihre Haare sind meist mit Blumen zu Zöpfen hochgesteckt, sie trägt handbestickte mexikanische Trachten in leuchtenden Farben und auffällige Accessoires. Ihre zusammengewachsenen Augenbrauen und ein angedeuteter Schnurrbart stechen hervor, beides Attribute, die den konventionellen Schönheitsidealen widersprechen. Doch um Konventionen hat sich die Malerin (1907-1954) nie geschert.

Kultfigur Frida 

Frida Kahlo wurde als Tochter eines deutschen Einwanderers und einer Mestizin geboren, erkrankte mit sechs Jahren an Kinderlähmung und wurde mit 18 Jahren bei einem Verkehrsunglück so schwer verletzt, dass sie zeitlebens ein Stahlkorsett tragen musste. Nach dem Unfall ans Bett gefesselt, begann Frida Kahlo zum Zeitvertreib zu malen - der Beginn einer beispiellosen Karriere, die sie zur berühmtesten Künstlerin Mexikos machte. Ihr Charisma und ihr bewegtes Leben machten sie auch zu einer Kultfigur, ihr Engagement für Geschlechtergerechtigkeit und die Aufwertung der indigenen Kultur gilt als beispiellos.

Leidenschaftliche Liebe

Jetzt wird eines der letzten Selbstbildnisse Frida Kahlos versteigert. Darauf thront Lebensgefährte Diego Rivera als drittes Auge im Kopf der Künstlerin. "Diego y yo" ("Diego und ich") heißt das Werk, und es sagt viel aus über die Beziehung zu diesem Mann, den sie abgöttisch liebte. Doch die leidenschaftliche Beziehung der beiden war auch von viel Leid geprägt: "Ich hatte zwei schwere Unfälle in meinem Leben. Der erste war, als mich eine Straßenbahn überfahren hat, der andere war Diego."

Schwarzweiß-Aufnahme Frida Kahlos (Mitte) mit Diego Rivera
Frida Kahlo (Mitte) mit ihrer großen Liebe Diego Rivera Bild: Imago Images/Zuma/G. Espinosa

Dieser berühmte Satz Kahlos ist bezeichnend für die ungewöhnliche Liebesgeschichte, die den 20 Jahre älteren berühmten Maler mit der Frau verband, die ihm 1928 als noch unbekannte Künstlerin ihre ersten Malversuche präsentierte. Für Frida Kahlo war es Liebe auf den ersten Blick, und obwohl sich beide gegenseitig immer wieder mit anderen Partnern betrogen - am schwersten traf Frida Diegos Seitensprung mit ihrer Schwester Cristina - kamen sie nie voneinander los. Nachdem Kahlo 1954 mit nur 47 Jahren starb, bekannte Diego Rivera: "Ich begriff, dass das Beste in meinem Leben meine Liebe zu Frida war." Bis zu seinem Tod bewarb er ihre Kunst. 

Teuerstes lateinamerikanisches Kunstwerk

Jetzt also kam "Diego y yo", das Symbol einer großen Liebe, unter den Hammer. Am 16. November wurde es in New York bei Sotheby's für 34,9 Millionen Dollar (30,7 Millionen Euro) versteigert. Gerade einmal 29,8 mal 22,4 Zentimeter misst das Ölbild. 1990 war es - ebenfalls bei Sotheby's - für dagegen bescheidene 1,4 Millionen Dollar an die New Yorker Kunsthändlerin Mary-Anne Martin verkauft worden. Allerdings war es damals bereits das erste Werk einer lateinamerikanischen Künstlerin, das in einer Auktion mehr als eine Million Dollar brachte.

Seitdem sind die Preise für Frida Kahlos Bilder kontinuierlich gestiegen. Das Frühwerk "El tiempo vuela" ("Die Zeit fliegt") von 1929 erzielte im Jahr 2000 4,6 Millionen Dollar, "Dos desnudos en el bosque" ("Zwei Nackte im Wald") ging 2016 für acht Millionen Dollar weg. "Diego y yo" ist eines der letzten Selbstporträts, die die Mexikanerin in den 1940er-Jahren schuf. Die Haare sind wie Fesseln um ihren Hals geschlungen, Tränen tropfen auf ihre Wangen. Das Bild entstand während Riveras Affäre mit ihrer engen Freundin, der Schauspielerin María Félix - das Seelenleid der Betrogenen spiegelt sich in jedem Pinselstrich wider. Noch nie wurde bei einer Auktion so viel für ein lateinamerikanisches Kunstwerke geboten. Den Rekord hielt bisher mit 8,6 Millionen Euro ein 2018 versteigertes Gemälde - ausgerechnet von Diego Rivera, der auf dem jetzt verkauften Bild von seiner Gefährtin Frida Kahlo verewigt wurde. Die spektakuläre Auktion wird den Ruhm der Mexikanerin wohl noch mehren.

Kahlos Gemälde "Dos desnudos en el bosque"
Kahlos Gemälde "Dos desnudos en el bosque" wurde 2016 bei Christie's versteigertBild: Getty Images/AFP/K. Betancur

Kritik an Kahlo 

Doch zeitgleich gibt es auch Kritik an Kahlos Werk. Die indigene Autorin Joanna García Cherán aus dem Volk der Purépecha bemängelt in einem Artikel, dass die künstlerische Avantgarde in Mexiko, darunter auch Frida Kahlo, "den damaligen Zeitgeist widerspiegelt, der ein mythologisiertes Indianertum in leicht verdaulicher Ästhetik reflektiert, das von der weißen und reichen Elite formuliert wurde" - allerdings ohne Beitrag der indigenen Völker. So habe Kahlo gern die farbenfrohen Gewänder der Tehuana-Frauen getragen, ohne je bei ihnen gewesen zu sein. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betonte García Cherán: "Wir brauchen mehr indigene Stimmen, um eine kritische Perspektive in eine Kultur einzubringen, die indigene Sichtweisen historisch ausgeschlossen hat."

Frida Kahlo mit blumengeschmückten Haaren und in Teacht hält eine Figur hoch
Frida Kahlo inszenierte sich gern als indigene Frau Bild: Nickolas Muray/dpa/picture alliance

Riesenauktion wertvoller Werke

Die Bieter, die "Diego y yo" bei der Auktion ergattern wollten, wird die Kritik der indigenen Purépecha-Frau nicht angefochten haben. Das Werk, das ja von einer schwierigen Liebesbeziehung erzählt, stammt aus einer prominenten Sammlung, die ausgerechnet einer Scheidung zum Opfer fiel. Der New Yorker Immobilien-Mogul Harry Macklowe und seine Frau Linda, eine Kunst-Expertin mit festen Sitz im Kuratorium der Guggenheim-Stiftung, hatten sich 2016 nach 57 Jahren Ehe getrennt und heftig ums Vermögen gestritten. Schließlich verfügte ein Richter, dass der Besitz der beiden im Wert von rund zwei Milliarden Dollar zur Hälfte geteilt werden sollte. Dazu müsse das Paar auch wertvolle Bilder aus seiner Kunstsammlung verkaufen.

Am Montag (15.11.2021) war es soweit. Die ersten 35 Werke der Macklowe-Sammlung gingen bei Sotheby's für die Rekordsumme von insgesamt 700 Millionen Dollar (ca. 620 Millionen Euro) weg, darunter Andy Warhols "Nine Marilyn's", Jackson Pollocks "Number 17, 1951" und Mark Rothkos Bild "No. 7".

Der Käufer von Frida Kahlos Gemälde soll laut "New York Times" der Geschäftsmann Eduardo F. Cosantini sein, Gründer und Vorsitzende eines Museums für lateinamerikanische Kunst in Buenos Aires. Die Bewunderer von Frida Kahlo dürfte es freuen, dass "Diego y yo" nicht bei einem Privatsammler landet, sondern das Gemälde vielleicht irgendwann besichtigen werden kann.

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 15.11.2021.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur