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Frieden schaffen mit Waffen

Astrid Prange20. November 2013

In Kolumbien sollen bewaffnete Ex-Rebellen ein Recht auf politische Beteiligung bekommen. Auch wenn die Friedensgespräche in Havanna nur langsam vorankommen - die Hoffnung auf ein Ende des Bürgerkriegs wächst.

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Farc-Kämpfer mit Waffe (Foto: EPA/Christian Escobar Mora)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück: Nach dem Durchbruch bei den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Rebellenorganisation Farc zu Beginn des Monats ist die dritte Verhandlungsrunde auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Sie sollte eigentlich am 18. November in Havanna beginnen. Für die schwierigen Themen "Illegale Drogen" und "Entwaffnung" würde mehr Zeit zur Vorbereitung benötigt, hieß es am Sonntag (17.11.2013) in der kolumbianischen Presse.

Noch Anfang November war das vom Bürgerkrieg gezeichnete Land voller Hoffnung. Unmittelbar nach der Einigung der Unterhändler in Havanna über möglichen Formen einer künftigen politischen Beteiligung der Guerilla-Organisation "Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) gab sich Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos geradezu euphorisch: "Habt keine Angst vor Rückschlägen!" appellierte er in einer Fernsehansprache.

Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos (Foto: EPA/Juan Pablo Bello/ Colombian Presidency)
Im Wahlkampf: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos profiliert sich als VermittlerBild: picture-alliance/dpa

Schon seit einem Jahr verhandeln Verteter der kolumbianischen Regierung und der Farc auf Kuba. Im Mai einigten sich die Parteien auf eine umfassende Landreform. Damit sind zwei der insgesamt sechs Themenkomplexe abgearbeitet. Die anderen Punkte sind neben illegalem Drogenhandel die Entwaffnung der Rebellen, die Entschädigung der Opfer sowie die konkrete Umsetzung des Friedensabkommens.

Politische Rückendeckung für Santos

Die Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung befürwortet die Friedensverhandlungen in Havanna. Dies ergab eine Umfrage vom "Observatorium Demokratie in den Anden" an der Universität von Bogotá. Danach sprachen sich unter den 1500 befragten Bewohnern in den Konfliktgebieten 59 Prozent für die Friedensgespräche aus, im Rest des Landes waren es 53 Prozent. Der Anteil derer, die die Verhandlungen nicht begrüßen, liegt zwischen 27 und 33 Prozent.

Wenn es an die praktische Umsetzung geht, ändert sich die Lage. 69 Prozent aller Befragten sind nämlich dagegen, dass ehemalige Farc-Kombattanten künftig am politischen Leben teilnehmen. In den betroffenen Konfliktregionen war die Ablehnung mit 83 Prozent sogar noch größer.

Gerade auf die Teilnahme der Farc am politischen Leben jedoch hatten sich die Verhandlungsführer am 6. November 2013 in Havanna geeinigt. Demnach soll es für ehemalige Guerilleros künftig möglich sein, mit einem "provisorischen" Mandat besonders vom Krieg betroffene Regionen in der Abgeordnetenkammer des Kongresses zu vertreten.

Farc-Kommandant Ivan Marquez verkündet Ergebnisse der Friedensverhandlungen in Havanna. (Foto: YAMIL LAGE/AFP/Getty Images)
Farc-Kommandant Ivan Marquez verkündet am 6. November den Durchbruch bei den VerhandlungenBild: Yamil Lage/AFP/Getty Images

Rebellen im Parlament?

"Dieser Schritt ist wichtig, weil man sich auf Regeln für eine politische Beteiligung der Farc geeinigt hat - und zwar über die Gründung einer politischen Partei hinaus", erklärt Sabine Kurtenbach vom Giga Institut für Lateinamerika-Studien im Gespräch mit der DW. Der kolumbianische Staat habe sich verpflichtet, die politische Teilhabe von Sektoren und Regionen zu garantieren, die zuvor kaum repräsentiert waren.

Schon jetzt beherrschen die Friedensverhandlungen die politische Debatte und den Wahlkampf in Kolumbien. Staatspräsident Juan Manuel Santos, der die Verhandlungen in Havanna so schnell wie möglich abschließen will, muss sich bis zum 25. November entscheiden, ob er bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2014 antritt.

Im Gegensatz zu Santos gehört sein Vorgänger Alvaro Uribe zu den 69 Prozent der Kolumbianer, die eine politische Beteiligung der Farc für falsch halten. "Es ist abstoßend, dass mit den Farc über eine demokratische Zukunft verhandelt wird", sagte der Ex-Präsident der einheimischen Presse. Die Farc-Guerilla sei weltweit das größte Kartell für Drogen, Entführungen und Ermordungen.

In der vergangenen Woche erreichte die Feindschaft erneut einen traurigen Höhepunkt. Kolumbiens Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzon warf den Farc-Rebellen vor, einen Mordanschlag auf Ex-Präsident Uribe geplant zu haben. Die Regierung habe das "Mordkomplott" aufgedeckt und den Personenschutz Uribes verstärkt, sagte er am 12. November der einheimischen Presse. Bereits Uribes Vater war 1983 von den Rebellen nach einer gescheiterten Entführung erschossen worden.

Marienfigur in der zerstörten Kirche von Bojaya (Foto: LUIS ACOSTA/AFP/Getty Images)
Tragödie: Eine Granate der Farc tötete vor elf Jahren 78 Menschen in diesem Gotteshaus im kleinen Ort BojayaBild: Luis Acosta/AFP/Getty Images

Kritiker leben gefährlich

Pater Alberto Franco von der "Ökumenischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden" hofft darauf, dass die Friedensverhandlungen den tief sitzenden Hass auf beiden Seiten endlich überwinden. "Wir müssen ein Klima schaffen, in dem der soziale Kampf der Guerilla ohne Waffen auf politischer Ebene ausgetragen werden kann", fordert er im Gespräch mit der DW. "Es ist eine Sache, wenn die Guerilla für soziale Veränderungen zu den Waffen greift. Eine andere Sache ist es, wenn Paramilitärs aus wirtschaftlichen Beweggründen mit der Polizei und dem Militär zusammenarbeiten."

Seine scharfe Kritik an den paramilitärischen Gruppen, die in Kolumbien inoffiziell die Farc bekämpfen, hat auch Franco bereits mehrere Todesdrohungen eingebracht. Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat deshalb kürzlich im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" eine Patenschaft für den Geschäftsführer der Ökumenischen Kommission übernommen.

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass 50 Jahre nach dem Beginn des Bürgerkriegs ein Ende der militärischen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen abzusehen ist. Immer weniger Kolumbianer wollen unter dem Kommando der Farc kämpfen. In den vergangenen zwei Jahren sind laut kolumbianischem Verteidigungsministerium knapp 5400 Kämpfer desertiert. Die Zahl der Farc-Kämpfer beschränke sich zurzeit auf 7000 Mann.

Nicht nur die größte Guerilla Kolumbiens, das ganze Land scheint kriegsmüde zu sein. Seit der Gründung der Farc 1964 im Kampf gegen Großgrundbesitzer wurden bis zu 600.000 Menschen getötet und rund drei Millionen Menschen vertrieben.

Doch während in Havanna verhandelt wird, gehen die Kämpfe weiter. Die Regierung lehnt eine Feuerpause ab, weil sie fürchtet, die Rebellen könnten diese zur erneuten Bewaffnung nutzen. Die Farc hatten sich bis jetzt lediglich dazu verpflichtet, die Waffen "niederzulegen". Endgültig abgeben wollen sie sie nicht.