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Friedens-Dschirga unter Beschuss

2. Juni 2010

In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben die Taliban mit einem Angriff die Friedensversammlung gestört. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte die Rebellen zuvor aufgefordert, die Waffen niederzulegen.

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Hamid Karsai am Rednerpult (Foto: AP)
In Afghanistan soll nach Karsais Wunsch Frieden einkehrenBild: AP

Der Auftakt der mehrtägigen Friedens-Dschirga in der afghanistanischen Hauptstadt Kabul ist von Gewalt überschattet worden. Die Talibankämpfer griffen während der Eröffnungsrede von Präsident Hamid Karsai am Mittwoch (02.06.2010) an. Karsai hatte erst zehn Minuten lang vor der traditionellen Stammesversammlung mit rund 1300 Delegierten gesprochen, als nahe des großen Zeltes Schüsse fielen.

Ein getöteter Attentäter wird von Polizisten weggebracht (Foto: AP)
Ein getöteter Attentäter wird von Polizisten weggebrachtBild: AP

Mindestens zwei Attentäter getötet

Eine kleine Gruppe der Taliban feuerte auch Raketen auf die Dschirga ab. Diese verfehlten aber ihr Ziel. An den Sicherheitssperren lieferten sich Polizisten Gefechte mit drei Aufständischen, die sich in Burkas verkleidet Zutritt zum Gelände verschafft hatten. Zwei von ihnen wurden getötet, der Dritte festgenommen.

Karsai stellte zum Auftakt der Dschirga in seiner Rede an die Stammesangehörigen und ausgewählten Volksvertreter einen ehrgeizigen Friedensplan vor. Der Präsident will Taliban-Kämpfer und andere Rebellen mit finanziellen Anreizen zum Niederlegen ihrer Waffen bewegen. Unter anderem sollen den Aufständischen Arbeitsplätze in Entwicklungsprojekten angeboten werden.

Hamid Karsai spricht vor der Versammlung (Foto: AP)
Hamid Karsai forderte die Taliban auf, die Waffen niederzulegenBild: AP

Deutlicher Appell an Taliban

Das Einschlaggeräusch der ersten Rakete nur wenige Minuten nach Redebeginn löste bei einigen Delegierten Panik aus. Karsai forderte die Anwesenden auf, Ruhe zu bewahren: "Setzen Sie sich wieder hin, es wird nichts passieren", sagte er. "Ich habe mich daran gewöhnt. Jeder ist daran gewöhnt." Karsai hat mindestens drei Attentatsversuche überlebt.

In seiner Rede appellierte Karsai mit deutlichen Worten an die Taliban, ihre Waffen niederzulegen. "Ich rufe Dich wieder dazu auf, mein Bruder, mein lieber Talib, kehre zurück. Dies ist Dein Land", sagte er. Nach seiner Rede verließ er begleitet von Hubschraubern in einem Konvoi gepanzerter Fahrzeuge den Versammlungsort.

Delgierte sitzen in Sesseln und auf Stühlen im Veranstaltungszelt (Foto: AP)
1600 Delegierte beraten bis Samstag über FriedensmöglichkeitenBild: AP

Rund 300 Frauen nehmen teil

Die dreitägige nationale Konferenz soll den Grundstein für eine Aussöhnung mit den radikalislamischen Taliban legen. Zu den Teilnehmern der Dschirga zählen Parlamentarier, Bezirkschefs, Flüchtlinge und Angehörige der Zivilgesellschaft. Auch rund 300 Frauen nehmen teil, sie sitzen allerdings getrennt von den Männern. Eröffnet wurde die Versammlung, die dritte dieser Art seit dem Sturz der Taliban 2001, mit einer Lesung aus dem Koran und der afghanischen Nationalhymne.

Der Vorsitzende der Friedens-Dschirga, der ehemalige Präsident Burhanuddin Rabbani, sagte, drei Tage seien vermutlich nicht lang genug, "um eine Lösung für alle unsere Probleme zu finden, aber es ist ein guter Anfang, und dieser Trend muss fortgesetzt werden." Rabbani forderte alle Beteiligten auf, keine Vorbedingungen für Friedensverhandlungen zu stellen.

Abzug der USA 2011?

Die Dschirga dauert bis Samstag. Karsais Vorstoß zur nationalen Aussöhnung wird von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Die ausländischen Truppen wollen sich schrittweise aus dem Land zurückziehen. Die USA visieren als Abzugsbeginn den Juli 2011an.

Die radikalislamischen Taliban hatten die Versammlung als "Propaganda der Invasoren" bezeichnet. Sie bekannten sich auch zu dem Anschlag.

Autorin: Marion Linnenbrink (afp, apn, rtr)
Redaktion: Martin Schrader