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Überraschung beim Friedensnobelpreis

Tobias Grote-Beverborg (kas)13. Oktober 2006

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht völlig überraschend an den Wirtschaftsfachmann Mohammed Junus aus Bangladesch und die von ihm gegründete Grameen Bank. Diese vergibt Kleinstkredite für arme Menschen.

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Das Friedensnobelpreis-Komitee sitzt um einen ovalen Tisch
Junus: "Die Auszeichnung wird unserer Bewegung und der Bekämpfung der Armut auf der ganzen Welt neue Impulse geben"Bild: AP

Das fünfköpfige Nobelkomitee in Oslo begründete seine unerwartete Entscheidung, den Friedensnobelpreis an Mohammed Junus aus Bangladesch zu vergeben, am Freitag (13.10.) mit dessen erfolgreichen Bemühungen zur Erzeugung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung von unten. Dauerhaften Frieden könne es nicht geben, so lange große Bevölkerungsgruppen keine Wege aus der Armut finden. Kleinstkredite, wie sie von dem Wirtschaftsprofessor und seiner Bank vergeben werden, seien solch ein Weg.

Das Friedensnobelpreis-Komitee sitzt um einen ovalen Tisch
Das Friedensnobelpreis-Komitee (Archivfoto)Bild: AP

Der 66-jährige Mohammed Junus organisiert mit der Bank seit mehr als 30 Jahren vor allem Kleinstkredite für arme Menschen in Bangladesch. Sichtlich gerührt nahm er die Nachricht von der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an ihn und an die von ihm gegründete Grameen Bank entgegen.

Gegen Zins-Wucher bei Armen

Der aus Bangladesch stammende und in den USA promovierte Wirtschaftswissenschaftler kennt die Armutsprobleme aus eigener Anschauung. Die Idee, Kleinstkredite für Bedürftige bereitzustellen, kam ihm in den 1970er Jahren, als eine verheerende Hungersnot sein Land heimsuchte. Es war eine persönliche Begegnung mit einer jungen Handwerkerin, die den Wirtschaftsprofessor dazu bewegte, eine Bank zu gründen, die so genannte Mikrokredite an Bedürftige vergibt.

Die junge Frau stellte Möbel her und lebte trotzdem in bitterer Armut, da ihr Einkommen noch nicht einmal ausreichte, um die Wucherzinsen für den örtlichen Geldverleiher zurückzuzahlen. Junus stellte fest, dass die von ihr zu zahlenden Zinsen bei 3000 Prozent im Jahr lagen.

Rückzahlquote 99 Prozent

Das Schicksal der jungen Frau war exemplarisch für die Situation von Kleinstgewerbetreibenden in Bangladesch, die, da sie den gewöhnlichen Banken keine Sicherheiten bieten konnten, in die Arme von Wucherern getrieben wurden und immer tiefer in die Schuldenfalle gerieten. So begann Junus mit bescheidenen Mitteln Kleinkredite mit niedrigen Zinsen an Bauern und Handwerker zu vergeben. Nach ersten Erfolgen gründete er Anfang der 1980er-Jahre die Grameen Bank, die inzwischen über 2000 Filialen in mehr als 70.000 Dörfern Bangladeschs verfügt.

Bis heute hat die Grameen Bank über vier Milliarden Euro verliehen, die Rückzahlquote liegt bei beeindruckenden 99 Prozent. Das von Junus und seiner Grameen Bank entwickelte Konzept der Mikro-Kredite hat weltweit in über 60 Entwicklungsländern Nachahmer gefunden.

Signal und Vision

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Mohammed Junus würdigte den selbstlosen Einsatz Junus' im Dienst der weltweiten Armutsbekämpfung. Statt sich nach seinem Studium und seiner Professur in den USA erfolgreich in die Privatwirtschaft zu begeben, kehrte er als Wirtschaftsprofessor in das gerade unabhängig gewordene Bangladesch zurück. Die Probleme seiner Landsleute, die teilweise in größter Armut leben mussten, berührten ihn zutiefst und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen, bis er eine Lösung ihrer Probleme gefunden hatte.

Junus' Idee fußt auf der aktiven Beteiligung der Armen an ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Sie sollen nicht zu Empfängern von Almosen degradiert werden, sondern erhalten durch die Kredite eine faire Chance, ihre Lebensbedingungen eigenverantwortlich zu verbessern. In diesem Sinne ist der Friedensnobelpreis für Mohammed Junus ein wichtiges Signal, die Armutsprobleme der Welt nicht einfach hinzunehmen, sondern das Schicksal der Armen durch visionäre Ideen, fachliches Wissen und praktisches Handeln zu verändern.

Für den Preis waren 191 Nominierungen eingegangen. Der Friedenspreis ist traditionell die letzte Auszeichnung, die im Reigen der Nobelpreise bekannt gegeben wird. Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Im vergangenen Jahr erhielten die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien und ihr Direktor Mohamed El Baradei den Preis für ihren Einsatz gegen die Verbreitung von Atomwaffen.