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Kritik am Friedensnobelpreis

Dagmar Breitenbach / Übersetzung: Martin Koch12. Oktober 2012

Den Friedensnobelpreis haben Politiker und internationale Organisationen bekommen, ebenso Friedensaktivisten und Menschenrechtler. Doch Kritiker meinen, die Vergabe sei nicht immer im Sinne des Stifters.

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Alfred Nobel Porträt (Foto:AP/dapd)
Alfred NobelBild: dapd

Henry Kissinger und der Dalai Lama haben ihn bekommen, Nelson Mandela, Willy Brandt und Mutter Teresa - den Friedensnobelpreis. Die Auszeichnung ging auch schon an Organisationen wie die Internationale Atomenergiebehörde IAEO, den UN-Klimarat IPCC und jetzt die Europäische Union. Andere hätten die renommierte internationale Auszeichnung sicher ebenfalls verdient, wurden aber nicht ausgewählt. Und eine Reihe von Ehrungen sind sehr kontrovers diskutiert worden, zum Beispiel die Vergabe des Friedensnobelpreises 2009 an US-Präsident Barack Obama. Schon länger verweisen Kritiker der Vergabepraxis auf die ursprünglichen Absichten des Stifters Alfred Nobel: Dieser habe mit dem Preis politische Führer auszeichnen wollen, die sich für eine Entwaffnung der Welt einsetzen, nicht aber Diplomaten, Umweltaktivisten und Menschenrechtler, die in vergangenen Jahren oft Preisträger waren.

Der Zweck des Preises

Fredrik Heffermehl ist ein entschiedener Kritiker der Vergabepraxis und des Komitees, das jährlich den Preis vergibt. In seinem 2010 veröffentlichten Buch "The Nobel Peace Prize. What Nobel Really Wanted" untersucht der norwegische Rechtsanwalt die Geschichte des letzten Willens des Industriellen Alfred Nobel aus dem Jahr 1895: "Ich habe sogar Textstellen gefunden, aus denen Nobel seine exakten Formulierungen übernommen hat. Das sind sehr gute Belege dafür, was er mit dem Preis im Sinn hatte", sagt Heffermehl der Deutschen Welle. Es gehe um die Vision einer völlig neuen Art des Zusammenwirkens von Nationen. "Nur sehr wenige Preisvergaben haben diese Idee wirklich gewürdigt", fügt der Schriftsteller hinzu.

Andere Experten befürworten dagegen die Freiheiten, die sich das Komitee bei der Vergabe nimmt. Das Hauptkriterium in Alfred Nobels Testament sei zwar "Brüderlichkeit zwischen Nationen" gewesen, so Jay Nordlinger, Autor des Buches "Peace, They Say: A History of the Nobel Peace Prize, the Most Famous and Controversial Prize in the World". Das würde aber "all diejenigen ausschließen, die in ihrem eigenen Land für mehr Menschenrechte kämpfen", so der US-Schriftsteller. "Man hätte dann niemals den Preis an Andrej Sacharow oder Aung San Suu Kyi oder Liu Xiaobo aus China geben können."

Nobelpreis-Medaille (Foto: dpa)
Nobelpreis-MedailleBild: picture-alliance/dpa

Nobels Worte (miss-) verstehen

Natürlich, viele Leute haben einen Friedenspreis verdient, sagt auch Fredrik Heffermehl - aber eben nicht den Nobelpreis. Der Stifter habe präzise beschrieben, nach welchen Kriterien die Auszeichnung zu vergeben sei: "Beim Friedensnobelpreis geht es um Nobels Vorstellung davon, wie auf der Erde Frieden geschaffen werden kann", sagt er. Das Hauptziel Alfred Nobels sei die Abschaffung des Militärs gewesen und auch alles anderen, was Krieg ermögliche - was in einer Welt voller "Atomwaffen, die unsere gesamte Erde auslöschen können," besonders wichtig sei. "Dies ist kein Preis für den Frieden, sondern für diejenigen, die den Frieden erreichen", so Heffermehl, der auch Beschwerde bei der Schwedischen Stiftungsaufsichtsbehörde eingereicht hatte. Diese beendete eine formale Untersuchung zu Heffermehls Beschwerde im März und forderte vom Aufsichtsrat der Nobel-Stiftung, dass er den Zweck des Testaments überprüfen und sicherstellen solle, dass künftige Preisträger damit übereinstimmten.

Autor und Rechtsanwalt Fredrik Heffermehl (Foto: Eva Brustad)
Kritiker der Vergabepraxis: Fredrik HeffermehlBild: Eva Brustad

Das Komitee entscheidet

"Der letzte Wille Nobels ist ein bisschen wie die Verfassung der USA: manche interpretieren sie streng, andere etwas liberaler, damit sie besser zu ihren jeweils eigenen Ansichten passt", sagt Jay Nordlinger dagegen. Schon bei der ersten Vergabe des Friedensnobelpreises im Jahr 1901 habe es Streit über Abweichungen vom Willen des Stifters gegeben. Die Auszeichnung sei damals zwischen zwei Preisträgern aufgeteilt worden: Frederic Passy, "als einer der führenden Pazifisten Europas ein erwartungsgemäßer Gewinner", so Nordlinger. Der andere war Henry Dunant, Gründer des Roten Kreuzes. "Die Mitglieder der Friedensbewegung waren empört, weil Dunant ein humanitärer Helfer war, der sich in keiner Weise mit der Verhinderung oder der Abschaffung von Krieg befasste", sagt der Autor.

Befürworter: Jay Nordlinger (Foto: still-images.net)
Befürworter: Jay NordlingerBild: CC BY-SA 2.0